„Wenn sie so enttäuscht waren, so geht daraus hervor, daß sie wahrscheinlich schon sehr lange suchen, und außerdem, daß sie wohl bereits mit denkenden Wesen zusammengetroffen sind…“
„… und diese waren von der üblichen, nämlich von unserer Art, Wesen mit Sauerstoffatmosphäre!“ fiel Afra ein.
„Aber es kann ja auch noch andere Arten von Atmosphären geben“, entgegnete Tei Eron, „zum Beispiel Atmosphären, deren Hauptbestandteil Chlor oder Schwefel oder auch Schwefelwasserstoff ist.“
„Solche sind für höher entwickeltes Leben nicht geeignet!“ rief Afra aus. „Sie alle ergeben bei der Stoffumsetzung drei-, vieroder sogar zehnmal weniger Energie als unser Sauerstoff.“
„Ich glaube, Afra hat recht!“ mischte sich der Kommandant ein. „Außerdem sind solche Chloroder Schwefelatmosphären wenig wahrscheinlich, weil diese Elemente sicher noch seltener als Fluor sind. Das ist nicht rein zufällig so!“
„Ja, bestimmt nicht zufällig!“ stimmte Jaß Tin bei. „Aber dennoch gibt es genug Zufälligkeiten im unendlichen Kosmos. Nehmen wir zum Beispiel unsere Erde an, die doch für uns die Norm ist. Sowohl auf ihr als auch auf ihren Nachbarn, dem Mond, dem Mars, der Venus, gibt es viel Aluminium, obwohl das im allgemeinen ein im Weltall recht seltenes Element ist!“
„Und nichtsdestoweniger kann die Aufgabe, eine Wiederholung eines solchen Zufalls ausfindig zu machen, eine Sache von Zehn-, wenn nicht sogar von Hunderttausenden von Jahren sein!“ sagte Mut Ang düster. „Und das sogar bei Benutzung von Pulsationsraumschiffen! Wie sehr kann man ihnen da ihre Enttäuschung nachfühlen, falls sie schon lange unterwegs sein sollten!“
„Welch ein Glück aber ist es für uns, daß unsere Atmosphäre aus den am häufigsten im All vertretenen Elementen aufgebaut ist und wir deshalb auf ein Zusammentreffen mit Vertretern eines dem unsrigen ähnlichen Planeten berechtigt hoffen dürfen!“ sagte Afra.
„Vorläufig sind wir erst einmal mit Bewohnern eines Planeten zusammengetroffen, der unserer Erde leider alles andere als ähnlich ist!“ meinte Tei trocken.
Afra errötete und schickte sich eben zu einer Erwiderung an, als der Chemiker erschien und berichtete, daß die durchsichtige Schutzwand fertig sei.
„Können wir denn einfach in unserer kosmischen Tracht in ihr Raumschiff gehen?“ erkundigte sich Jaß Tin.
„Wahrscheinlich ebensowenig, wie sie in ihrer Kleidung in das unsrige kommen können. Aber es handelt sich ja jetzt gar nicht darum, sich gegenseitig Besuche zu machen. Wir werden die Bekanntschaft zunächst damit eröffnen, daß wir uns ihnen vorstellen“, antwortete der Kommandant.
Die Raumfahrer befestigten die durchsichtige Wand am Ende des Verbindungskanals, und die weißen Gestalten der Fremden begannen mit der gleichen Arbeit in ihrem Hohlgang. Dann fand die erste Begegnung von Erdbewohnern mit fremden Wesen im kosmischen Räume statt, wobei sie sich gegenseitig halfen, die Verbindungsseile und — streben im Zwischenraum anzubringen. Ein leichtes Streichen über den Ärmel oder die Schulter des Schutzanzuges wurde hüben wie drüben als eine Geste der Sympathie und der Freundschaft verstanden und erwidert.
Mit den stachligen Ansätzen der Kopfmuscheln wie mit Hörnern drohend, versuchten die Fremden hin und wieder, die Gesichter der Erdmenschen durch die rauchfarbenen Helme hindurch zu erspähen. Die Köpfe der Erdbewohner waren verhältnismäßig deutlich hinter den Fenstern der Schutzhelme zu sehen, während die schwach gewölbten Schutzschilde der Helme der Fremden für die Augen der Erdmenschen undurchdringlich blieben. Nur ein untrüglicher Instinkt sagte den Erdmenschen, daß sie und jede ihrer Bewegungen aus jener Finsternis heraus mit gespannter, aber auch wohlwollender Aufmerksamkeit verfolgt würden.
Die Einladung, die „Tellur“ zu betreten, erwiderten die weißen Gestalten mit entschiedenen Gesten der Ablehnung. Einer von ihnen berührte seinen Schutzanzug und machte dann eine hastige Bewegung, als nähme er etwas vom Material des Anzuges weg und schleuderte es fort.
