»Owen.«
»Also gut, Owen, warum begleitest du uns nicht über Nacht in unser Lager? Dort können wir zumindest deinen Wasserschlauch auffüllen, ehe du dich morgen früh wieder auf deinen Weg machst.«
Cara sah Richard mit zusammengepreßten Zähnen an und konnte kaum noch an sich halten. »Warum überlaßt Ihr es nicht einfach mir, ihn zu ...«
»Ich denke, wir alle haben Verständnis für Owens Schwierigkeiten. Er sorgt sich um seine Freunde und seine Familie. Gleich morgen früh kann er wieder seiner Wege gehen.«
Vor allem wollte Richard ihn nicht einfach irgendwo hier draußen im Dunkeln zurücklassen, wo sie ihn nicht so leicht im Auge behalten konnten wie in ihrem Lager. Morgen früh würde man ihn sicher ohne größere Schwierigkeiten daran hindern können, ihnen zu folgen. Cara durchschaute schließlich seine Absicht und beruhigte sich; sie würde, während Richard und Kahlan schliefen, einen Fremden gewiß im Auge behalten wollen.
Kahlan neben sich, machte sich Richard auf den Weg zurück zum Wagen. Owen folgte ihnen, nicht ohne sich immer wieder nach Tom und Cara umzusehen.
Richard tauchte die beiden Wasserschläuche Owens auf der Ladefläche des Wagens in das Faß, in dem sich noch ein letzter Wasserrest befand, während Owen, den Rücken an eines der Wagenräder gelehnt, gelegentlich unter Caras zornigen Blicken erwartungsvoll zu ihm hochschaute. Es war nicht zu übersehen, daß Cara den Burschen nicht leiden konnte, was aber in Anbetracht der ausgeprägten Beschützerinstinkte der Mord-Sith nicht zwangsläufig bedeuten mußte, daß dieses Gefühl berechtigt war.
Aus irgendeinem Grund aber mochte auch Richard den Mann nicht sonderlich. Nicht daß er eine regelrechte Abneigung für ihn empfunden hätte, er konnte sich halt nur nicht so recht für ihn erwärmen. Er war höflich und dem äußeren Eindruck nach alles andere als gefährlich, und doch hatte sein ganzes Auftreten etwas, das Richard ... gereizt stimmte.
Tom und Friedrich zerkleinerten das trockene Holz, das sie gesammelt hatten, und fütterten damit das kleine Lagerfeuer, bis der köstliche Duft von Kiefernharz den intensiven Geruch der nahen Pferde überdeckte.
Ab und zu schielte Owen ängstlich zu Cara, Kahlan, Tom oder Friedrich hinüber – mit Abstand am unwohlsten schien er sich jedoch in Jennsens Gegenwart zu fühlen. Obwohl er sich bemühte, nicht zu ihr hinzusehen, und jeden Augenkontakt mied, wurde sein Blick wie magisch ein ums andere Mal von ihren im Schein des Lagerfeuers leuchtenden Haaren angezogen.
Jennsen ignorierte seine verstohlenen Blicke auf ihr Haar und bot ihm lächelnd ein Stück von ihrem Trockenfleisch an.
Owen starrte sie nur mit großen Augen an, als sie sich zu ihm herabbeugte.
»Ich bin keine Hexe«, versuchte sie ihm klar zu machen. »Die Leute denken oft, mein rotes Haar ist ein Zeichen, daß ich eine Hexe bin, aber das ist Unsinn – das kannst du mir getrost glauben. Ich kann dir versichern, ich besitze keinerlei magische Kräfte.«
Richard war überrascht, wie scharf, fast scheidend ihre Stimme klang, und fühlte sich einmal mehr daran erinnert, daß sich unter ihrer weiblichen Grazie ein überaus robustes Wesen verbarg.
Mit immer noch aufgerissenen Augen erwiderte Owen: »Natürlich nicht. Ich ... ich hab nur noch nie so ... schönes Haar gesehen, das ist alles.«
»Vielen Dank.« Jennsens Lächeln kehrte zurück, und sie bot ihm von neuem ein Stück Trockenfleisch an.
»Es tut mir wirklich leid«, entschuldigte Owen sich höflich, »aber wenn es Euch nichts ausmacht, ziehe ich es vor, auf Fleisch zu verzichten.«
Er langte rasch in seine Jackentasche und holte ein zusammengeknotetes Tuch hervor in dem sich trockener Zwieback befand. Mit einem bemüht wirkenden Lächeln bot er ihn Jennsen an.
»Mögt Ihr vielleicht einen hiervon?«
Tom fuhr hoch und warf Owen einen zornigen Blick zu.
