»Dasselbe!«
»Wirklich? Und was ist mit Ihnen? Haben Sie Myrik gefordert, nur weil er Gwen verletzt hat? Oder war der Grund ein anderer? Vielleicht, weil er Ihr Jade-und-Silber beschädigte?« schnauzte Dirk. »Möglicherweise hätte Jaan genauso gehandelt, nicht aber Sie, Janacek. Sie sind ein Kavalare wie Lorimaar einer ist, so förmlich wie Chell oder Bretan. Jaan wollte sein Volk aus den Niederungen herausführen, aber ich glaube, Sie waren nur zufällig dabei und kümmerten sich wenig um seine Absichten, die Sie ohnehin nicht guthießen.« Er zerrte Janaceks Laser aus dem Gürtel und warf ihn mit der freien Hand durch das Zimmer. »Hier«, rief er und senkte sein Gewehr. »Jagen Sie weiterhin Spottmenschen!«
Janacek war verblüfft. Mit einer Reflexbewegung fing er die Waffe aus der Luft. Dann wog er sie plump in der Hand und sagte mit finsterer Miene: »Ich könnte Sie jetzt töten, t’Larien.«
»Tun Sie es, oder lassen Sie es bleiben«, sagte Dirk.
»Darauf kommt es nun nicht mehr an. Wenn Sie Jaan jemals wirklich geliebt hätten …« »Ich liebe Jaan nicht«, fauchte Janacek mit hochrotem Gesicht. »Er ist mein teyn !«
Dirk ließ die Worte des Kavalaren eine Weile im Zimmer schweben. Gedankenvoll kratzte er sich am Kinn. »Ist?« fragte er dann. »Sie meinen doch wohl, Jaan war ihr teyn ?«
Die Röte in Janaceks Gesicht verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Unter seinem Bart zuckte ein Mundwinkel auf eine Weise, die Dirk an Bretan erinnerte. Halb beschämt und beinahe verstohlen wanderte sein Blick über den schweren Eisenarmreif, der den blutverkrusteten Unterarm umspannte.
»Es gelang ihnen nicht, alle Glühsteine herauszubrechen, oder?« sagte Dirk einlenkend.
»Nein«, gab Janacek zu. Seine Stimme klang seltsam weich. »Nein, ich schaffte es nicht. Was natürlich nicht viel besagen will. Das gegenständliche Eisen zählt nicht mehr, wenn das andere Eisen nicht mehr ist.« »Es ist aber noch nicht verschwunden, Garse«, sagte Dirk. »Als wir zusammen in Kryne Lamiya waren, hat Jaan von Ihnen gesprochen. Daher weiß ich es. Vielleicht fühlt er sich auch mit Gwen durch Eisen verbunden, und vielleicht ist das falsch. Fragen Sie nicht mich. Alles, was ich weiß ist, daß für Jaan das andere Eisen noch existiert. Er trug seinen Eisen-und-Feuer-Armreif in Kryne Lamiya. Ich kann mir vorstellen, daß er ihn auch tragen wird, wenn ihn die Braithhunde zu Tode hetzen.«
Janacek schüttelte den Kopf. »T’Larien«, sagte er, »Ihre Mutter stammt von Kimdiss, darauf könnte ich schwören.
Dennoch kann ich Ihnen nicht widerstehen. Sie manipulieren zu gut.«
Er grinste, und es war wieder das alte Grinsen, das er an jenem Morgen zur Schau stellte, als er den Laser auf Dirk richtete und fragte, ob ihn das beunruhige. »Jaan Vikary ist mein teyn«, sagte er. »Was meinen Sie, was ich tun soll?«
Janaceks Bekehrung war langsam vor sich gegangen, aber sie war gründlich. Der Kavalare nahm die Sache sofort in die Hand. Dirk schlug vor, auf der Stelle aufzubrechen und alles weitere unterwegs zu beschließen, aber Janacek bestand darauf, sich zu duschen und umzuziehen. »Falls Jaan noch lebt, wird er bis zum Tagesanbruch in Sicherheit sein. Nachts sehen die Hunde nicht gut, und die Braiths werden nicht darauf erpicht sein, in einem dunklen Würgerwald umherzuirren. Nein, t’Larien, sie werden kampieren und abwarten. Ein einzelner Mann zu Fuß kann nicht weit kommen. Und so haben wir die Zeit, ihnen als echte Eisenjades gegenüberzutreten.«
Als sie zum Aufbruch bereit waren, sah man Janacek die hinter ihm liegenden Ausschweifungen nicht mehr an. Er hatte den Bart gesäubert und zurechtgestutzt, das dunkelrote Haar sorgfältig nach hinten gekämmt, und in seinem pelzbesetzten Anzug aus Chamäleonstoff sah er schlank und untadelig aus. Nur sein rechter Arm — gewaschen und vorsichtig bandagiert, aber dennoch auffällig — sprach gegen ihn. Allerdings schienen ihn die Schnittwunden in keiner Weise beeinträchtigt zu haben, es sah elegant und gekonnt aus, wie er seinen Laser in Anschlag brachte, ihn untersuchte und ins Halfter zurückgleiten ließ. Zusätzlich zu der Pistole trug Janacek noch ein langes zweischneidiges Messer und ein Gewehr wie Dirk. Als er es in die Hand nahm, grinste er fröhlich.
Während der Wartezeit hatte sich Dirk gewaschen und rasiert und dann die Gelegenheit wahrgenommen, sich zum erstenmal seit Tagen ein herzhaftes Mahl zu gönnen.
Als sie zum Dach hinaufstiegen, fühlte er sich voller Energie.