„Sie befürchten, ihre Schutzanzüge könnten in unserer Sauerstoffluft gefährdet sein“, deutete Tei die Gebärde.
„Sie wollen mit der Begegnung im Durchgang beginnen“, sagte der Kommandant.
Beide Weltraumschiffe, das fremde und das irdische, bildeten jetzt ein Ganzes, das in der Unendlichkeit des Kosmos schwebte. Die „Tellur“ hatte eine Spezialheizung eingeschaltet. So war es ihrer Besatzung möglich, sich in ihrer gewohnten Arbeitskleidung, den dicht anliegenden blauen Kombinationen aus Kunstwolle, in den röhrenförmigen Verbindungsgang zu begeben.
Auf der anderen Seite des Durchganges flammte eine bläulichweiße Beleuchtung auf, deren Farbton dem Licht ähnelte, das auf hohen Bergesgipfeln der Erde herrscht. Die beiden verschiedenartigen Beleuchtungen ließen die an ihrer Übergangsstelle befindlichen durchsichtigen Zwischenwände in einem aquamarinen Licht erscheinen.
Die geheimnisvolle Stille, die in dem Durchgang herrschte, wurde nur durch das beschleunigte Atmen der stark erregten Erdmenschen unterbrochen. Tei berührte unabsichtlich mit seinen Ellenbogen Afras Schulter, und er fühlte, wie sie am ganzen Körper bebte. Beruhigend legte er der Biologin die Hand auf den Unterarm, und Afra dankte ihm mit einem raschen Blick.
Im Hintergrund des Verbindungsganges tauchte eine Gruppe von acht Fremden auf. Aber waren das wirklich „Fremde“? Die Menschen trauten ihren Augen nicht. Jeder von ihnen hatte im tiefsten Innern etwas Unerhörtes, nie Dagewesenes zu sehen erwartet. Die große Ähnlichkeit der Fremden mit den Erdmenschen kam ihnen deshalb wie ein Wunder vor.
Das bläuliche Licht verschwand, man hatte auch auf der anderen Seite des Ganges eine Beleuchtung eingeschaltet, wie sie auf der Seite der „Tellur“ brannte. Die durchsichtigen Zwischenwände verloren ihren bläulichgrünlichen Schimmer und wurden farblos, sie waren fast nicht mehr zu sehen. Hinter der unauffälligen Trennwand standen Menschen. Man konnte es einfach nicht glauben, daß sie ein Giftgas — nach den auf der Erde geltenden Begriffen — zum Atmen brauchten und sich in Meeren des alles verzehrenden Fluorwasserstoffs badeten! Die Größe der Fremden entsprach in allen Proportionen etwa einem mittelgroßen Erdbewohner. Ihre Hautfarbe war eigenartig grau, im Farbton von Gußeisen, mit etwas silbriger Schattierung und einem versteckten blutroten Abglanz, wie er bei poliertem Roteisenstein aufzutreten pflegt.
Auf den rundlichen Köpfen trugen sie dichtes blauschwarzes Haar. Besonders auffällig in ihrem Gesicht waren die Augen. Sie waren unwahrscheinlich groß und länglich, nahmen die ganze Breite des Gesichts ein und zogen sich mit ihren äußeren Winkeln bis zu den Schläfen hin. Der Augapfel war nicht weiß wie bei den Erdmenschen, sondern von satter türkisblauer Farbe. Er erschien im Vergleich zu der dunklen Iris und der Pupille unverhältnismäßig langgezogen.
Den Ausmaßen und der Lage der Augen entsprachen die geraden, stark ausgeprägten dunklen Augenbrauen. Sie trafen oben an den Schläfen mit dem Kopfhaar zusammen und reichten fast bis zu der schmalen Nasenwurzel, mit der sie einen, stumpfen Winkel bildeten. Da das Haar vom Scheitel aus nach beiden Seiten in einer ebenso geraden und deutlich hervortretenden Linie, und zwar vollkommen symmetrisch zu den Augenbrauen, verlief, hatte der sichtbare Teil der Stirn die Gestalt eines gestreckten horizontalen Rhombus. Die Nase war kurz und wenig vorspringend und hatte, wie bei den Erdbewohnern, nach unten gehende Nasenlöcher. Der kleine Mund mit den violetten Lippen ließ eine fehlerlose Zahnreihe von derselben reinen himmelblauen Farbe erkennen, wie sie die Augenhaut hatte. Die obere Gesichtshälfte erschien gegenüber der Gesichtsgestaltung bei den Erdmenschen wesentlich verbreitert. Unterhalb der Augen zum Kinn hin wurde das Gesicht jedoch erheblich schmaler und trug dort beinahe eckige Züge.
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