Robert Jordan - Die Rückkehr des Drachen

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Robert Jordans Zyklus „Das Rad der Zeit“; gehört zu den bedeutendsten Werken der Fantasy. Über bislang dreißig Romane hat Jordan seine Saga gesponnen, und unzählige Leser weltweit fiebern mit dem Schicksal des Wiedergeborenen Drachen: Rand al’Thor, ein junger Bauernsohn, erfährt eines Tages von seiner verhängnisvollen Bestimmung. Er ist der legendäre Wiedergeborene Drache, der die Mächte des Lichts in die Letzte Schlacht gegen den Dunklen König führen wird. Doch die Bestimmung wiegt schwer. Inmitten des Grauens, das die dunklen Horden im Land verbreiten, muß er sich alten Feinden stellen und neue Verbündete hinzugewinnen. Und der Dunkle König wartet nur auf den richtigen Zeitpunkt, um zuzuschlagen Die Reihe „Das Rad der Zeit. Das Original“; vereint Robert Jordans Romane erstmals in der kompletten Fassung der amerikanischen Originalausgabe.

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Rand befand sich immer noch im Herzen des Steins, aber es war verändert. Hier kämpften keine Männer, es lagen keine Toten herum, und er war ganz allein. Plötzlich ertönte der Klang eines großen Gongs durch den Stein, dann wieder, und selbst die Steine unter seinen Sohlen erzitterten. Ein drittes Mal dröhnte es, und dann brach das Geräusch abrupt ab, als sei der Gong zersprungen. Alles war ruhig.

Wo bin ich hier? fragte er sich. Noch wichtiger, wo ist Ba'alzamon?

Als Antwort schoß zwischen den Säulen ein flammender Lichtschein hervor und genau auf seine Brust zu, ein Lichtbalken wie der Moiraines zuvor. Instinktiv drehte er sein Handgelenk mitsamt dem Schwert. Es war Instinkt und vielleicht noch etwas anderes, was ihn dazu brachte, in diesem Augenblick einen Strom Saidins in Callandor zu leiten, eine Machtflut, die das Schwert heller aufglühen ließ als selbst dieser auf ihn zuschießende Lichtstrahl. Sein unsicheres Gleichgewicht zwischen Existenz und Zerstörung kam ins Wanken. Sicherlich würde ihn dieser Strom mit verschlingen.

Der Lichtstrahl traf auf Callandor und wurde von dessen Schneide gespalten. Auf jeder Seite schoß ein Strahl vorbei. Er spürte, wie sein Mantel versengt wurde und wie die Wolle zu brennen begann. Hinter ihm trafen die beiden Arme aus gefrorenem Feuer, aus flüssigem Licht, auf riesenhafte Sandsteinsäulen. Wo sie auftrafen, hörte der Stein zu existieren auf. Die brennenden Strahlen bohrten sich hindurch zu weiteren Steinsäulen, die das gleiche Schicksal erlitten. Das Herz des Steins grollte, als die Säulen umstürzten und in Staubwolken zerschmettert wurden. Ein Regen von Steinsplittern stob durch den Saal. Was aber direkt in den Lichtstrahl geriet, das... war einfach nicht mehr.

Aus dem Schatten ertönte ein wütendes Grollen, und der flammende Strahl rein weißer Hitze erlosch.

Rand schwang Callandor, als wolle er etwas direkt vor sich treffen. Der weiße Lichtschein, der die Form der Klinge verbarg, flammte hinaus und durchschnitt die Sandsteinsäule, hinter der das Grollen ertönt war. Der matt schimmernde Stein wurde wie Seide zerschnitten. Die durchtrennte Säule wankte. Ein Teil davon brach ab und stürzte von der Decke herab. Unten zerplatzte er in riesige, gezackte Brocken, die auf dem Fußboden zu liegen kamen. Als das Poltern verflogen war, hörte er weiter hinten das Geräusch von Stiefeln auf dem Steinboden. Fliehende Schritte.

Callandor kampfbereit in der Hand, eilte Rand hinter Ba'alzamon her.

Der hohe Torbogen, der aus dem Herzen hinausführte, brach zusammen, als er ihn gerade erreichte. Die gesamte Wand stürzte in Staubwolken und einem Regen von Steinbrocken zusammen, der drohte, ihn zu begraben. Er lenkte die Macht darauf, und alles wurde zu in der Luft schwebendem Staub. Er lief weiter. Er wußte nicht genau, was er gemacht hatte und wie, aber er hatte keine Zeit zum Nachdenken. Er jagte Ba'alzamons sich entfernenden Schritten hinter her, deren Echo in den Gängen des Steins ertönte.

Myrddraal und Trollocs erschienen plötzlich aus dem Nichts heraus, riesige, bestialische Gestalten mit haßverzerrten Gesichtern, Hunderte, und so füllten sie den Gang vor ihm und hinter ihm. Sichelähnliche Schwerter und solche aus tödlichschwarzem Stahl verlangten nach seinem Blut. Ohne zu wissen, wie, verwandelte er sie in Dunst, der sich vor ihm teilte und verschwand. Die ihn umgebende Luft wurde zu stickigem Ruß, der seine Nase verstopfte, ihm den Atem raubte, aber er ließ die Luft wieder frisch und kühl werden. Flammen loderten aus dem Boden unter seinen Füßen empor, brachen aus Wänden und Decke, wütende Feuerzungen, die Gobelins und Läufer verzehrten, Tische und Truhen zu Aschehaufen verbrannten, Zierrat und Lampen vor sich zu Tropfen geschmolzenen, brennenden Goldes reduzierten. Er zerschlug die Feuer, verfestigte sie zu einer roten Glasur auf dem Steinboden.

