Mutter Guenna braute so etwas wie einen starken Tee, der übel roch, und dann zwang sie Thom, ihn zu trinken. Sie hielt ihm die Nase zu, als er versuchte, sich zu beklagen. Mat stellte fest, daß sie weniger fett war, als er angenommen hatte, denn so, wie sie den Kopf des Gauklers in einer Armbeuge hielt, während sie ihm die schwarze Flüssigkeit einflößte, gleich, wie er sich zu wehren mühte, zeugte das von einiger Kraft.
Als sie die Tasse wegnahm, hustete Thom und rieb sich genauso energisch den Mund. »Gaaah! Frau... ich weiß nicht... ob Ihr... mich ertränken wollt... oder umbringen... mit diesem Geschmack! Ihr solltet... solltet ein verdammter... Schmied sein!«
»Ihr werdet das zweimal täglich zu Euch nehmen, bis dieser Husten weg ist«, sagte sie mit fester Stimme. »Und ich habe eine Salbe da, mit der Ihr euch jeden Abend die Brust einreibt.« Etwas von dieser Resignation war aus ihrer Stimme gewichen, als sie mit auf die breiten Hüften gestützten Händen vor dem Gaukler stand. »Diese Salbe stinkt genauso, wie der Tee schmeckt, aber Ihr werdet Euch damit einreiben — gründlich! —, oder ich zerre Euch hinauf wie einen alten Karpfen in einem Netz und binde Euch mit Eurem eigenen Umhang auf einem Bett fest! Es ist noch nie ein Gaukler zu mir gekommen, und ich werde den ersten sich nicht gerade zu Tode husten lassen!«
Thom kochte vor Wut und blies keuchend seine Schnurrbartenden vom Mund weg. Doch er schien die Drohung ernst zu nehmen. Zumindest sagte er nichts, wenn er auch aussah, als wolle er ihr den eigenen Tee und die eigene Salbe ins Gesicht werfen.
Je mehr diese Mutter Guenna sprach, desto ähnlicher klang sie der Amyrlin. Da Thom ein so saures Gesicht machte und sie so energisch wirkte, entschloß er sich, besser ein wenig zu vermitteln, bevor der Gaukler sich vielleicht ganz weigern würde, ihre Medikamente zu nehmen — und sie ihn dazu zwang. »Ich kannte eine Frau, die so ähnlich sprach wie Ihr«, sagte er. »Die immer Fische und Netze und so erwähnte. Klang sehr nach Euch. Der gleiche Dialekt, meine ich. Ich schätze, sie ist auch aus Tear.«
»Vielleicht.« Die grauhaarige Frau klang mit einemmal wieder müde, und sie blickte zu Boden. »Ich kannte auch ein paar Mädchen, die sich so wie Ihr anhörten. Jedenfalls zwei davon.« Sie seufzte schwer.
Mat fühlte, wie sich seine Kopfhaut zusammenzog. Soviel Glück kann ich doch nicht haben. Aber er würde keinen Kupferpfennig darauf wetten, daß sich noch zwei andere Frauen mit dem Akzent der Zwei Flüsse in Tear aufhielten. »Drei Mädchen? Junge Frauen? Ihre Namen waren Egwene und Nynaeve und Elayne? Die hat allerdings Haare wie die Sonne und blaue Augen.«
Sie runzelte die Stirn. »Es waren nicht die gleichen Namen«, sagte sie bedächtig, »aber ich habe schon vermutet, daß sie mir ihre wirklichen Namen nicht genannt haben. Sie hatten wohl ihre Gründe, nehme ich an. Die eine davon war ein hübsches Mädchen mit strahlend blauen Augen und rotgoldenem Haar bis auf die Schultern.« Sie beschrieb Nynaeve mit ihrem hüftlangen Zopf und Egwene mit ihren großen, dunklen Augen und dem entwaffnenden Lächeln. Drei hübsche Frauen, und so verschieden, wie man sich nur vorstellen konnte. »Wie ich sehe, sind das diejenigen, die Ihr kennt«, schloß sie. »Es tut mir leid, Junge.«
»Warum tut es Euch leid? Ich habe tagelang versucht, sie zu finden!« Licht, und in der ersten Nacht bin ich doch glatt hier vorbeigelaufen! An ihnen vorbei! Ich wollte mich bei der Suche vom Zufall leiten lassen. Welcher Zufall könnte wohl größer sein, als auf dem Weg von einem Schiff in einer Regennacht bei einem verfluchten Blitzschlag diese Fenster zu sehen? Seng mich! Seng mich! »Sagt mir, wo sie sind, Mutter Guenna.«
Die grauhaarige Frau blickte resignierend auf den Herd, wo ihr Wasserkessel aus dem Schnabel dampfte. Ihr Mund bewegte sich, doch sie sagte nichts.
