»Nach unserer Überzeugung könnte Ms. Lang mit ihrem Ruf im Laufe von fünf Monaten eine Gruppe solventer Geldgeber zusammenbringen und mit EcoBacter von vorn anfangen. Die Angestellten sind sehr loyal. Viele haben in Absichtserklärungen bekräftigt, dass sie bei Kaye bleiben und beim Wiederaufbau helfen wollen.«
Wieder hob Munsey die Hände: Es kam für ihn nicht in Frage.
»Meine Mandanten richten sich nach ihrem Instinkt. Vielleicht hätte Mr. Madsen sein Unternehmen an eine andere Firma verkaufen sollen. Bei allem Respekt für Ms. Lang — und niemand schätzt sie höher als ich: Sie hat keine Arbeiten von unmittelbarem wirtschaftlichem Interesse geleistet. In der Biotechnologiebranche herrscht harte Konkurrenz, Ms. Lang, das wissen Sie.«
»Die Zukunft liegt in dem, was wir erschaffen können, Mr. Munsey«, sagte Kaye.
Munsey schüttelte traurig den Kopf. »Meine eigene Investition hätten Sie sofort, Ms. Lang. Aber ich bin schwach. Die anderen Firmen …« Er ließ den Satz unvollendet.
»Vielen Dank, Mr. Munsey«, sagte Orbison und bildete mit den Händen ein Zelt, auf das er seine lange Nase legte.
Munsey war über dieses Ende des Gesprächs offensichtlich verdutzt. »Es tut mir sehr Leid, Ms. Lang. Wir haben wegen der Umstände, unter denen Mr. Madsen verschwunden ist, noch Schwierigkeiten bei den Verhandlungen mit Bürgen und Versicherungen.«
»Er kommt nicht zurück, wenn es das ist, was Ihnen Sorge macht«, sagte Kaye mit versagender Stimme. »Man hat ihn gefunden, Mr. Munsey. Er wird nicht zurückkommen und sich einen Jux mit uns machen und sagen, wie ich in meinem Leben zurechtkommen soll.«
Munsey starrte sie an.
Sie konnte jetzt nicht innehalten. Die Worte sprudelten aus ihr heraus. »Sie haben ihn an den Felsen im Long Island Sound gefunden. Er war in einem schrecklichen Zustand. Ich musste ihn anhand unseres Eherings identifizieren.«
»Das tut mir sehr Leid. Davon wusste ich nichts«, sagte Munsey.
»Die endgültige Identifizierung hat erst heute Morgen stattgefunden«, fügte Orbison leise hinzu.
»Mein herzliches Beileid, Ms. Lang.«
Munsey zog sich zurück und schloss die Tür hinter sich.
Orbison beobachtete sie schweigend.
Kaye wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Ich hatte keine Ahnung, was er mir bedeutet hat, wie sehr wir ein Geist geworden waren und zusammengearbeitet haben. Ich dachte, ich hätte meinen eigenen Kopf und mein eigenes Leben … und jetzt stelle ich etwas anderes fest. Ich fühle mich noch nicht einmal wie ein halber Mensch. Er ist tot.«
Orbison nickte.
»Heute Nachmittag fahre ich wieder zu EcoBacter und veranstalte mit den Leuten dort eine kleine Trauerfeier. Ich werde ihnen sagen, dass sie sich andere Jobs suchen müssen und dass es mir auch nicht besser geht.«
»Sie sind jung und intelligent. Sie schaffen das, Kaye.«
»Klar schaffe ich es!«, erwiderte sie energisch. Sie schlug sich mit der Faust aufs Knie. »Verdammt nochmal, dieses … Arschloch.
Dieser Hosenscheißer. Er hatte kein Recht dazu!«
»Keinerlei Recht«, sagte Orbison. »Es war ein billiger, schmutziger Trick, um jemanden wie Sie an Land zu ziehen.« Seine Augen funkelten vor Wut und Mitgefühl, wie sie es auch im Gerichtssaal taten, wenn seine Emotionen wie eine alte Grubenlaterne aufflackerten.
»Ja«, sagte sie und sah sich gehetzt im Zimmer um. »Oh Gott, es wird so schwierig werden. Wissen Sie, was das Schlimmste ist?«
»Was denn, Liebes?«, fragte Orbison.
»Dass ich einerseits sogar froh bin«, erwiderte Kaye und begann zu weinen.
»Na, na«, sagte Orbison, jetzt wieder ganz der müde, alte Mann.
