»Glück gehabt«, murmelte Sengu und verließ den Transmitter. »Nun müssen wir nur noch die Flotte finden, aber das dürfte nicht zu schwer sein.«
Marshall folgte ihm in die kleine Kommandozentrale.
Die Bildschirme waren in Betrieb. Sie zeigten den Planeten New Luna aus einer Höhe von zweitausend Kilometern. Noch immer zog er seine Bahn, unverändert und mit scheinbarer Gelassenheit.
Die anderen Schirme waren leer.
Marshall nahm hinter den Funkgeräten Platz, wahrend Sengu sich um die Fahrtkontrollen kümmerte und den Negativkomputer einschaltete.
Aus dem Empfänger kamen nur Störungen. Sie waren so laut und intensiv, daß außer ihnen nichts mehr zu hören war. In diesem Stadium schien es völlig ausgeschlossen, Verbindung zur Flotte herzustellen.
»Die Position ist ungefähr bekannt«, tröstete Sengu, der auf seine angeforderten Daten wartete. »Eine Flotte von zwanzigtausend Einheiten kann nicht einfach von der Bildschirmfläche verschwinden. Wir werden sie schon finden.«
»Das macht mir weniger Sorge, Wuriu. Aber wir wissen, daß sie in eine Abwehrschlacht verwickelt sind, und da möchte ich nicht gerade hineingeraten. Man wird keine Zeit haben, sich um uns zu kümmern.«
»Dann warten wir in der Nähe, bis sie Zeit haben!«
Die Kursdaten kamen aus dem Komputer. Sie galten noch für den alten Standort der Freyt , waren also mit ziemlicher Sicherheit nun ungültig geworden. Aber sie boten immerhin einen Anhaltspunkt.
Sengus Finger glitten über die Kontrollen, und bald nahm das Schiff Fahrt auf. Es entfernte sich von Old Man und New Luna, um Kurs auf die Grenzen von Jellicos System zu nehmen. Die Orterschirme zeigten erste Echos, aber es waren so viele, daß Marshall kopfschüttelnd meinte:
» Old Man hat alles aufgeboten, der I-13 den Durchbruch zu sichern. Hoffentlich geht das gut, und Bully macht keinen Fehler.«
»Er wird vorsichtig sein«, sagte Sengu überzeugt. »Er weiß genau, was auf dem Spiel steht. Wenn das Transportschiff mit dem Kristall durchkommt, ist Old Man für immer für uns verloren. Von der Gefahr, die uns allen droht, gar nicht zu reden ...«
»Da sind Echos auf dem rechten Schirm« unterbrach ihn Marshall mit besorgter Stimme. »Sind das unsere?«
Sengu überprüfte die Daten der Orter-Komputer und schüttelte den Kopf.
»Sieht nicht so aus, John. Wenn das Einheiten des Roboters sind, wird es besser sein, wir verschwinden von hier. Gegen Ultraschiffe können wir nicht an.«
Den Echos nach zu urteilen handelte es sich mindestens um einen Pulk von fünfhundert Schiffen. Ihr Kurs führte sie in Richtung auf Old Man zu, wenn sie ihn nicht noch änderten. Dabei kreuzten sie den augenblicklichen Kurs des kleinen Schiffes, das nicht einmal über genügend Verteidigungsmittel verfügte, sich auch nur gegen ein einziges Ultraschlachtschiff zur Wehr zu setzen.
»Nehmen wir fünfzig Grad Relation zur Planetenebene«, schlug Marshall vor. »Dann weichen wir ihnen aus. Notfalls nehmen wir ein Linearmanöver vor, damit sie uns verlieren.«
»Aus dem System hinaus?«
»Natürlich. Wir finden es schon wieder. Ist immer noch besser, als würden wir uns abschießen lassen.«
Obwohl sie den Kurs änderten und sich wieder von dem Pulk entfernten, trennten sich plötzlich zehn Echos und wurden größer. Sie waren bald danach auf den Bildschirmen als Ultrariesen zu erkennen, die genau auf sie zuhielten.
»Es wird Ernst«, knurrte Sengu und gab dem Komputer die ersten Daten für einen kurzen Linearflug. Er würde sie fünf Lichtstunden aus dem System von Jellicos Stern hinaustragen. »Wir haben keine andere Wahl.«
»Wie lange dauert es?« fragte Marshall.
»Dreißig Sekunden.«
Die heranrasenden Raumer wurden unheimlich schnell größer.
