Es gibt mehr Dürren und mehr Flutkatastrophen als je zuvor. England wird zur Wüste, die Sümpfe und Moore trocknen aus. Ganze Fischarten sind verschwunden, einfach verschwunden, und das in nur ein, zwei Jahren. Die Sardinen sind verschwunden, die Dorschindustrie ist kaputt. Der Dorsch, der noch gefangen wird, ist krank, unbrauchbar. Vor der Westküste von Nord- und Südamerika ist kein Fischfang mehr möglich.
Jedes proteinhaltige Getreide auf Erden hat irgendeine verdammte Krankheit, die schlimmer und schlimmer wird. Maisfäule, Weizenbrand, Sojabrand. Wir beschränken jetzt unsere Ausfuhr von Nahrungsmitteln, nächstes Jahr werden wir sie ganz einstellen. Überall gibt es Knappheit, die niemand sich je träumen ließ. Zinn, Kupfer, Aluminium, Papier. Chlor, bei Gott! Was, glaubst du, wird in der Welt passieren, wenn wir plötzlich nicht einmal mehr unser Trinkwasser desinfizieren können?«
Sein Gesicht lief dunkel an, als er sprach, er wurde wütender und wütender, während er seine unbeantwortbaren Fragen an David richtete, der ihn anstarrte und gar nichts zu sagen hatte.
»Und sie wissen nicht, was sie tun sollen«, fuhr sein Großvater fort. »Genausowenig, wie die Dinosaurier wußten, wie sie ihren Untergang aufhalten sollten. Wir haben Veränderungen der fotochemischen Reaktionen unserer eigenen Atmosphäre verursacht, und wir können uns den neuen Strahlungen nicht schnell genug anpassen, um zu überleben! Immer wieder warnten ein paar Wissenschaftler und sagten, daß das ein Problem allerersten Ranges ist, aber wer hört denn schon? Die verdammten Narren schieben jede einzelne Katastrophe lokalen Umständen in die Schuhe und wollen die Tatsache nicht wahrhaben, daß dies global ist; bis es zu spät ist, etwas dagegen zu unternehmen.«
»Aber wenn du recht hättest, was könnten sie denn tun?« fragte David und blickte, auf Unterstützung hoffend, zu Dr. Walt hinüber, der ihm aber keine gab.
»Die Fabriken stillstellen, die Flugzeuge runterholen, mit den Bohrungen aufhören, die Autos verschrotten. Aber das wird nicht geschehen, und selbst wenn es geschähe, es käme immer noch zu einer Katastrophe. Sie wird über uns hereinbrechen. Innerhalb der nächsten paar Jahre, David, wird sie hereinbrechen.«
Er trank seinen Eierflip und setzte das Kristallglas hart auf den Tisch. Bei dem Geräusch zuckte David zusammen.
»Es wird den größten Knall geben, seit der Mensch anfing, Zeichen in Felsen zu ritzen, das sage ich dir! Und wir bereiten uns darauf vor! Ich bereite mich darauf vor! Wir haben das Land und wir haben die Menschen, die es bestellen werden, und wir bauen unsere Klinik, und wir werden die Forschung betreiben, die unsere Tiere und Menschen am Leben erhalten wird; und wenn die Welt in ihren letzten Zuckungen liegt, werden wir leben, und wenn sie hungert, werden wir zu essen haben.«
Plötzlich hielt er inne und musterte David mit zusammengekniffenen Augen. »Ich habe gesagt, daß du uns mit der Überzeugung verlassen wirst, wir wären alle übergeschnappt. Aber, David, mein Junge, du wirst zurückkommen. Du wirst zurückkommen, bevor der Hartriegel blüht; denn du wirst die Zeichen lesen.«
David kehrte zur Universität zurück, zu seiner Dissertation und der Arbeit, die Selnick ihm auftrug. Celia schrieb nicht; er hatte keine Adresse von ihr. Auf seine Fragen hin gestand ihre Mutter ein, daß niemand von ihr gehört habe. Im Februar erließ Japan als Vergeltung für das Nahrungsmittelembargo der USA Handelsbeschränkungen, die weiteren Handel zwischen ihm und den Vereinigten Staaten unmöglich machten. Japan und China Unterzeichneten einen gegenseitigen Beistandspakt. Im März besetzte Japan die Philippinen mit ihren Reisfeldern, und China beanspruchte wieder die lange nicht ausgeübte Treuhandschaft über Indochina, mit den Reisterrassen Kambodschas und Vietnams.
