Die Waisenjungen johlten.»Woher hast du denn eine solche Klinge, Klumpgesicht?«wollte Heiße Pastete wissen.
«Klumpkopf«, verbesserte ihn Lommy.»Wahrscheinlich gestohlen.«
«Hab ich nicht!«schrie sie. Jon Snow hatte ihr Needle geschenkt. Ihretwegen mochten die beiden sie Klumpkopf nennen, aber Jon durften sie nicht als Dieb bezeichnen.
«Wenn er es gestohlen hat, können wir es ihm auch abnehmen«, meinte Heiße Pastete.»Ihm gehört es sowieso nicht. So ein Schwert kann ich gut gebrauchen.
Lommy stachelte ihn an.»Na los, schnapp es dir.«
Heiße Pastete trat seinem Esel in die Flanken und ritt heran.»Hey, Klumpgesicht, gib mir das Schwert. «Sein Haar war strohfarben, sein fettes, sonnenverbranntes Gesicht pellte sich.»Du weißt ja sowieso nicht, wie man damit umgeht.«
Oh, das weiß ich sehr wohl, hätte Arya erwidern können. Ich habe schon einen Jungen getötet, einen Fettwanst wie dich, ja, ich habe ihm den Bauch durchbohrt, und er ist gestorben, und dich töte ich auch, wenn du mich nicht in Ruhe läßt. Doch sie traute sich nicht, dies auszusprechen. Yoren kannte die Geschichte mit dem Stalljungen nicht, und sie fürchtete sich vor dem, was er tun würde, wenn er es herausfand. Einige der anderen Männer hier waren bestimmt ebenfalls Mörder, gewiß die drei in Fesseln, nur ließ die Königin nicht nach ihnen suchen, und deshalb lag die Sache bei ihnen anders.
«Schau ihn dir nur an«, wieherte Lommy Grünhand.»Ich wette, gleich heult er. Möchtest du weinen, Klumpkopf?«
Vergangene Nacht hatte sie im Schlaf geweint, als sie von ihrem Vater geträumt hatte. Am Morgen war sie aufgewacht und hätte sich, selbst wenn es um ihr Leben gegangen wäre, nicht eine einzige weitere Träne aus den Augen quetschen können.
«Und er macht sich in die Hose«, fügte Heiße Pastete hinzu.
«Laßt ihn in Ruhe«, sagte der Junge mit dem zotteligen schwarzen Haar, der hinter ihnen ritt. Lommy hatte ihn den Bullen getauft, wegen des gehörnten Helms, den er ständig polierte, jedoch niemals aufsetzte. Den Bullen zu verspotten, wagte Lommy nicht. Er war älter, dazu sehr groß, und hatte eine breite Brust und kräftige Arme.
«Du solltest Heiße Pastete lieber das Schwert geben, Arry«, drängte Lommy.»Heiße Pastete möchte es unbedingt haben. Er hat schon mal einen Jungen totgeschlagen. Mit dir macht er bestimmt das gleiche.«
«Ich habe ihn niedergeschlagen und ihm in die Eier getreten, immer weiter, bis er tot war«, prahlte Heiße Pastete.»Regelrecht in Stücke habe ich ihn gehauen. Seine Eier sind aufgeplatzt und haben geblutet, und sein Pimmel ist ganz schwarz geworden. Wäre besser, wenn du mir das Schwert gibst.«
Arya zog ihr Übungsschwert aus dem Gürtel.»Du kannst dieses haben«, bot sie Heiße Pastete an, um einen Kampf zu vermeiden.
«Das ist doch bloß ein Stock. «Er ritt näher an sie heran und wollte das Heft von Needle packen.
Der Stock pfiff durch die Luft, und Arya ließ ihn auf das Hinterteil des Esels von Heiße Pastete niedergehen. Das Grautier schrie, machte einen Satz und warf Heiße Pastete ab. Arya schwang sich von ihrem Reittier und stieß dem Jungen das Übungsschwert in den Bauch, als er wieder aufstehen wollte, so daß er grunzend zurücksank. Dann schlug sie ihm ins Gesicht, und seine Nase krachte wie ein brechender Ast. Blut tropfte aus den Löchern. Heiße Pastete begann zu heulen, und Arya drehte sich zu Lommy Grünhand herum, der mit offenem Mund auf seinem Tier saß.»Na, willst du das Schwert vielleicht auch haben?«schrie sie. Aber er wollte nicht. Er hob nur die grün gefärbten Hände vors Gesicht und kreischte, sie solle weggehen.
