„Ich glaube, das ist ein sehr konstruierter Vergleich, um es gelinde auszudrücken. Der Esket können praktisch unendlich viele Dinge zugestoßen sein, ohne daß sie auf intelligentes Leben traf. Das weißt du so gut wie ich; du hast mir bei der Auflistung der Möglichkeiten geholfen, bis wir zu dem Schluß kamen, daß solche Spekulationen sinnlos seien. Ich bin der Meinung, daß Barlennans Theorie nur um sehr wenig wahrscheinlicher geworden ist als zuvor.“
„Du glaubst noch immer, daß meine Identifizierung von Kabremm ein Irrtum war, oder?“ fragte Easy.
„Ja, das fürchte ich. Außerdem überzeugt mich der Gedanke, daß auf Dhrawn eine intelligente Rasse existieren soll, einfach nicht. Es gibt Dinge, die schlichtweg unwahrscheinlich sind.“
Hoffman kicherte. „Die menschliche Fähigkeit, Wahrscheinlichkeiten einzuschätzen, stand schon immer auf schwachen Füßen“, führte er aus. „Die Chance dürfte nicht so niedrig zu bewerten sein.
Denke daran, was wir an intelligentem Leben in dem sehr kleinen Raumvolumen innerhalb von fünf Parsek um Sol gefunden haben, mit nur vierundsiebzig bekannten Sternen und etwa zweihundert sonnenlosen Planeten: zwanzig Rassen auf ungefähr unserer Entwicklungsstufe, die ihre Energiekrise sicher überwunden haben; acht Rassen, einschließlich die Bewohner von Tenebra und Mesklin, denen sie noch bevorsteht; acht, die sie nicht zu überstehen vermochten und ausgestorben sind; drei, die ebenfalls versagt haben, aber für die es noch Hoffnung gibt; und jede davon, erinnere dich, existiert innerhalb eines historischen Zeitraums von einhunderttausend Jahren um diesen entscheidenden Zeitpunkt ihrer Geschichte! Und das trotz der Tatsache, daß die Planeten von sehr unterschiedlichem Alter sind; ich erwähne nur Panesh mit seinen neun Milliarden Jahren und Tenebra mit vielleicht einem Zehntel dieses Alters. Dahinter steckt mehr als Zufall, Alan.“
„Womöglich besaßen Panesh, die Erde und die älteren Planeten in ihrer Vergangenheit bereits Kulturen; vielleicht entwickelt jeder Planet alle zehn Millionen Jahre eine Kultur.“
„Dann müßten diese frühen intelligenten Rassen von Anfang an so intelligent gewesen sein, daß sie auf ihren Planeten absichtlich keine Fossilien hinterließen. Meinst du, die Existenz der Menschheit auf der Erde wird in einer Milliarde Jahre nicht mehr geologisch nachweisbar sein trotz ausgebeuteter Kohleflöze und zahlloser Bierbüchsen? Das kaufe ich dir nicht ab, Alan.“
„Vielleicht nicht, aber ich bin keineswegs Mystiker genug, um anzunehmen, daß irgendwelche Superwesen die Rassen in diesem Teil des Weltraums unbemerkt und auf geheimnisvolle Weise einer gemeinsamen Höchststufe zuführen.“
„Ob du der Superwesenhypothese anhängst oder ob du die Esfa-Theorie vorziehst, spielt keine Rolle. In dieser Problematik haben wir es mit mehr als nur Wahrscheinlichkeiten zu tun, und deshalb kannst du deine Kritik an Barlennan nicht ausschließlich auf die Gesetze der Wahrscheinlichkeit stützen. Du mußt nicht glauben, daß er recht hat, aber ich würde dringend dazu raten, ihn ernst zu nehmen. Ich tue es.“
Diese Diskussion, wie schon die vor einigen Stunden stattgefundene Besprechung, hätten Dondragmer außerordentlich interessiert. Doch selbst wenn das Zuhören ihm möglich gewesen wäre, er war bei weitem zu beschäftigt. Mit der Rückkehr des Großteils seiner Mannschaft (einige waren natürlich auf der höher gelegenen Talseite zurückgeblieben, um die Versorgungsanlagen zu betreuen), mußte er umgehend die weiteren Arbeiten verteilen und anleiten und häufig persönlich zugreifen. Er kommandierte zwanzig Matrosen ab, um dem Trio zu helfen, das bereits dabei war, die Hauptluftschleuse vom Eis zu befreien. Eine noch größere Gruppe schickte er unter den Rumpf, versehen mit Lampen und Werkzeugen, um jede zugängliche Energieeinheit sicherzustellen. Der Captain hielt sein Benj gegenüber abgegebenes Versprechen und befahl dieser Gruppe, sehr genau nach Spuren von Beetchermarlf und Takoorch zu suchen. Sie fanden jedoch nichts. Einige Zeit später kehrten sie mit zwei Konvertern, bei denen es sich um jene handelte, die die beiden Steuerleute bei ihren Befreiungsversuchen benutzt hatten, und zwei weiteren, die durch den Erhitzer freigelegt worden waren, an die Oberfläche zurück. Die übrigen Einheiten, so berichteten sie, seien nicht zugänglich.
