Galtak Ered'nash. Verläuft alles nach Plan?
Burx hasste die Vorstellung, irgendjemand anderem als seinem eigenen Kriegshäuptling die Treue zu schwören. Aber er spielte mit und antwortete: »Galtak Ered'nash . Ja, das tut es. Thrall schickt Truppen zu Land und zur See. Innerhalb von zwei Tagen liegen unsere Männer mit den Menschen im Krieg. Innerhalb einer Woche sind die Menschen Geschichte.«
Exzellent. Das hast du sehr gut gemacht, Burx.
So weit es Burx betraf, war Zmoldor das kleinere Übel. Die Dämonen waren Bastarde, aber sie hatten auch immer die Interessen der Orcs berücksichtigt. Sie hatten die Orcs auf diese Welt gebracht, damit sie darüber herrschen konnten. Es war nicht der Fehler der Dämonen, dass die Menschen so widerspenstig und stark waren, dass es ihnen sogar gelang, sie einzusperren und sie vergessen zu lassen, wer sie einmal waren. Sicher, die Dämonen benutzten die Orcs, aber immerhin demütigten sie sie nicht.
Burx war als Sklave aufgewachsen. Menschen verprügelten ihn regelmäßig, verspotteten ihn, bewarfen ihn mit Dreck und zwangen ihn dann, alles wieder aufzuräumen – während sie ihn auslachten. Sie belegten ihn mit allen erdenklichen Spitznamen, von denen ,du grünhäutiger Schwachkopf' noch einer der nettesten war, und sie achteten stets darauf, ihm auch ja nur die entwürdigendsten Aufgaben zu geben. Burx wusste nie, warum er aus all den Orcs herausgepickt worden war, um all das über sich ergehen lassen zu müssen. Niemand hatte es je für nötig gehalten, es ihm zu sagen.
Vielleicht war es ja nur ein unglücklicher Zufall gewesen...
Verglichen mit dem, was er als Menschensklave durchmachen musste, war das, was die Dämonen ihm angetan hatten, gar nichts. Und wenn er mit einem von ihnen zusammenarbeiten musste, um sicherzustellen, dass die Plage Mensch ausgelöscht wurde, dann war das für Burx akzeptabel.
Er verdankte Thrall alles – und noch mehr als das –, aber Thrall hatte lange über den Punkt hinweggesehen, der ihn, was die Menschen betraf, blind machte. Thrall war ja auch von seinem Herrn respektiert worden, auch wenn Aedelas Blackmoore üble Pläne mit ihm gehabt hatte. Aber er hatte ihn weit besser behandelt, als es Burx' Herrn je in den Sinn gekommen wäre.
Wahrscheinlich sogar besser als die meisten Orcs.
Langsam, aber sicher sah Thrall seine Fehler ein. Die Truppenverstärkung in Northwatch hatte offenbar dazu beigetragen, ihm endlich die Augen zu öffnen. Von nun an war es nur noch eine Frage der Zeit. Orc- und Trollkrieger so nah bei den Menschen – das war ein Pulverfass.
Burx hörte auf, seine Axt zu schärfen und freute sich bereits auf den Moment, da ihre Klinge sich rot färben würde von Menschenblut.
Lorenas Brust schmerzte. Sie hatte Mühe zu atmen, denn ihr Rüstungspanzer schien sie zerquetschen zu wollen.
Aber Lady Proudmoore und ihre Freundin Aegwynn vermochten die dämonischen Barrieren zu durchbrechen, die sie gefangen gehalten hatten. Wer auch immer diese Frau war, die Lady begegnete ihr mit mehr Respekt und Ehrfurcht, als Lorena es jemals zuvor beobachtet hatte. Offenbar hatten sie Lorenas Körper dazu benutzt, um die Barrieren von der anderen Seite her aufzuheben. Der Oberst verstand von all dem nicht das Geringste. Gerede über Magie verursachte ihr für gewöhnlich Kopfschmerzen; alles, was sie daran interessierte, war, ob sie funktionierte.
Lady Proudmoore wandte sich an die ältere Frau. »Magna, ich habe eine Bitte.«
»Ja?«
»Hättet Ihr etwas dagegen, den Platz mit ein paar Donnerechsen zu teilen? Ich kann Barrieren herbeizaubern, die Euer Haus, Euren Garten und Euren Brunnen schützen. Und das Hochland wird sie zusammenhalten.« Sie erklärte schnell das Problem mit den Donnerechsen.
