„Viel schlauer ist“, beendete O’Mara mürrisch den Satz. „Fast so schlau wie ein sehr weit zurückgebliebener Hund. Mir macht es nichts aus zuzugeben, daß ich eine Zeitlang schon geglaubt hab, unser vergeblicher Versuch zu kommunizieren könnte von meiner mangelnden beruflichen Kompetenz herrühren. Aber jetzt ist klar, daß Sie nur unsere Zeit vergeudet haben, indem Sie uns dazu veranlaßt haben, drambonische Tiere anspruchsvollen Tests zu unterziehen.“ „Aber dieser SRJH hat mein Leben gerettet“, wandte Conway ein.
„Ein hochspezialisiertes, aber nichtintelligentes Tier“, entgegnete O’Mara in energischem Ton. „Es beschützt und heilt Freunde und tötet Feinde, aber es denkt nicht darüber nach. Und was das neue Exemplar angeht, das Sie mitgebracht haben, so hat es, als wir es dem gedankengesteuerten Werkzeug ausgesetzt haben, zwar Kenntnis davon genommen und eine gewisse Vorsicht ausgestrahlt — ähnlich unserer emotionalen Ausstrahlung, wenn wir dicht an einer unabgeschirmten Stromleitung stehen —, aber laut Prilicla nicht an das Gerät gedacht oder gar darüber nachgedacht.
Also, es tut mir leid, Conway“, schloß er, „wir suchen immer noch nach der Spezies, die für die Herstellung dieser Werkzeuge verantwortlich ist, und nach Hilfe intelligenter einheimischer Ärzte für Ihr spezielles Problem.“
Conway sagte lange Zeit nichts und starrte auf die beiden SRJHs auf dem Boden in O’Maras Büro. Es schien völlig unmöglich zu sein, daß ein Tier, das für die Rettung seines Lebens verantwortlich war, so etwas ohne Gedanken oder Gefühle getan haben sollte. Der SRJH war also lediglich ein Spezialist wie die anderen spezialisierten Tiere und Pflanzen, die im Innern der großen Schichtkreatur lebten, und verrichtete die Arbeit, zu der er sich entwickelt hatte. Die chemischen Reaktionen im Innern der Schichtkreaturen liefen so langsam ab — die Stoffe waren für schnellere Reaktionen zu stark verdünnt, weil das Blut dieser Wesen wahrscheinlich nur wenig mehr als etwas unreines Wasser darstellte —, daß spezialisierte pflanzliche und tierische Symbionten die für die Muskelaktivität und das Gleichgewicht der inneren Sekretion notwendigen Sekrete erzeugten und große Bereiche des Gewebes mit Nahrung versorgten und von Abfallstoffen befreiten. Andere spezialisierte Symbionten steuerten den Atmungszyklus und sorgten auf der Oberfläche für eine Art Sehvermögen.
„Unser Freund Conway hat eine Theorie“, stellte Prilicla fest.
„Ja“, bestätigte Conway. „Aber ich würde sie gerne überprüfen, indem wir den toten SRJH nach oben holen. Thornnastor hat mit ihm bisher noch nichts Drastisches angestellt, und wenn dem SRJH irgend etwas passieren sollte, können wir leicht einen neuen besorgen. Ich würde die beiden lebenden SRJHs gerne mit einem toten Kollegen konfrontieren.
Prilicla sagt, sie würden zu keinem einzigen Anlaß irgendwelche starke Emotionen ausstrahlen“, fügte er hinzu. „Sie vermehren sich durch Zellteilung, also können zwischen ihnen keine sexuellen Gefühle bestehen. Aber wenn sie einen Toten ihrer eigenen Spezies sehen, sollte das doch irgendeine Reaktion bei ihnen hervorrufen.“
O’Mara starrte Conway scharf an und sagte dann: „Der Art und Weise wie Prilicla zittert und dem selbstgefälligen Blick in Ihrem Gesicht entnehme ich, daß Sie glauben, Sie haben die Lösung gefunden. Aber was soll denn passieren? Werden die beiden ihren Kollegen heilen und wiederbeleben? Na, ist ja auch egal. Ich halte mich zurück und werde Ihnen Ihren großen Aufritt nicht verderben.“
Als der tote SRJH eintraf, schob ihn Conway schnell von der Trage auf den Boden des Büros und winkte O’Mara und Prilicla zurück. Die beiden lebendigen SRJHs bewegten sich bereits entschlossen auf den Kadaver zu. Sie berührten ihn, kreisten über und um ihn herum und waren ungefähr zehn Minuten lang sehr beschäftigt. Als sie fertig waren, war nichts mehr übrig.
