Davin fuhr unwillkürlich zusammen, als Blut über den sandigen Boden spritzte und sowohl Thrall als auch ihn traf. Er war jedoch zu geschockt, um zu versuchen, den Lebenssaft des Orc abzuwischen. Nicht einmal das Blut, das sich mit der Nässe auf seiner linken Wange mischte, beachtete er. Oder die Schädelsplitter, die sich in seinem Bart verfangen hatten.
Auch Thrall machte keinerlei Anstalten, die Spuren von Burx' zertrümmertem Haupt von sich zu wischen, obwohl ihn noch wesentlich mehr davon getroffen hatte. Davin schloss nicht aus, dass das Blut eines Unterlegenen bei Orcs als Ruhmeszeichen galt.
Der Kriegshäuptling trat vor und sagte an Davin gewandt: »Ich entschuldige mich im Namen von Durotar für diesen Verräter, Major, und für diese schreckliche Schlacht. Ich werde es zu verhindern wissen, dass das Flammende Schwert meine Leute noch einmal beeinflusst. Und ich hoffe, dasselbe könnt auch Ihr mir für Eure Seite versichern.«
Davin traute seiner Stimme nicht, deshalb nickte er nur.
»Dann werden wir nun abziehen«, versprach Thrall mit Genugtuung. »Ich bin untröstlich, dass wir nicht rechtzeitig hier waren, um dieses Blutvergießen zu verhindern. Aber zuerst musste ich die Truppen, die auf dem Landweg vorrückten, aufhalten. Wir werden alle nach Durotar zurückkehren und euch nicht mehr angreifen...« Der Kriegshäuptling trat vor. »Jedenfalls nicht, so lange ihr uns keinen Anlass dazu gebt.«
Wieder nickte Davin, diesmal deutlich eifriger und mit allem Nachdruck, zu dem er fähig war. Er verließ seinen Platz auch nicht, als Thrall seinen Truppen den Befehl gab, die Toten und Verwundeten einzusammeln und zu den Booten zurückzukehren, um heim nach Kolkar Crag zu segeln. Davin stand lange nur da, seine Stiefel im Sand eingesunken.
Die Überreste von Burx' Blut, seinem Schädel und Gehirn bedeckten noch immer den Körper und die Rüstung Thralls, als der Orc die Leiter seines Luftschiffs erklomm. Kurz darauf trat die Flotte ihre Reise nach Norden an.
Davin wunderte sich, dass seine Gebete erneut erhört worden waren. Vielleicht, dachte er, war ja an dieser ganzen Beterei doch etwas dran.
Auch darüber, wie rasch sich die Gesamtsituation zum Guten hin verändert hatte, konnte er nur staunen. Ganz allein Thralls Ansprache hatte all dies bewirkt. Natürlich hatte ihm die spektakuläre Hinrichtung die nötige Aufmerksamkeit gesichert. Aber ohne seine Überzeugungskraft hätte dieser Effekt nur für kurze Zeit angehalten. Nein, Thralls Worte hatten die Orcs und Trolle überzeugt , die Kämpfe einzustellen und sich zurückzuziehen.
Es fiel Davin schwer, es sich einzugestehen, dass er vom Auftritt des Kriegshäuptlings beeindruckt war.
Schließlich fragte ein Captain: »Eure Befehle, Major?«
»Äh... Abmarsch, Captain.« Er stieß den Atem aus, von dem ihm nicht bewusst gewesen war, dass er ihn überhaupt angehalten hatte, und fühlte sich plötzlich sehr müde. »Wir marschieren nach Hause.«
Vor nicht einmal fünf Minuten hatte Aegwynn Zmoldor gezwungen, Schluss zu machen mit seinen billigen Tricks. Der Körperlose-Stimme-Zauber mochte vielleicht Durchschnittsmenschen beeindrucken. Aber es war ein simpler Spruch, den jeder Lehrling im ersten Jahr zu wirken lernte. Deshalb beeindruckte er Aegwynn nicht im Geringsten.
Doch als sie jetzt Zmoldor sah, groß, mit ledriger Haut, Fledermausflügeln und flammenden Augen, gelangte sie zu der Überzeugung, dass sie besser ihren vorlauten Mund gehalten hätte.
Dämonen waren generell keine schönen Geschöpfe – aber Zmoldor war selbst nach diesen Maßstäben hässlich. Acht mit Kapuzen verhüllte Gestalten umstanden den Dämon. Vermutlich die Zauberer, die ihre rhythmischen Gesänge erschallen ließen.
Jaina griff unter ihren Umhang und zog die Schriftrolle hervor. Aegwynn war froh, denn es bedeutete, dass es bald vorbei sein würde. Jetzt, da Zmoldor sich gezeigt hatte, konnte Jaina den Bannzauber sprechen.