Die ihn umgebenden Steine wurden durchscheinend wie Nebel; der Stein verblaßte. Die Wirklichkeit erbebte. Er konnte spüren, wie sie sich abwickelte, wie er selbst seinen Lebensfaden abwickelte. Er wurde aus dem Hier herausgestoßen an irgendeinen anderen Ort, wo überhaupt nichts existierte. Callandor flammte in seinen Händen wie die Sonne, bis er glaubte, es werde schmelzen. Er glaubte auch, er selbst werde im Strom der Einen Macht schmelzen, der ihn durchfloß. Diese Flut lenkte er irgendwie dorthin, wo er das Loch wieder verschloß, das sich um ihn herum geöffnet hatte, so daß er sich auf der Seite des Seins halten konnte. Der Stein wurde wieder fest und undurchsichtig.

Er konnte sich nicht einmal vorstellen, was er da eigentlich tat. Die Eine Macht wütete in ihm, bis er sich selbst kaum mehr kannte, bis er kaum noch er selbst war, bis das, was er selbst war, kaum noch existierte. Sein unsicheres Gleichgewicht wankte.

Zu beiden Seiten drohte ein endloser Absturz, das Ausgelöschtwerden durch die Macht, die aus ihm in das Schwert floß. Nur in dem Tanz auf der Schneide der Rasierklinge lag noch etwas wie Sicherheit, wenn auch nicht viel. Callandor leuchtete in seiner Faust, bis es ihm schien, als trüge er die Sonne selbst. Undeutlich flackerte in ihm wie die Flamme einer Kerze im Sturm das sichere Gefühl, daß er alles vollbringen könne, solange er Callandor hielt. Alles.

Er jagte durch endlose Korridore, tanzte auf der Rasierklinge entlang, jagte denjenigen, der ihn töten wollte, den er töten mußte. Diesmal konnte es keinen anderen Ausgang geben. Diesmal mußte einer von ihnen beiden sterben. Daß das auch Ba'alzamon wußte, war klar. Immer weiter floh er, immer befand er sich gerade noch außer Sicht, so daß nur die Geräusche seiner Flucht Rand weiterlockten, doch selbst auf der Flucht verwandte er diesen Stein von Tear, der nicht der echte Stein von Tear war, gegen Rand, und Rand kämpfte instinktiv, vorausahnend und mit der Hilfe des Zufalls dagegen an, kämpfte und rannte diese Messerschneide in vollkommenem Gleichklang mit der Macht entlang, dem Werkzeug und der Waffe, die ihn verschlingen würde, sollte er versagen.

Wasser füllte die Säle von oben bis unten, dick und schwarz wie am Grund des Meeres, und nahm ihm die Luft. Er verwandelte es wieder in Luft, ganz unbewußt, und jagte weiter. Plötzlich gewann die Luft an Gewicht, bis es ihm schien, als drücke ein ganzer Berg auf jede Stelle seines Körpers, als werde er von allen Richtungen gleichzeitig zerquetscht. In jenem Moment, bevor er vollkommen zu nichts zermalmt wurde, wählte er bestimmte Fluten aus dem Strom der Macht aus, der in ihm wütete, und der Druck verschwand augenblicklich, ohne daß ihm bewußt gewesen wäre, wie oder warum und welchen Strang er erwählt hatte; dazu war alles zu schnell gegangen. Er verfolgte Ba'alzamon, und die Luft selbst wurde mit einemmal zu festem Stein, der ihn einschloß. Dann schmolz der Stein, und schließlich war überhaupt nichts mehr da, was seine Lunge füllte. Der Boden unter seinen Füßen zog ihn an, als wöge ein Pfund plötzlich tausend, und dann verflog alles Gewicht so schnell, daß ein einziger Schritt ihn in die Luft hinauf wirbelte. Ein unsichtbarer Schlund öffnete sich und wollte ihm den Verstand aus dem Körper zerren, ihm die Seele selbst entreißen. Er überwand jede Falle und rannte weiter. Was Ba'alzamon auch verformte, um ihn zu vernichten, das heilte er, ohne sich dessen bewußt zu sein. Irgendwie war ihm schon klar, daß er vieles wieder ins natürliche Gleichgewicht brachte, Dinge durch seinen Tanz auf der unmöglich feinen Trennlinie zwischen Existenz und dem Nichts wieder richtete, aber dieses Bewußtsein war nur ganz schwach ausgeprägt. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der Verfolgung, der Jagd, dem Tod, der an ihrem Ende stehen mußte.

Und dann befand er sich wieder im Herzen des Steins und schritt durch die mit Trümmern übersäte Bresche, wo einst eine Wand gestanden hatte. Einige Säulen hingen jetzt schief wie abgebrochene Zähne in der Halle. Und Ba'alzamon zog sich vor ihm zurück. Seine Augen flammten, und Schatten hüllten ihn ein. Schwarze Linien wie Stahldrähte zogen sich von Ba'alzamon ausgehend in die Dunkelheit hinein, die sich dort aufbaute, und verschwanden in unvorstellbare Höhen und Entfernungen innerhalb dieser Schwärze.

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