»Aber warum? Ich sehe leider den Zusammenhang nicht.«
Eine sanfte Stimme unterbrach das Gespräch.
»General, hätten Sie vielleicht Lust auf ein Stückchen Frucht? Ich habe ein paar Orangen mitgebracht.«
»Mutter, bitte!« sagte Cremona. »Später! General, die Sache ist ganz einfach. Gegenwärtig ist Pluto etwa vier Milliarden
Meilen von uns entfernt. Die Radiowellen brauchen sechs Stunden, um uns in Lichtgeschwindigkeit zu erreichen. Wenn wir etwas fragen, müssen wir zwölf Stunden auf die Antwort warten. Wenn sie etwas sagen, und wir verstehen es nicht und fragen: >Wie bitte?< und sie wiederholen, was sie gesagt haben - dann ist ein ganzer Tag verloren!«
»Kann man die Sache nicht beschleunigen?« fragte der General.
»Natürlich nicht. Das ist ein Grundgesetz der Kommunikation. Keine Information kann schneller als in Lichtgeschwindigkeit übertragen werden. Es würde Monate dauern, um dieselbe Konversation mit Pluto zu führen, die wir beide jetzt in wenigen Stunden abwickeln können.«
»Ja, ich verstehe. Und Sie glauben wirklich, daß extraterrestrische Wesen in die Angelegenheit verwickelt sind?«
»Ich glaube es. Um ehrlich zu sein, nicht jeder in diesem Gebäude ist einer Meinung mit mir. Trotzdem setzt jeder seine ganze Kraft und Fähigkeit ein, um eine Methode von konzentrierter Kommunikation zu entwickeln. Wir müssen so viele Sekunden wie nur möglich herausschlagen und beten, daß uns das Vorhaben gelingt, bevor wir den Kontakt verlieren. Und darum brauche ich Multivac und Ihre Männer. Es muß eine Kommunikations-Strategie erstellt werden, die die Anzahl der Signale, die wir aussenden, reduziert. Sogar eine Reduzierung von zehn Prozent kann bedeuten, daß wir eine Woche einsparen.«
Wieder mischte sich eine sanfte Stimme ein.
»Großer Gott, Gerard, was redest du denn da so lange herum?«
»Mutter! Bitte!«
»Aber du faßt die Sache ganz verkehrt an, wirklich.«
»Mutter!« Seine Stimme schwang am Rand der Hysterie.
»Hör mal, wenn du irgend etwas sagst und dann zwölf Stunden auf die Antwort wartest, bist du wirklich dumm. Das soll-test du nicht tun.«
»Cremona, haben Sie im Ernst vor, Ihre Mutter zu Rate zu ziehen?« schnarrte der General.
»Einen Augenblick, General«, sagte Cremona. »Worauf willst du hinaus, Mutter?«
»Während du auf die Antwort wartest«, sagte Mrs. Cremona ernst, »kannst du weiterhin Signale aussenden und ihnen sagen, sie sollen dasselbe tun. Du redest die ganze Zeit, und sie reden auch die ganze Zeit. Irgend jemand hört ihnen die ganze Zeit zu, und sie haben auch einen, der dir die ganze Zeit zuhört. Wenn einer etwas sagt, das eine Antwort erfordert, so kann man sie einbauen. Aber da ist eine Chance, daß man alles erfährt, was man wissen will, ohne fragen zu müssen.«
Die beiden Männer starrten sie an.
»Natürlich«, flüsterte Cremona. »Kontinuierliche Konversation. Eine Phase von zwölf Stunden, das ist alles. Großer Gott, wir müssen uns beeilen!«
Mit großen Schritten eilte er aus dem Zimmer und zerrte den General hinter sich her. Dann kam er noch einmal zurück.
»Mutter, entschuldige mich, bitte. Ich glaube, das wird jetzt ein paar Stunden dauern. Ich schicke dir ein paar Mädchen herein, damit du dich unterhalten kannst. Oder halt ein kleines Schläfchen, wenn du magst.«
»Schon gut, Gerard«, sagte Mrs. Cremona.
»Nur noch eins, Mutter . Wie bist du denn darauf gekommen?«
»Aber Gerard, das wissen doch alle Frauen. Wenn zwei Frauen sich per Visiphon oder Stratofunk unterhalten oder ganz einfach von Angesicht zu Angesicht, so wissen sie, daß das ganze Geheimnis, wie man Neuigkeiten möglichst rasch verbreiten kann, egal, worum es sich handelt, darin besteht, daß man ganz einfach ununterbrochen redet.«
Cremona versuchte zu lächeln. Seine Unterlippe zitterte. Dann wandte er sich um und ging.