Plötzlich aber brüllte Jaina auf und stürzte wie ein Stein zu Boden.
»Jaina!« Aegwynn eilte an die Seite der jungen Magierin. Lorena, treue Streiterin, die sie war, positionierte sich zwischen Jaina und dem Dämon.
Schweiß perlte von Jainas Stirn, als sie sich aufrichtete. Gepresst brachte sie hervor: »Zauberer... blockieren den Spruch!«
Aus dieser Nähe konnte Aegwynn die Stärke der Zauberer spüren. Die des Einzelnen mutete eher schwach an, doch weil es Dutzende waren, gelang es ihnen, ihrem Spruch die nötige Durchschlagskraft zu verleihen. Dennoch hätte eine Magierin von Jainas Format sie besiegen müssen.
Wenn sie sich nicht zuvor schon verausgabt hätte...
Jaina bemühte sich, Aegwynn konnte es fühlen. Aber sie verlor gegen Zmoldors Diener zusehends an Boden.
Das läuft ja besser, als ich gedacht habe. Ich werde dafür sorgen, dass man die Orcs für Lady Proudmoores Tod verantwortlich macht. Es wird die Menschen in Rage versetzen. Nichts wird sie davon abhalten können, in den Krieg zu ziehen, und ohne sie als Anführerin werden sie verlieren. — Aber nicht, bevor sie so viele Orcs wie möglich getötet haben. Es wird wunderbar!
»Wie die Hölle«, murmelte Aegwynn. Es gab für sie nur noch eines zu tun.
Fast vier Jahre war es her, dass sie Medivh zurückgebracht hatte. Dabei hatte sie alle zauberischen Kräfte eingebüßt. Aber Magie verschwand niemals für immer. Zwei Jahrzehnte, nachdem sie nach Bladescar geflohen war, hatte sie genügend magische Kraft gehortet, um ihren Sohn zurückzuholen.
Obwohl sie in den letzten vier Jahren nicht annähernd so viel zurückerhalten hatte, konnte sie vielleicht doch schaffen, was notwendig war. Und wenn es nicht funktionierte, nun gut, sie hatte fast tausend Jahre gelebt, und wie Lorena es so klug ausgeführt hatte, war das deutlich länger, als die meisten Menschen auf Erden wandelten.
Schweiß rann über Jainas Gesicht. Sie kniete immer noch da, die Fäuste geballt und auf ihren Fersen sitzend. Aegwynn konnte den Spruch spüren, den sie selbst erdacht hatte, und kämpfte gleichzeitig darum, den Block zu überwinden, den die Zauberer errichtet hatten.
An Jainas Seite ergriff Aegwynn die linke Faust der jungen Frau mit ihren beiden Händen. Sie schloss die Augen, sammelte ihre Gedanken, ihre Kraft, ihre ganze Lebensessenz. Sie fokussierte und kanalisierte die Energie in ihre Arme... dann in ihre Unterarme... ihre Hände... Und schließlich in Jaina.
Urplötzlich überkam sie eine tiefe Müdigkeit. Ihre Knochen fühlten sich schwer an, ihre Muskeln schmerzten, als wären sie ein langes Rennen gelaufen, und ihr Atem kam in kurzen Stößen. Aegwynn ignorierte das alles und bündelte weiter jede verfügbare Energie. Ihr Leben, ihre Magie, selbst ihre Seele leitete sie in Jaina Proudmoore.
Jaina öffnete ihre Augen. Normalerweise von eisigem Blau, leuchteten sie nun feurig rot.
Nein!
Fast gleichzeitig mit diesem gedanklichen Schrei antworteten Jaina und Aegwynn lapidar: »O doch!«
Ihr könnte das Flammende Schwert nicht aufhalten. Wir werden siegen, alles zerstören, was sich uns in den Weg stellt, und dann werden wir – aaarrrrgghhhhhhhhh...!
Zmoldors Brüllen hallte nicht nur von den Wänden wider, sondern strömte auch aus den Mündern der Zauberer, die den Schmerz durch das Band, das sie mit dem Dämon einte, ebenfalls spürten. Obwohl Aegwynn ihn aus dem Blickfeld verlor, sah sie in ihren Gedanken, wie sich Zmoldors hässlicher Körper wand und drehte und aufbäumte. Gelber Eiter spritzte aus schwärenden Wunden, die wenig später vollends aufbrachen.
Wind kam auf- STURM! –, als der Zauber, den Aegwynn ersonnen und gewirkt hatte, die Luftmassen auseinander riss und ein Tor zum Wirbelnden Nichts öffnete, das augenblicklich an Zmoldors Körper zerrte.
Neeeeiiin! Ich lasse mich nicht wieder einsperr...
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