»Vielen Dank, nein.« Jennsen zog ihre bereits ausgestreckte Hand zurück und ließ sich auf einem flachen Stein nieder. »Wenn du kein Fleisch ißt solltest du den Zwieback am besten selbst essen«, sagte sie zu Owen. »Leider haben wir außer Fleisch fast nichts.«
»Und warum ißt du kein Fleisch?«, erkundigte sich Richard.
Owen sah über seine Schulter hoch zu Richard auf der Ladefläche des Wagens. »Weil mir die Vorstellung nicht behagt, Tiere zu töten, nur um mein Bedürfnis nach Nahrung zu stillen.«
Jennsen zwang sich zu einem höflichen Lächeln. »Welch noble Einstellung.«
Ein verlegenes Lächeln zuckte um Owens Mundwinkel, ehe sein Blick erneut wie magisch von ihrem Haar angezogen wurde. »Ich empfinde es halt so«, sagte er, ehe er den Blick schließlich doch von ihr losriß.
»Darken Rahl dachte ähnlich«, fügte Cara mit einem wütenden Seitenblick auf Jennsen hinzu. »Ich habe ihn eine Frau mit der Roßpeitsche zu Tode prügeln sehen, nur weil er sie dabei erwischt hatte, wie sie in den Fluren des Palasts des Volkes ein Stück Wurst verspeiste; er fühlte sich dadurch in seinem Empfinden verletzt.«
Jennsen starrte sie erstaunt an.
»Ein anderes Mal«, fuhr Cara fort, während sie genüßlich ein Stück Wurst hinunterschlang, »stand ich ganz in der Nähe, als er draußen bei den Gärten um eine Ecke bog und einen Kavalleristen eine Fleischpastete essen sah. Darken Rahl schleuderte ihm einen magischen Blitz entgegen, der sein Reittier im nu enthauptete; der Pferdekopf landete mit einem lauten Rascheln in der Hecke. Mit knapper Not schaffte es der Soldat, auf den Beinen zu landen, während sein Pferd unter ihm zusammenbrach. Darken Rahl griff sich das Schwert des Soldaten und schlitzte dem Tier in rasender Wut den Bauch auf. Dann packte er den armen Kerl im Nacken, stieß ihn mit dem Gesicht voran in die Eingeweide des Kadavers und befahl ihm mit sich überschlagender Stimme zu essen. Der Soldat gab sein Bestes, aber am Ende erstickte er schließlich doch an den noch warmen Eingeweiden.«
Owen schlug sich die Hand vor den Mund und schloß entsetzt die Augen.
Cara gestikulierte mit dem Stück Wurst, als sähe sie Darken Rahl vor sich stehen. »Nachdem sich sein Anfall schließlich wieder gelegt hatte, wandte er sich an mich und fragte, wie man nur so grausam sein und Fleisch essen könne.«
Jennsen, völlig entgeistert, fragte: »Und was habt Ihr geantwortet?«
Cara zuckte die Achseln. »Was hätte ich ihm schon antworten können? Ich sagte, ich wüßte es selbst nicht.«
»Aber warum aßen die Leute denn überhaupt Fleisch, wenn er so darauf reagierte?«
»Meistens tat er das ja gar nicht. Es gab Händler im Palast, die Fleisch verkauften und die er für gewöhnlich überhaupt nicht beachtete. Manchmal schüttelte er angewidert den Kopf oder bezeichnete sie als grausam, aber im Allgemeinen nahm er keine Notiz von ihnen.«
Friedrich nickte bestätigend. »Das war ja das Unheimliche an diesem Mann, man wußte nie genau, wie er reagieren würde. Mal lächelte er einen an, dann wieder ließ er jemanden zu Tode foltern. Man wußte nie, woran man war.«
Cara starrte gedankenverloren in die Flammen des heruntergebrannten Feuers. »Es war vollkommen unmöglich abzuschätzen, wie er auf irgend etwas reagieren würde.« Ihre Stimme bekam plötzlich einen bedrückten, gequälten Unterton. »Viele Leute gelangten einfach zu dem Schluß, es sei ohnehin nur eine Frage der Zeit bis er sie ebenfalls tötete, also führten sie das Dasein von zum Tode Verurteilten, die nur noch darauf warteten, daß das Henkersbeil sich senkte. Sie verloren alle Freude am Leben und hatten für die Zukunft keine Hoffnung mehr.«
Tom bestätigte Caras Darstellung des Lebens in D’Hara mit einem grimmigen Nicken, während er ein Kienholz ins Feuer nachlegte.
»Habt Ihr auch so ein Dasein geführt, Cara?«, wollte Jennsen wissen.
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