Im Inneren von Janaceks riesigem Gleiter war nicht viel mehr Platz als in der winzigen herrenlosen Maschine, mit der Dirk von Kryne Lamiya hierhergeflogen war, obgleich Janaceks Gefährt vier schmale Sitze statt zwei aufwies. »Die Panzerung«, bemerkte Garse, als ihn Dirk auf den begrenzten Innenraum ansprach. Er schnallte Dirk in einem harten, unkomfortablen Sitz fest, der durch eine Art Kampfverkleidung nochmals geschützt war, verfuhr selbst auf ähnliche Weise und hob den Gleiter ab.
Die Kabine war schwach beleuchtet und rundum geschlossen. Wohin man sah, befanden sich Apparaturen und Instrumente, sogar über den Türen. Dafür gab es keine Fenster. Vor dem Piloten vermittelten acht kleine Sichtschirme acht verschiedene Ansichten der Außenwelt. Das Dekor war schlicht: unverzierte, unlackierte Hartlegierung. »Dieses Fahrzeug ist älter als wir beide zusammen«, sagte Janacek beim Aufsteigen. Er schien ein Gespräch zu wünschen und war auf seine rauhe Art freundlich. »Und es hat mehr Welten gesehen als Sie. Seine Geschichte ist faszinierend. Dieses Modell hier wurde vor etwa vierhundert Standardjahren von den Weisheiten auf Dam Tullian gebaut und in deren Kriegen gegen Erikan und Strolchs Hoffnung eingesetzt. Nach etwa einem Jahrhundert wurde es beschädigt und zurückgelassen. Die Erikaner bauten es in Friedenszeiten um und verkauften es an die Stahlengel auf Bastion.
Diese setzten es bei einer Reihe von Feldzügen ein, bis schließlich Promethaner den Gleiter erbeuteten. Ein Kimdissihändler fand ihn auf Prometheus und verkaufte ihn mir, und ich führte ihn in den Duellkodex ein. Seither hat mich niemand mehr zum Luftkampf herausgefordert.
Passen Sie auf.« Er streckte die Hand aus und drückte einen Leuchtknopf ein. Die plötzliche Beschleunigung preßte Dirk in seinen Sitz zurück. »Zusatztriebwerke für Höchstgeschwindigkeiten«, sagte Janacek grinsend. »Wir werden nicht die halbe Zeit brauchen, die Sie benötigten, t’Larien.«
»Gut«, ließ sich Dirk vernehmen. In ihm nagte etwas.
»Sagten Sie, Sie hätten die Maschine von einem Kimdissihändler?« »Das stimmt«, erwiderte Janacek.
»Die friedfertigen Kimdissi sind im Waffenhandel ganz groß. Wie Sie wissen, habe ich für diese Manipulatoren wenig übrig, bietet sich mir aber ein gutes Geschäft, dann ziehe ich auch meinen Vorteil daraus.«
»Arkin machte aus seinem pazifistischen Standpunkt eine große Schau«, sagte Dirk. »Ich nehme an, das war alles Attrappe.« »Keineswegs«, erwiderte Janacek. Er lächelte und warf Dirk einen Seitenblick zu. »Schockiert Sie das, t’Larien? Die Wahrheit ist vielleicht noch bizarrer. Wir nennen die Kimdissi nicht ohne Grund Manipulatoren. Ich setze voraus, Sie haben auf Avalen Geschichte studiert?« »Ein wenig«, antwortete Dirk.
»Soweit es Alt-Erde, das Bundesimperium, den Doppelkrieg und die Expansion betraf.« »Aber nicht die Geschichte der Außenwelten«, sagte Janacek. »Das war zu erwarten. So viele Welten und Kulturen es im menschlichen Einflußbereich gibt, so viele Geschichtsprozesse existieren auch. Wollte man nur die einzelnen Namen lernen, man könnte sie unmöglich alle behalten. Hören Sie mir zu, und ich werde Ihnen etwas erzählen. Haben Sie den Fahnenkreis bemerkt, als Sie auf Worlorn landeten?« Entwaffnend erwiderte Dirk seinen Blick. »Nein.« »Nun, vielleicht sind sie jetzt nicht mehr an Ort und Stelle. Zur Zeit des Festivals jedenfalls flatterten auf dem Platz vor dem Landefeld vierzehn Fahnen. Eine absurde Selbstgefälligkeit der Toberianer, denn von den vierzehn Planetenflaggen bedeuteten zehn überhaupt nichts. Aber irgendwie setzten sie ihren Willen durch. Welten wie Eshellin und die Vergessene Kolonie wußten überhaupt nicht, was eine Fahne ist, während die Emereli das andere Extrem darstellten. Auf ihrem Planeten hatte jede der hundert Turmstädte ihr eigenes Banner. Die Dunklinge lachten uns alle aus und hißten ein pechschwarzes Tuch.« Diese Tatsache schien ihn sehr zu amüsieren. »Und was Hoch Kavalaan angeht, so hat wir keine Fahne für unsere Welt. Wir erfanden jedoch eine. Sie wurde aus der Geschichte entlehnt. Ein Rechteck, das in vier Rechtecke verschiedener Farbe unterteilt war: ein grüner Banshee auf schwarzem Feld für Eisenjade, Shanagates silberfarbene Jagdfledermaus auf Gelb, gekreuzte Schwerter auf Karmesinrot für Rotstahl, und für Braith ein weißer Wolf auf Purpur. Es war die alte Standarte der Hochleibeigenenliga. Man gründete die Liga ungefähr zu der Zeit, als die ersten Sternenschiffe nach Hoch Kavalaan zurückkehrten.
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