„Keine spürbare Veränderung der emotionalen Strahlung, keine Anzeichen von Trauer“, berichtete Prilicla. Er zitterte, doch wahrscheinlich waren seine eigenen Überraschungsgefühle dafür verantwortlich.
„Sie sehen nicht überrascht aus, Conway“, sagte O’Mara mit vorwurfsvollem Unterton in der Stimme.
Conway grinste und antwortete: „Nein, Sir. Ich bin zwar immer noch enttäuscht, keinen Kontakt mit einem drambonischen Arzt hergestellt zu haben, aber diese Tiere hier sind immerhin ein sehr guter Ersatz. Sie töten die Feinde der Schichttiere, heilen und beschützen deren Freunde und räumen den Abfall auf Läßt Sie das nicht an etwas Bestimmtes denken? Diese Wesen sind natürlich keine Ärzte, sondern lediglich eine Art Leukozyten. Aber es muß Millionen von ihnen geben, und sie sind alle auf unserer Seite.“
„Freut mich, daß Sie zufrieden sind, Doktor“, sagte der Chefpsychologe gelangweilt und blickte demonstrativ auf seine Uhr.
„Ich bin aber gar nicht zufrieden“, entgegnete Conway. „Ich brauche immer noch einen leitenden Pathologen, der die Ausbildung und die Fähigkeit hat, die Möglichkeiten des Hospitals wirklich zu nutzen; einen ganz bestimmten Pathologen. Ich muß unbedingt eine enge Verbindung aufrechterhalten, und zwar mit.“
„Die am engsten mögliche Verbindung überhaupt“, unterbrach ihn O’Mara, der plötzlich grinste. „Ich verstehe vollkommen, Doktor, und ich werde Thornnastor eindringlich darum bitten, sobald Sie die Tür hinter sich geschlossen haben.“
Großoperation Auf dem gesamten seltsamen und wunderbaren Planeten gab es nur siebenunddreißig Patienten, die einer Behandlung bedurften, sich jedoch sowohl von der Größe als auch von der Schwere der Erkrankung stark unterschieden. Natürlich behandelte man den Patienten als ersten, der am schwersten erkrankt war, obwohl er gleichzeitig auch der größte war; und zwar so groß, daß es mit der suborbitalen Geschwindigkeit des Aufklärungsschiffs von mehr als zehntausend Stundenkilometern etwas über neun Minuten dauerte, um vom einen Ende des Patienten zum anderen zu fliegen.
„Das ist ein riesiges Problem“, sagte Conway ernst. „Und nicht einmal die Höhe läßt es kleiner erscheinen — und der Mangel an Fachpersonal verschlimmert alles nur.“
Die Pathologin Murchison, die mit ihm die kleine Beobachtungskuppel teilte, klang kühl und ein wenig in der Defensive, als sie entgegnete: „Ich hab mich zwar schon lange vor meiner Ankunft vor zwei Monaten immer wieder mit dem gesamten Material über diesen Planeten eingehend befaßt, allerdings teile ich deine Meinung, daß einem das Problem zum erstenmal richtig vor Augen gehalten wird, wenn man das alles hier so sieht wie jetzt. Und was den Mangel an Fachkräften angeht, Doktor, mußt du dir eben darüber im klaren sein, daß du wegen eines einzigen Patienten nicht das gesamte Personal und sämtliche technische Möglichkeiten des Orbit Hospitals anfordern kannst, selbst wenn er die Größe eines Subkontinents hat. Schließlich gibt es im Hospital Tausende von kleineren und einfacher zu heilenden Patienten, die die gleichen Ansprüche an uns stellen.
Und falls du mir immer noch unterstellst, ich hätte mir persönlich Zeit gelassen hierherzukommen“, fügte sie etwas wütend hinzu, „ist das ein gewaltiger Irrtum. Ich hab mich sofort auf den Weg gemacht, als mein Chef endlich zu dem Schluß gekommen ist, daß du mich wirklich brauchst, und zwar als Pathologin.“
„Ich hab Thornnastor sechs Monate lang erklärt, daß ich hier eine Spitzenpathologin brauche“, erwiderte Conway besänftigend. Murchison sah herrlich aus, wenn sie wütend war, doch sogar noch besser, wenn sie es nicht war. „Ich dachte, im Hospital wüßten alle, warum ich dich wollte. Das ist nämlich auch ein Grund, weshalb wir hier zusammen in dieser engen Beobachtungskuppel hocken und auf etwas blicken, das wir beide schon oft von Band gesehen haben, und die Lage diskutieren, anstatt uns berufswidrig zu verhalten und uns ein wenig zu.“
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