Die Cholera wütete in Rom, Los Angeles, Galveston und Savannah. Saudi-Arabien, Kuwait, Jordanien und andere Staaten des Arabischen Blocks stellten ein Ultimatum: die Vereinigten Staaten müßten dem Arabischen Block eine jährliche Weizenlieferung garantieren und jegliche Unterstützung des Staates Israel beenden, sonst würden die Öllieferungen in die USA und nach Europa eingestellt. Sie weigerten sich zu glauben, daß die Vereinigten Staaten ihre Forderungen nicht erfüllen konnten. Sofort wurde der internationale Reiseverkehr beschränkt, und die Regierung bestallte, durch Verfügung des Präsidenten, eine neue Behörde im Rang eines Ministeriums: das Amt für Information.
Der Holunder bildete verschwommene Flecken in Rosa vor dem klaren, mai-milden Himmel, als David nach Hause zurückkehrte. Er blieb nur eben lang genug im Haus, seine Kleidung zu wechseln und seine Zettelkästen aus dem College loszuwerden; dann fuhr er zur Sumner-Farm hinaus, wo Walt wohnte, während er den Bau der Klinik überwachte.
Im Parterre hatte Walt ein Büro. Dort herrschte ein Wirrwarr von Büchern, Notizheften, Skizzen, Korrespondenz. Walt begrüßte David, als sei der überhaupt nicht weg gewesen. »Sag mal«, fragte er, »diese Experimente von Semple und Frerrer, was weißt du darüber? Die erste Generation künstlich befruchteter Mäuse wies keine Abweichungen auf, keine Veränderungen der Lebens- oder Zeugungsfähigkeit, und die zweite oder dritte auch nicht, aber in der vierten ging die Lebensfähigkeit jäh zurück. Von da an besteht ein stetiger und unumkehrbarer Trend in Richtung Untergang. Warum?«
David setzte sich abrupt und starrte Walt an. »Wie bist du daran gekommen? «
»Durch Vlasic«, sagte Walt. »Wir haben zusammen Medizin studiert. Er schlug eine Richtung ein, ich eine andere. In all den Jahren haben wir miteinander korrespondiert. Ich habe ihn gefragt.«
»Du kennst seine Arbeit?«
»Ja. Seine Rhesus-Affen zeigen dieselbe Degeneration in der vierten Generation, bis hin zum Aussterben.«
»Es ist nicht ganz so einfach«, sagte David. »Er mußte seine Arbeit letztes Jahr einstellen — keine Gelder mehr. Wir wissen also nichts von der Lebenserwartung der späteren Geschlechter. Aber der Niedergang beginnt in der dritten Clone-Generation [1] Cloning: Künstliche Befruchtung/Technik der Zellkemverschmelzung zur asexuellen Vermehrung. Clone: Das asexuell erzeugte Lebewesen. Anm. d. Ü.
, ein Niedergang der Potenz. Er ließ jede Clone-Generation sich sexuell fortpflanzen und überprüfte die Nachkommenschaft auf Normalität. Die dritte Clone-Generation hatte nur noch fünfundzwanzig Prozent Potenz. Der sexuell erzeugte Nachwuchs begann mit demselben Prozentsatz, und in der Tat sank die Potenz bis zur fünften Generation sexuell produzierter Nachkommenschaft, um dann wieder anzusteigen, vermutlich zurück zur Normalität.«
Walts Blicke hingen an ihm, ab und zu nickte er. David fuhr fort. »Das war die Clone-Drei-Generation. In der Clone-Vier-Generation kam es zu einer drastischen Veränderung. Einige Abnormalitäten traten auf, und die Lebenserwartung war um siebzehn Prozent gesunken. Die Abnormalen waren alle steril. Die Potenz war im Durchschnitt auf achtundvierzig Prozent gesunken. Mit jeder sexuell reproduzierten Generation fiel sie weiter. Von den Nachkommen der fünften Generation lebte keiner länger als eine Stunde oder zwei. Soweit die Clone-Vier-Generation. Mit der künstlichen Befruchtung der Vierer ging es noch schlechter. Die Clone-Fünf-Generation wies sehr starke Abnormalitäten auf, alle waren steril. Die Messung der Lebenserwartung wurde nicht vollendet. Eine Clone-Sechs-Generation gab es nicht. Kein Tier überlebte.«
»Also eine Sackgasse«, sagte Walt. Er wies auf einen Stapel von Magazinen und Exzerpten. »Ich hatte gehofft, die wären veraltet, es gäbe vielleicht neuere Methoden, oder ein Irrtum wäre in ihren Zahlen entdeckt worden. Die dritte Generation markiert also den Wendepunkt?«
David zuckte die Achseln. »Meine Information könnte überholt sein. Ich weiß, daß Vlasic letztes Jahr aufhören mußte, aber Semple und Frerrer haben wenigstens letzten Monat noch daran gearbeitet. Vielleicht haben sie etwas Neues, von dem ich nichts weiß. Du denkst an den Viehbestand?«
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