»Wo sind sie?« wollte Mat wissen. »Es ist wichtig! Sie sind in Gefahr, wenn ich sie nicht finde!«
»Ihr versteht nicht«, sagte sie leise. »Ihr seid Fremde. Die Hochlords... «
»Es interessiert mich nicht, wer...« Mat blinzelte und sah Thom an. Der Gaukler schien die Stirn zu runzeln, aber er hustete so stark, daß sich Mat nicht sicher war. »Was haben die Hochlords mit diesen Mädchen zu tun?«
»Ihr versteht einfach nicht... «
»Redet mir nicht ein, daß ich es nicht verstehe! Ich zahle Euch für die Information.«
Mutter Guenna sah ihn böse an. »Ich nehme kein Geld für...!« Sie verzog wild das Gesicht. »Ihr verlangt von mir, ich solle Euch Dinge sagen, die zu sagen mir verboten worden sind. Wißt Ihr, was mit mir geschieht, wenn ich es Euch sage und Ihr meinen Namen auch nur flüstert? Für den Anfang werde ich meine Zunge verlieren. Dann werde ich andere Körperteile los, bevor die Hochlords das aufhängen lassen, was von mir noch übrig ist. Ich werde die letzten Stunden schreiend verbringen, um andere zu mahnen, daß sie gehorchen sollen. Und es wird diesen jungen Frauen nicht viel nützen, wenn ich es verrate oder wenn ich sterbe!«
»Ich verspreche, daß ich Euren Namen niemals andern gegenüber erwähne! Ich schwöre es!« Und diesen Eid werde ich einhalten, alte Frau, wenn du mir nur sagst, wo sie, verdammt noch mal, sind! »Bitte! Sie sind in Gefahr!«
Sie musterte ihn lange Zeit. Als sie fertig war, hatte er das Gefühl, sie kenne ihn bis auf den Grund seiner Seele. »Bei diesem Eid werde ich es Euch sagen. Ich... mochte sie. Aber Ihr könnt nichts tun. Ihr seid zu spät dran, Matrim Cauthon. Beinahe drei Stunden zu spät. Sie sind in den Stein gebracht worden. Hochlord Samon ließ sie holen.« Sie schüttelte besorgt und unsicher den Kopf. »Er schickte... Frauen aus... die die Macht benützten. Ich habe selbst nichts gegen Aes Sedai, aber es verstößt hier gegen das Gesetz. Das Gesetz, das die Hochlords erließen. Und wenn sie jedes andere Gesetz brächen, aber dieses bestimmt nicht. Warum schickt ein Hochlord Aes Sedai aus, um einen Auftrag für ihn zu erledigen? Warum wollte er diese Mädchen überhaupt haben?«
Mat hätte beinahe losgelacht. »Aes Sedai? Mutter Guenna, Ihr habt mir derart Angst eingejagt! Wenn Aes Sedai sie abholten, gibt es keinen Anlaß zur Sorge. Alle drei werden ja selbst Aes Sedai. Nicht, daß mir das besonders gefällt, aber so ist das eben.«
Das Grinsen verging ihm, als sie ernst den Kopf schüttelte.
»Junge, diese Mädchen haben sich gewehrt wie ein Löwenfisch im Netz. Ob sie nun Aes Sedai werden wollen oder nicht, diejenigen, von denen sie geholt wurden, haben sie wie die Haie bearbeitet. Freundinnen schlagen einen nicht zusammen.«
Er fühlte, wie sich sein Gesicht unwillkürlich verzerrte. Aes Sedai haben ihnen wehgetan? Was beim Licht...? Der verfluchte Stein. Dagegen war der Palast in Caemlyn der reinste Hühnerhof. Seng mich! Ich stand dort draußen im Regen und habe dieses Haus betrachtet! Seng mich lichtblinden Narren!
»Wenn Ihr euch die Hand brecht«, sagte Mutter Guenna, »werde ich sie einrichten und heilen, aber wenn Ihr meine Wand beschädigt, häute ich Euch wie ein Rotauge!«
Er zwinkerte, sah dann seine Faust an und erblickte abgeschürfte Knöchel. Er erinnerte sich nicht einmal daran, gegen die Wand geschlagen zu haben.
Die kräftig gebaute Frau nahm seine Hand resolut in die ihre, aber die prüfenden Finger waren überraschend sanft. »Nichts gebrochen«, knurrte sie nach einer Weile. Ihr Blick, mit dem sie sein Gesicht musterte, war genauso sanft. »Mir scheint, sie bedeuten Euch etwas. Oder wenigstens eine von ihnen, schätze ich. Es tut mir leid, Mat Cauthon.«
»Das ist nicht nötig«, sagte er zu ihr. »Wenigstens weiß ich jetzt, wo sie sind. Alles, was ich tun muß, ist, sie da rauszuholen.« Er fischte seine beiden letzten andoranischen Goldkronen aus der Tasche und drückte sie ihr in die Hand. »Für Thoms Medikamente und dafür, daß Ihr mir das von den Mädchen berichtet habt.« Aus einem spontanen Einfall heraus gab er ihr einen leichten Kuß auf die Wange und grinste sie an. »Und das ist von mir selbst.«
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