23
Centers for Disease Control and Prevention, Atlanta
»Mumien von Neandertalern«, sagte Augustine. Er durchquerte Dickens kleines Büro und legte ein zusammengefaltetes Blatt Papier auf den Schreibtisch. » Time hat sich darauf gestürzt. Und Newsweek auch.«
Dicken schob einen Stapel Kopien — Obduktionsberichte über Säuglinge und Feten des Northside Hospital in Atlanta aus den letzten beiden Monaten — weg und griff nach dem Artikel. Er stammte aus dem Atlanta JournalConstitution , und die Überschrift lautete »Prähistorische Herkunft des Paares aus dem Eis bestätigt«.
Lustlos und nur aus Höflichkeit überflog er den Bericht und blickte dann zu Augustine auf.
»In Washington geht es los«, bemerkte der Direktor. »Man hat mich aufgefordert, eine Taskforce zusammenzustellen.«
»Unter Ihrer Leitung?«
Augustine nickte.
»Das ist mal eine gute Nachricht«, sagte Dicken argwöhnisch. Er spürte, dass Unheil im Anzug war.
Augustine sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. »Wir haben die von Ihnen zusammengestellte Statistik verwendet und dem Präsidenten damit einen gewaltigen Schrecken eingejagt. Die Leiterin des Gesundheitswesens hat ihm eine von den Fehlgeburten gezeigt. Ein Foto natürlich. Sie sagt, sie hat ihn noch nie wegen einer gesundheitspolitischen Frage so aufgebracht erlebt. Er will, dass wir sofort mit allen Einzelheiten an die Öffentlichkeit gehen.
›Da sterben Babys‹, hat er gesagt. ›Wenn wir es abstellen können, stellen Sie es ab, und zwar sofort.‹«
Dicken wartete geduldig.
»Dr. Kirby hält es für eine Vollzeitaufgabe. Könnte zur Bewilligung zusätzlicher Mittel führen, vielleicht sogar zu mehr Geld für internationale Projekte.«
Dicken versuchte, mitfühlend zu wirken.
»Sie wollen mich nicht von der Aufgabe ablenken, indem sie mich dazu ausersehen, in ihre Fußstapfen zu treten.« Augustines Blick wurde hart und glänzend.
»Shawbeck?«
»Den haben sie abgenickt. Aber der Präsident kann auch selbst jemanden aussuchen. Morgen wollen sie eine Pressekonferenz über die Herodes-Grippe abhalten. ›Der totale Krieg gegen einen weltweiten Killer.‹ Besser als die Kinderlähmung, und politisch ist es ein Volltreffer, anders als AIDS.«
»Küss’ die Babys und mach’ sie gesund?«
Augustine fand das nicht lustig. »Zynismus steht Ihnen nicht, Christopher. Sie sind doch der idealistische Typ, wissen Sie noch?«
»Muss an der gespannten Atmosphäre liegen«, erwiderte Dicken.
»Ja, ja. Man hat mir gesagt, ich soll bis morgen Mittag meine Mannschaft zusammenstellen, damit Kirby und Shawbeck sie absegnen können. Sie sind für mich natürlich die erste Wahl. Heute Abend treffe ich mich mit ein paar Leuten von den NIH und wissenschaftlichen Talentsuchern aus New York. Von dem Kuchen wollen die Direktoren aller Institutionen ein Stück abhaben. Ich muss sie mit Bröckchen füttern, bevor sie das ganze Problem an sich reißen. Können Sie sich mit Kaye Lang in Verbindung setzen und ihr sagen, dass man sie heranziehen wird?«
»Ja«, antwortete Dicken. Sein Herz fühlte sich merkwürdig an.
Er war kurzatmig. »Ich würde auch selbst gern ein paar Leute aussuchen.«
»Keine ganze Armee, hoffe ich.«
»Erstmal nicht«, sagte Dicken.
»Ich brauche ein Team «, betonte Augustine, »und keine lockere Gruppe von Einzelkämpfern. Keine Primadonnen.«
Dicken lächelte. »Ein paar Diven vielleicht?«
»Wenn sie in der gleichen Tonart singen, sobald es Zeit für die Nationalhymne ist. Ich möchte eine Hintergrundprüfung, ob es irgendwo stinkt. Das können Martha und Karen von der Personalabteilung für uns erledigen. Keine ehemaligen Fahnenverbrenner oder Hitzköpfe. Und keine Randgruppen.«
»Natürlich«, sagte Dicken, »aber dann bin ich auch aus dem Rennen.«
»Geniales Bürschchen.« Augustine feuchtete den Finger an und machte ein Zeichen in der Luft. »Einen darf ich dabei haben.
Staatliche Angelegenheit. Kommen Sie um sechs in mein Büro.
Bringen Sie ein paar Flaschen Pepsi, Pappbecher und eine Schüssel Eis aus dem Labor mit — sauberes Eis, okay?«
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