»Verdammt wenig Zeit. Hoffentlich eröffnen sie nicht das Feuer, bevor wir verschwinden. Dabei fliegen wir schon mit tausend Sekundenkilometer. Ich habe es noch nie gern getan, dieses Eintauchen in den Linearraum zwischen Planeten und innerhalb eines Systems. Wie lange noch?«
»Zehn Sekunden.«
»Vielleicht klappt es. Sie schwärmen aus. Sie wollen unseren HÜ-Schirm von allen Seiten knacken – da werden sie aber Pech haben.«
»Schon deshalb, weil sie zu lange damit zögern«, sagte Sengu mit tiefer Befriedigung. »Noch zwei Sekunden ... jetzt!«
Das kleine Schiff tauchte in den Linearraum ein, und die angreifenden Robotraumer verschwanden sofort. Mit ihnen verschwanden auch die Sterne und der gewohnte Anblick des Weltraums. Die Space-Jet hielt sich nun in einem anderen Universum auf, wo alle bekannten Naturgesetze ihre Gültigkeit verloren.
Es war so, wie namhafte Wissenschaftler schon vor Jahrhunderten vermutet hatten. Als einer der ersten: war es ein gewisser Clarke gewesen, der seinen Ruf als ernsthafter Wissenschaftler aufs Spiel setzte, als er in einer Pressekonferenz die Meinung vertrat, ein Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit sei theoretisch durchaus möglich. Das geschah zu einer Zeit, da der Mensch nicht einmal den Mond erreicht hatte und die Weltraumfahrt bei vielen Menschen noch als Hirngespinst einiger Phantasten galt.
Clarke behauptete, man lege Einstein falsch aus. Einstein, nach dem man allgemein heute das normale, vierdimensionale Raum-Zeit-Universum benannte, hatte die These aufgestellt, es sei unmöglich, mit Lichtgeschwindigkeit zu fliegen. Clarke wies darauf hin, daß Einstein niemals behauptet habe, ein Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit sei unmöglich.
Es war ja auch unmöglich, genau mit Schallgeschwindigkeit zu fliegen, denn die Mauer mußte erst durchbrochen werden. Jenseits der Mauer war Schweigen und ruhiger Flug.
Und so führte Clarke damals aus, sei es auch mit der Lichtgeschwindigkeit und der entsprechenden Mauer. Man müsse sie durchstoßen wenn die technischen Voraussetzungen dazu vorhanden seien. Dahinter aber, so erklärte er, sei ein neues, uns fremdes Universum, wo alle Gesetze ihre Gültigkeit verlören. Es gäbe zwischen beiden Universen auch keine Verbindung mehr. Jedes sei eine Welt für sich, und wahrscheinlich gäbe es in jenem Überlicht-Universum auch keinen Gegenstand, der sich unter der Lichtgeschwindigkeit bewegen könne.
Clarke hatte recht behalten.
Der Linearraum war ein Universum für sich, und nicht einmal der Hyperfunk vermochte eine Verbindung zwischen ihm und dem Einstein-Universum herzustellen.
Kein Wunder, daß viele Menschen die sich noch an Clarke erinnern konnten, den Linearraum auch »Clarke-Universum« nannten.
Marshall und Sengu hielten sich fünf Minuten im Linearraum auf dann fiel das Schiff zurück ins Einstein- Universum.
Mit gespannter Aufmerksamkeit sahen die beiden Männer auf die Bildschirme, um sich davon zu überzeugen, daß sie ihren Verfolgern entkommen waren. Sie wurden nicht enttäuscht.
»Sie haben uns verloren«, stellte Marshall fest. »Dort steht Jellicos Stern – ziemlich weit entfernt. Vorerst sind wir hier sicher. Ich hätte nur gern Bully eine Nachricht übermittelt, damit er sich keine unnötigen Sorgen macht.«
»Wir können es ja versuchen.«
Im Empfänger waren noch immer Störungen, aber sie waren nicht mehr so stark wie innerhalb des Systems. Fraglich blieb nur, ob trotzdem ein Funkspruch durchkam. Vielleicht dann, wenn man mit Richtstrahl sendete und alle verfügbare Energie zu Hilfe nahm. Der HÜ-Schirm konnte für die Dauer des Funkverkehrs abgeschaltet werden. Hier war das kein großes Risiko.
Während Sengu sich um den neuen Kurs kümmerte, bereitete Marshall den Hyperfunkspruch vor und schaltete dann auf Senden. Er meldete sich und rief die Freyt . Er gab verschlüsselt den ungefähren Standort durch, meldete die Vernichtung des Kristalls von Jelly-City und bat um neue Anweisungen. Er wiederholte den Spruch dreimal und schaltete um auf Empfang.
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