Augen, die nicht nur sehen
Ich habe einen Grundsatz, den ich bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit lautstark von mir gebe. Dieser Grundsatz besagt, daß ich niemals etwas schreibe, wenn ich nicht darum gebeten werde. Das klingt schrecklich hochmütig, aber es ist auch geschwindelt. In Wirklichkeit nehme ich als ziemlich sicher an, daß die verschiedenen Science-FictionMagazine und einige meiner Buchverleger ständig Material brauchen, und so schreibe ich ganz frei für sie.
1964 wurde ich endlich von Playboy ersucht, etwas für ihn zu schreiben. Sie schickten mir eine undeutliche Photographie einer Tonplastik, die einen Kopf ohne Ohren darstellte. Die Gesichtszüge waren durch Blockbuchstaben gekennzeichnet. Sie fragten mich, ob ich eine Erzählung schreiben könnte, die auf diesem Photo basiere. Zwei andere Autoren sollten ebenfalls Geschichten schreiben, denen dasselbe Photo zugrunde läge, und alle drei würden veröffentlicht werden.
Es war eine interessante Aufgabe und sie reizte mich. Ich schrieb: »Augen, die nicht nur sehen.«
Für den Fall, daß ich in der vorliegenden Sammlung vielleicht den Eindruck erweckt haben sollte, daß meine schriftstellerische Karriere seit »Und Finsternis wird kommen ...« eine nie abreißende Kette von Erfolgen gewesen sei; daß ich alles, was ich schreibe, auch bestens verkaufe; daß ich einen Mißerfolg einfach nicht anerkennen würde, wenn ihn mir ein Kollege unter die Nase hielte - beruhigen Sie sich, dem ist nicht so.
»Augen, die nicht nur sehen« wurde mit entschiedenem Nachdruck abgelehnt. Das Manuskript flog in Windeseile von Chicago durch mein Fenster, knallte auf den Boden und blieb dort zitternd liegen (zumindest schien mir das so.)
Die beiden anderen Erzählungen wurden von Playboy angenommen und eine dritte Geschichte, in aller Eile von irgendei-nem Autor verfaßt, ebenso.
Glücklicherweise bin ich, was meinen Beruf betrifft, beneidenswert unerschütterlich. Ich bezweifle, ob irgend jemand erraten hätte, daß ich mich womöglich ärgerte. Ich hatte nur einen ganz kurzen Wutanfall.
Ich verhandelte mit Playboy und machte den Leuten klar, daß die Erzählung mir gehörte und daß ich damit machen konnte, was ich wollte, obwohl sie auf ihrem Photo basierte. Ich siegte.
Als nächstes sandte ich die Erzählung an F & SF und erklärte ihnen, daß es sich hierbei um eine anderweitig abgelehnte Erzählung handele. Ebenso erklärte ich, unter welchen Umständen sie entstanden war. Sie nahmen die Geschichte an.
Nach hundert Milliarden Jahren dachte er plötzlich, daß er Ames war. Nicht die Kombination von Wellenlängen, die durch das Universum strömte, war das Äquivalent von Ames -nein, es war der Klang selbst. Eine schwache Erinnerung kam mit den Schallwellen zurück, die er nicht mehr hörte und nicht mehr hören konnte.
Das neue Projekt schärfte seine Erinnerung für viele alte, äonenalte Dinge. Er dämpfte den Energiestrudel, der die Ganzheit seiner Individualität war, und die Kräfte reichten bis jenseits der Sterne.
Brocks Antwortsignal kam.
Sicher, dachte Ames, sicher konnte er es Brock sagen. Er mußte es irgend jemandem sagen.
Brocks Energiewellen fluteten heran.
»Kommst du, Ames?«
»Natürlich.«
»Willst du an dem Wettbewerb teilnehmen.«
»Ja!« Ames' Kräftestrahlen pulsierten regellos. »Ganz gewiß. Ich habe eine Idee über eine ganz neue Kunstform. Etwas wirklich Ungewöhnliches.«
»Was für eine sinnlose Kraftverschwendung! Wie kannst du glauben, daß eine neue Kunstvariation erdacht werden kann, nach hundert Milliarden Jahren? Es kann nichts Neues geben.«
Brock glitt aus der Phase und somit aus der Kommunikation und Ames mußte sich beeilen, um seine Kräftewellen auf ihn einzustellen. Während er das tat, fing er das Treiben von anderen Gedanken ein, die Vision vom Staub der Galaxien im samtigen Nichts, die Kraftlinien, die sich in die unendlichen Vielheiten von Energieleben ergossen und durch die Galaxien reisten.
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