Unterdessen hatte sich der Rest der Besatzung wieder im Innern des Fahrzeugs eingefunden, indem man die anderen verfügbaren Schleusen benutzte: die kleinen an der Brücke, die beiden größeren, durch die gewöhnlich die Helikopter starteten und die beiden kleinen Notschleusen an Bug und Heck.
An Bord bekam jeder sofort zu tun. Dondragmer hatte in ihrer Abwesenheit nicht nur mit den Menschen gesprochen, sondern auch Einzelheiten geplant. Einige verpackten die Nahrungsvorräte, während andere Tauwerk, Lampen, Fusionskonverter und andere Ausrüstungsgegenstände zum Abtransport vorbereiteten. In den Korridoren, die zur Hauptluftschleuse führten, stapelte sich schnell sehr viel verschiedenartiges Material, um nach Freilegung der Schleuse nach draußen geschafft zu werden.
Von dem Gerumpel und Gelärme, das mit dieser Tätigkeit verbunden war, drang unglücklicherweise nichts durch das Material der pneumatischen Matratze, in der Beetchermarlf und Takoorch noch immer steckten. Soweit es sich später schätzen ließ, mußten die beiden sich wenige Minuten vor dem Einsatz des Erhitzers in ihren Schutz begeben haben. Das dicke, gummiartige Material der Matratze sog jedes Geräusch auf. Hätten die auf der Oberfläche arbeitenden Meskliniten Anlaß gehabt, sich lautstark zu verständigen, ihre Pfiffe wären vielleicht durch die Hülle gedrungen; aber es gab kaum etwas zu sagen, weil alle ihre Arbeit nur zu gut kannten. Die Elastizität des Materials verschloß den Schlitz, durch den die Steuerleute eingedrungen waren, so dicht, daß kein Lichtschimmer sie erreichte. Überdies hielt die Stimmung der beiden, eine typisch mesklinitische Mischung aus Geduld und Fatalismus, sie davon zurück, sich von der Lage außerhalb ihres provisorischen Schutzraums zu überzeugen, bevor die Wasserstoffvorräte ihrer Anzüge gefährlich zusammengeschrumpft sein würden. Und so, hätte Dondragmer auch Benjs Appell vernommen, es würde für ihn keinen Anlaß für irgendwelche Signale gegeben haben. Die beiden Steuerleute, kaum mehr als sechzig Zentimeter von einigen ihrer draußen tätigen Kameraden entfernt, wurden nicht gefunden.
Nachdem die dringendsten Arbeiten der Fahrzeugräumung erledigt waren, erteilte Dondragmer zweien seiner Matrosen einen Sonderauftrag. „Ihr geht stromaufwärts und bleibt in nordwestlicher Richtung, bis ihr Kabremm und die Gwelf findet“, befahl er. „Informiert ihn über unsere Maßnahmen. Wir werden unsere Beleuchtungsanlagen so aufstellen, daß sich nur die Apparaturen menschlicher Herkunft im Licht befinden. Das wird es ihm ermöglichen, die Gwelf außerhalb dieses Areals zu landen, ohne von den Menschen gesehen zu werden. Erklärt ihm, daß der Commander anscheinend den Trick mit den Eingeborenen früher als beabsichtigt ausspielen will, infolge Kabremms Auftauchen vorder Kamera von Stakendees Kommunikator. Anschließend sucht ihr Stakendee und setzt ihn ebenfalls in Kenntnis. Ac htet darauf, daß ihr nicht in den Kamerabereich eines Kommunikators geratet; sobald ihr euch seiner Gruppe zu nähern glaubt, schaltet eure Lampen aus. Ich werde über den Satelliten mit ihm Verbindung halten, aber natürlich kann ich diese Nachricht nicht durchgeben lassen. Ihr versteht.“
„Jawohl, Captain“, antworteten die beiden zugleich und entfernten sich.
Die Stunden verstrichen. Die Hauptschleuse war freigelegt und geöffnet, und man hatte fast das gesamte Material nach draußen geschafft, als ein Anruf vom Satelliten erfolgte. Der Kommunikator aus dem Laboratorium stand nun an der Oberfläche, so daß Dondragmer direkt erreicht werden konnte. Der Anrufer war Benj.
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