Rod ließ sich auf ein Knie fallen und holte zu einem Handkantenschlag aus. Mit zerbrochenem Genick blieb Durer reglos liegen.
Heftig keuchend drehte Rod sich um. Er sah Toms schmerzverzerrtes Gesicht und das heraussprudelnde Blut. Rod biß die Zähne zusammen und tastete verzweifelt zwischen den Leichen herum. Als er seine Laserpistole gefunden hatte, drückte er ab und trennte noch etwa einen Zentimeter entlang Toms Wunde ab. Der Riese brüllte.
Die Bettler wollten sich mit Keulen und Schwertern auf Rod stürzen, aber ein krächzendes „Zurück!“ Toms verbot es ihnen. „Ihr Narren!“ ächzte er. „Sehr ihr denn nicht? Er hat das Blut gestoppt!“
Trotzdem hatte Rod schon einiges abbekommen und seine kaum verheilte Schulterwunde war neu aufgebrochen. Stöhnend ließ er sich auf ein Knie neben dem schwerverletzten Riesen nieder. Der Gestank nach versengtem Fleisch drehte ihm fast den Magen um.
Tom versuchte zu grinsen. „War — gut — gemeint, Herr. Zwei — Minuten — früher — und — es hätte — mich — gerettet.“ Rod riß sich den Umhang vom Rücken, knüllte ihn zusammen und schob ihn unter Toms Kopf. „Ruh dich aus!“ würgte er. „Du bist ein gesunder, kräftiger Bursche, du wirst schon wieder werden. So viel Blut hast du nicht verloren.“ „Zu viel — und — die Wunde — zu groß…“ Die schier unerträglichen Schmerzen ließen den Riesen verstummen. Rod schleppte sich zu Gekab, schlug auf den Sicherungsschalter und fummelte in einem der verborgenen Fächer nach einer Ampulle. Dann humpelte er zu Tom zurück und stieß sie ihm in das verbrannte Fleisch.
Tom entspannte sich mit einem gewaltigen Seufzer, als das Anästhetikum zu wirken begann. „Meinen Dank, Meister“, murmelte er schwach. „Ihr habt mir zumindest einen schmerzlosen Tod geschenkt.“
„So darfst du nicht reden!“ tadelte Rod ihn mit erstarrter Miene. „Du wirst dich noch viele Male mit einer schönen Dirn im Heu wälzen.“
„Nein, Herr.“ Tom schüttelte den Kopf und schloß die Lider. „Meine Zeit ist abgelaufen.“ „Du wirst jetzt nicht sterben. Tätest du es, bliebe ich in deiner Schuld, und das widerstrebt mir.“
„Den Teufel, ob es Euch widerstrebt oder nicht!“ schnaubte Tom fast wieder der Alte. „Ich bin jetzt in den Händen eines Mächtigeren als Ihr, der eines Tages auch Euch rufen wird.“
Sein Kopf sank auf Rods zusammengerollten Umhang herab, und er keuchte heftig.
Rod kniete sich stumm neben ihn. Toms ihm verbliebene Hand tastete sich über seinen Bauch zu Rods Arm. „Ja, jetzt steht Ihr in meiner Schuld, obgleich das nicht in meinem Sinn war.“
„Nicht in deinem Sinn? Was sprichst du da? Du hast mir das Leben gerettet!“
„Ja, und dadurch mein eigenes verloren. Aber mit klarem Kopf hätte ich nie so gehandelt.“
„Klarem Kopf?“
„Ja. In der Schlacht sieht und tut man, was einem zuerst bewußt wird. Es wart entweder Ihr oder der Rest meines Lebens im Dienst des Hauses Clovis, und in der Hitze des Gefechts zog ich in meiner Dummheit Euch vor!“ Schwer atmend schwieg er eine Weile, dann verkrampfte sich seine Hand um Rods Arm. „Doch da ich sterbe, steht Ihr in meiner Schuld! Und was Ihr mir nicht mehr bezahlen könnt, müßt Ihr an meinem Volk gutmachen.“
Rod versuchte seinen Arm zurückzuziehen. „Nein!“
„Doch!“ Toms Augen funkelten wild. „Nur so könnt Ihr Eure Schuld begleichen. Euer Leben für meines! Ihr müßt Euer Leben hier auf Gramayre verbringen, um Gutes für mein Volk zu tun!“
„Ich bin nicht mein eigener Herr!“
„Ihr seid es sehr wohl. Und wenn Ihr es nicht wißt, seid Ihr wahrlich ein Narr!“
„Der Preis ist zu hoch, Tom. In der Schlacht zu sterben, dagegen habe ich nichts, aber den Rest meines Lebens hierzubleiben, das kann ich nicht. Auch ich diene, um einen Traum zu verwirklichen…“
„Ich hatte ebenfalls die Wahl zwischen dem Traum oder dem Menschen. Gut, dann wählt, was Ihr für richtig haltet.“
„Ich habe eine Verpflichtung…“
„Genau wie ich, und so wird meine auf Euch übergehen und Euch von der anderen befreien. Ihr müßt jetzt mir und den Meinen dienen…“ Der Blick des Sterbenden verschleierte sich.