Der Bulle rief:»Hinter dir!«, und Arya fuhr herum. Heiße Pastete hatte sich auf die Knie hochgerappelt und hielt einen großen Stein mit scharfen Kanten in der Hand. Sie ließ ihn werfen, duckte sich, und der Stein flog vorbei. Dann stürzte sie sich auf ihn. Er hob die Hand, doch sie landete einen Hieb darauf, danach auf seiner Wange und schließlich auf seinem Knie. Er griff nach ihr, sie tänzelte leichtfüßig zur Seite und hieb ihm den Stock auf den Hinterkopf. Er fiel zu Boden, erhob sich und taumelte auf sie zu. Sein Gesicht war über und über mit Dreck und Blut verschmiert. Arya nahm die Haltung einer Wassertänzerin ein und wartete. Als er nahe genug war, stach sie ihm zwischen die Beine, und zwar so hart, daß ihm das Holzschwert aus dem Hintern wieder herausgekommen wäre, falls es spitz gewesen wäre.
Als Yoren sie schließlich von Heiße Pastete fortzerrte, lag der auf dem Boden und schrie, seine Hose war braun und stank, während Arya wieder und wieder auf ihn einprügelte.»Genug!«brüllte der schwarze Bruder und riß ihr den Stock aus den Händen.»Willst du diesen Narren umbringen?«Da Lommy und die anderen sich lauthals beschwerten, wandte sich der alte Mann ihnen zu.»Haltet eure Mäuler, oder ich werde sie euch stopfen. Wenn so etwas noch einmal vorkommt, werdet ihr hinten an die Wagen gebunden und marschiert auf diese Weise bis zur Mauer. «Er spuckte aus.»Und für dich gilt das gleich doppelt, Arry. Kommt jetzt mit
mir, Junge.«
Alle starrten sie an, sogar die drei angeketteten Kerle hinten in dem Wagen. Der Fette ließ die spitzen Zähne zuschnappen und zischte, doch Arya ignorierte ihn.
Der Alte zerrte sie ein Stück von der Straße in eine Baumgruppe und fluchte und murmelte unterdessen unentwegt vor sich hin.»Oh, wäre ich nur mit einem Fingerhut voll Verstand gesegnet, hätte ich dich in King's Landing gelassen. Hörst du, Junge?«Er knurrte dieses Wort stets und sprach es scharf aus, damit es ihr auf keinen Fall entginge.»Schnür deine Hose auf und zieh sie runter. Mach schon, hier kann dich niemand sehen. Verdrießlich folgte Arya seiner Aufforderung, und er fügte hinzu:»Dort, an die Eiche. Ja, genauso. «Sie schloß die Arme um den Stamm und drückte das Gesicht an das rauhe Holz.»Und nun wirst du schreien. Und zwar laut.«
Werde ich nicht, dachte Arya, aber als Yoren den Stock auf die Rückseite ihrer nackten Schenkel niedersausen ließ, entfuhr ihr doch ein Schrei, obwohl sie es nicht wollte.»Meinst du, das hätte weh getan?«fragte er.»Wart's mal ab. «Der Stock zischte durch die Luft. Arya brüllte erneut und klammerte sich an den Baum, um nicht umzufallen.»Einen noch. «Sie hielt sich fest, biß sich auf die Lippe und erstarrte, als sie den Stock kommen hörte. Bei diesem Streich zuckte sie zusammen und heulte auf. Ich werde nicht weinen, dachte sie, ganz bestimmt nicht. Ich bin eine Stark aus Winterfell, unser Wappentier ist der Schattenwolf. Schattenwölfe weinen nicht. Sie spürte, wie Blut in einem dünnen Rinnsal an ihrem Bein heranlief. Ihre Schenkel und Gesäßbacken brannten vor Schmerz.»Vielleicht wirst du mir jetzt ein wenig Aufmerksamkeit widmen«, sagte Yoren.»Beim nächsten Mal, wenn du diesen Stock gegen einen deiner Brüder richtest, bekommst du das Doppelte von dem, was du austeilst. Und jetzt zieh dich an.«
Das sind nicht meine Brüder, dachte Arya, während sie sich bückte und die Hose hochzog, aber sie war klug genug, es nicht laut auszusprechen. Sie hantierte an ihrem Gürtel und den Schnüren herum.
Yoren beobachtete sie.»Tut's weh?«
Ruhig wie stilles Wasser, schärfte sie sich ein, wie es Syrio Forel ihr beigebracht hatte.»Ein bißchen.«
Er spuckte aus.»Dieser Pastetenjunge hat schlimmere Schmerzen. Er hat deinen Vater nicht umgebracht, Mädchen, und dieser diebische Lommy auch nicht. Dadurch, daß du sie verprügelst, kannst du deinen Vater nicht zurückholen.«
«Ich weiß«, murmelte Arya verdrossen.
«Soll ich dir was erzählen, das du noch nicht weißt? Es sollte eigentlich alles anders kommen. Ich war schon zum Aufbruch bereit, die Wagen waren gekauft und beladen, da kam ein Mann mit einem Jungen und einem Beutel voller Münzen zu mir, dazu ein Brief, spielt keine Rolle, von wem. Lord Eddard werde das Schwarz anlegen, hat er zu mir gesagt, und ich solle warten, er würde mich begleiten. Warum sonst war ich wohl noch da? Nur ist dann irgend etwas schiefgelaufen.«
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