Als sie es hörte, lachte die alte Frau. »Ich habe keine Einwände. Ich hielt mir einst eine Donnerechse als Haustier.«
Lorenas Mund öffnete sich vor Überraschung. »Bitte sagt mir, dass Ihr scherzt.«
»Nicht im geringsten. Es war kurz nach meinem vierhundertsten Geburtstag. Nach so langer Zeit wurde die Einsamkeit überwältigend, deshalb entschloss ich mich, ein Haustier zu halten. Ich betrachtete einen domestizierten Kodo als Herausforderung. Ich nannte ihn Scavell – nach meinem Mentor.«
»Kodo?«, fragte Lorena mit einem Stirnrunzeln.
Aegwynn zuckte mit den Achseln. »So nannten wir sie damals. Ich hatte schon immer eine Schwäche für die Biester und teile mein Zuhause gern mit ihnen.«
»Danke, Magna.« Lady Proudmoore wandte sich an Lorena. »Gebt mir fünf Minuten, um zu erledigen, was mich nach Durotar geführt hat. Dann werde ich nach Theramore zurückkehren. Ich versetze uns alle drei hin. Befehlt Euren Soldaten, sofort per Luftschiff nach Theramore zurückzukehren.« Sie lächelte ironisch. »Ich fürchte, ein ganzes Luftschiff zu teleportieren, nachdem ich die Donnerechsen hergebracht habe, überstiege meine Kräfte.«
»Sehr gut, Milady«, sagte Lorena mit einem Nicken.
»Danke, Oberst.« Die Lady sprach mit einem warmen Lächeln, und Lorena fühlte einen Anflug von Stolz. Der Oberst hatte ein großes Risiko auf sich genommen, hierher zu kommen. Sie hatte auf Booravens Fähigkeiten gebaut, um Lady Proudmoore im Orc-Land aufzuspüren und darauf gehofft, dass die Lady angesichts dieser Anmaßung nicht verärgert sein würde. Aber es schien, dass es richtig gewesen war, ihren Instinkten zu vertrauen. Und außerdem hatte sie aktiv dabei mitgewirkt, die Lady und ihre Freundin aus der Gefangenschaft zu befreien.
Während Lady Proudmoore ihre Augen schloss und sich auf das Zaubern konzentrierte, schaute Lorena zu der alten Frau. »Ihr seid wirklich vierhundert Jahre alt?«
»Nein. Mehr achthundert.«
Lorena nickte. »Ah.« Sie blinzelte erneut. »Dann habt Ihr Euch gut gehalten.«
Aegwynn grinste. »Ihr hättet mich vor dreißig Jahren sehen sollen.«
Lorena entschied, dass ihr diese Unterhaltung viel zu bizarr wurde und ging zur Strickleiter, um Major Bek und den anderen die neuen Anweisungen zu erteilen. Bek nahm den Befehl entgegen, wünschte ihr Glück und bereitete das Luftschiff auf die Rückreise vor.
Indem sie die Leiter hinunterkletterte, signalisierte Lady Proudmoore ihre Bereitschaft zum Aufbruch. Sobald Lorena von der untersten Sprosse getreten war, ordnete Bek an, die Leiter einzuziehen, und das Luftschiff trat seine Reise zurück nach Süden an.
»Der Kämmerer hat die meiste Zeit im Thronsaal verbracht.« Lorena schaffte es nicht, ihre Abneigung aus der Stimme herauszuhalten. Dann fragte sie sich, warum sie es überhaupt versuchte. »Meist saß er auf Eurem Thron.«
Lady Proudmoore nickte. »Kristoff war der Thron immer wichtig.«
»Ein wenig zu wichtig, wenn Ihr mich fragt«, bestätigte Lorena.
»Allerdings. Ich bin so weit.«
Lorena versteifte sich. Sie war nur einmal teleportiert worden, damals im Krieg, und sie hatte Magenschmerzen davon bekommen.
Dann stand die Welt Kopf, das Innerste wurde nach außen gestülpt. Lorena fühlte sich, als wäre ihr der Kopf entfernt und zwischen den Kniescheiben platziert worden, während die Füße plötzlich aus dem Hals ragten.
Eine Sekunde später normalisierte sich alles wieder, und Lorena erhob sich vom Steinboden. Sie registrierte beiläufig, dass dies Lady Proudmoores Thronsaal war und Duree sie anschrie, weil sie nicht an sich halten konnte und sich übergab.
»Milady!«, erklang Kristoffs Stimme. »Ihr seid zurück! Und Oberst Lorena auch. Wir hatten schon befürchtet, Ihr wärt vom Flammenden Schwert gefangen genommen worden. Ihr werdet erfreut sein zu hören, dass wir Northwatch mit Truppen verstärkt haben. Was sich gut trifft, da Orc- und Troll-Armeen dorthin unterwegs sind... Und wer ist das?«
Lorena würgte schon wieder. Ihr Magen krampfte sich zusammen, aber diesmal beherrschte sie sich.
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