„Ich hatte geglaubt, ich wüßte, was das Beste für sie sei — doch jetzt wird alles dunkel um mich…“
Er ruckte plötzlich hoch. Husten schüttelte ihn und er spuckte Blut. Rod stützte ihn. Als der Anfall vorüber war, würgte der Riese. „Euer Geist — ist klarer — Ihr müßt — entscheiden…“
„Sei still.“ Rod versuchte ihn wieder auf den Umhang zu legen.
„Verschwende nicht das bißchen Leben, das noch in dir ist…“
„Nein!“ Tom umklammerte erneut Rods Arm. „Laßt mich sprechen. Espers — Tribunal — sie werden es schaffen. Wir -
kämpfen — hier — gegen sie…“
„Spar deine Kraft. Ich weiß, was du sagen willst.“
„Ihr wißt…“
„Ja. Du hast mir das letzte bißchen, was mir fehlte, gerade gesagt. Bleib jetzt ruhig liegen.“
Tom keuchte schwer. „Sagt es mir — ich — muß sicher — sein, daß — Ihr es — wirklich — wißt…“
„Ja, ich weiß es“, murmelte Rod. „Das DDT wird siegen. Ihr könnt es nur hier bekämpfen. Und ihr bekämpft euch untereinander.“
„Ja.“ Tom nickte kaum merklich. „Ihr — müßt jetzt — entscheiden — und — Herr…“ Der Rest war zu leise, als daß Rod ihn hätte verstehen können. Als Tom es bemerkte, kämpfte er um einen weiteren Atemzug, während er Rod besorgt ansah.
Rod beugte sich über ihn und legte sein Ohr dicht an Toms Lippen.
„Sterbt — nicht — für — einen — Traum…“
Rod runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht, was du meinst, Tom!“
Aber er bekam keine Antwort mehr.
Nach einer langen Weile drückte er dem Mann, der ihm zum Freund geworden war, die Augen zu.
„Mei-meister Gallowglass?“ Toby stand neben ihm und starrte verwirrt auf die Bettler, die sich jetzt um Toms Leiche knieten.
„Ja, Toby?“ Rod faßte den Jungen an der Hand und schritt mit ihm durch die Reihen der Bettler.
„Mylord, sie bitten um Pardon. Sollen wir ihn ihnen gewähren?“
„Pardon? O ja. Sie wollen sich ergeben.“ Er drehte sich um und schaute auf die Gruppe um Tom. „Ich weiß nicht. Was meint Brom?“
„Lord O'Berin sagt ja, aber die Königin sagt nein. Die Lords Loguire sind einer Meinung mit Brom.“
„Und trotzdem will die Königin nicht.“ Rod nickte bitter. „Und nun soll meine Stimme den Ausschlag geben?“ Er warf noch einen letzten Blick auf Toms wächsernes Gesicht. „Zum Teufel! Sie sollen ihr Pardon haben!“
Die Sonne war hinter den Bergen versunken. Die zwölf Hohen Lords standen in Ketten vor Catherine, neben der Loguire, Tuan, Brom und Sir Maris saßen. Rod stand in einiger Entfernung von ihnen an Gekab gelehnt. Er hatte den Kopf gesenkt.
Auch der alte Herzog Loguire hatte das Kinn fast auf die Brust gedrückt. Tiefer Gram sprach aus seinen Augen, denn sein Sohn Anselm stand einen Schritt vor den restlichen Lords, unmittelbar vor der Königin.
Catherine trug ihren Kopf hoch. Ihre Augen leuchteten voll Triumph und Macht, und ihre Wangen waren vor Stolz gerötet.
Rod betrachtete sie, und Abscheu stieg in ihm auf. Mit ihrem Sieg war ihre alte Arroganz wiedergekehrt.
Auf ein Zeichen von Brom O'Berin schmetterten zwei Fanfaren, und ein Herold trat vor und verlas eine Verkündigung der Königin.
„Hiermit sei allen kund und zu wissen getan, daß am heutigen Tag der schurkische Vasall, Anselm, Sohn des Herzogs Loguire, sich in blutiger Rebellion gegen Catherine, Königin von Gramayre, erhob, und deshalb wegen Hochverrats vor dem Gericht der Krone steht.“
Der Herold rollte das Pergament wieder zusammen.
„Wer spricht zur Verteidigung des Rebellenführers Anselm?“
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