Kommt es noch einmal zu einer solchen Strömung wie jener, die uns an diese Stelle getrieben hat, während die Kwembly im Gestein festhängt, dürfte sie wohl in Stücke zerbrechen. Wir müssen das Fahrzeug rechtzeitig verlassen. Sobald der Notstützpunkt steht, werde ich weiterhin versuchen, die Kwembly freizulegen, vorausgesetzt, die neue Flutwelle ist noch nicht unterwegs; über Einzelheiten können wir uns noch einigen, aber um neue Pläne zu entwickeln, haben wir nicht mehr die Zeit. Im Norden sehe ich sich bewegende Lichter; ich nehme an, daß die Besatzung den Rückweg angetreten hat. Ich werde den Kommunikator in diese Richtung rücken, so daß du sie sehen kannst.“
Das Bild auf dem Schirm verschwamm und wurde erst wieder deutlich, nachdem der Captain die Kommunikatoreinheit zum Stillstand gebracht hatte. Der Ausblick war nicht sonderlich aufschlußreich; nördlich der Kwembly herrschte fast völlige Dunkelheit, in der man lediglich einige Lichtflecken sah. Um Dondragmers Behauptung, daß sie sich bewegten, beipflichten zu können, bedurfte es langer und sorgfältiger Beobachtung.
Easy wollte schon verlangen, daß die Kamera in die ursprüngliche Position gebracht werden solle, als Benj sich einmischte. „Du meinst, du hast jede Hoffnung aufgegeben, Beetchermarlf und Takoorch und die anderen zu finden, und willst das Fahrzeug räumen und sie ihrem Schicksal überlassen? Ich weiß, daß du noch die Verantwortung für fast einhundert andere Besatzungsmitglieder trägst, aber manchmal scheint mir das eine schlechte Entschuldigung dafür zu sein, daß man nicht einmal versucht, jemand zu retten.“
Easy war verblüfft und ziemlich enttäuscht über die Äußerung ihres Sohns und fühlte sich versucht, den Jungen zurechtzuweisen und sich bei Dondragmer zu entschuldigen. Es kostete sie jedoch Zeit, eine richtige Formulierung zu finden, die ihren eigenen Empfindungen nicht widersprach; Benj sah darin eine Bestätigung seines Protests.
Aucoin und Mersereau hatten das Gespräch nicht genau verfolgt, weil beide mit Barlennan beschäftigt waren, und Benj hatte seine Vorwürfe in Stennish vorgetragen. Ib Hoffman wies keine Miene auf, welche die übrigen Anwesenden zu deuten vermocht hätten, doch Easy wären die Anzeichen seiner Erheiterung nicht entgangen, wäre ihr Blick auf ihn gerichtet gewesen. McDevitt trat gerade ein, aber zu spät; er bemerkte nichts anderes als Easys ungewöhnlichen Gesichtsausdruck. Diesmal dauerte es erheblich länger als die übliche Übermittlungsverzögerung, bevor Dondragmer antwortete. Weder aus Tonfall noch Wortwahl konnte man schließen, ob er verärgert war. „Ich habe sie keineswegs aufgegeben, Benj. Die Ausrüstungen, die wir auszulagern beabsichtigen, umfassen auch so viel Krafteinheiten wie möglich, so daß wir auch jene aus den Motorblöcken unter dem Rumpf herausholen, die wir erreichen können. Bei dieser Gelegenheit werden wir sehr sorgfältig nach Spuren der beiden Steuerleute suchen. Falls wir sie finden, werden wir sie aus dem Eis befreien.
Andererseits ist es auch möglich, daß sie das Einsetzen des Gefrierprozesses bemerkten, bevor das Wasser bis auf den Grund gefroren war und an anderer Stelle eingefroren wurden, während sie nach einem Hohlraum im Eis suchten.“
Benj nickte mit leicht gerötetem Gesicht; Easy ersparte es ihm, sich zu entschuldigen. „Danke, Captain“, sagte sie. „Wir verstehen dein Verhalten.
Wir wollten dich nicht ernsthaft verdächtigen, du hättest die Absicht, deine Leute im Stich zu lassen; die Formulierung war etwas unglücklich. Könntest du den Kommunikator wieder auf den erleuchtete n Teil des Geländes richten? Wir können in der anderen Richtung nicht viel erkennen.“
„Außerdem wäre es gut“, ergänzte McDevitt, ohne zwischen Easys und seinen Worten eine Pause eintreten zu lassen, „würdest du eine Krafteinheit opfern, um die Scheinwerfer in Betrieb zu halten und den Brückenkommunikator so ausrichten, daß wir den Rumpf sehen können. Auf diese Weise vermögen wir die Flut zu beobachten, wenn sie kommt, was innerhalb der nächsten drei bis fünfzehn Stunden der Fall sein wird, wie ich nahezu sicher bin, und außerdem ließe sich besser feststellen, ob es sich anschließend noch lohnt, nach dem Fahrzeug zu suchen und vielleicht sogar wo. Ich weiß, daß dir dann bloß noch zwei Kommunikatoren bleiben, aber die Sache scheint es mir wert zu sein.“
In dieser Frage entschied sich Dondragmer anscheinend wieder sehr schnell; seine Antwort traf beinahe unmittelbar nach Ablauf der vierundsechzig Sekunden Verzögerung ein. „Ja, wir werden es so machen. Ich wollte die Scheinwerfer ohnehin in Betrieb lassen, da wir bis zur letzten Minute auf dem Eis zu tun haben werden. Dein Vorschlag paßt ausgezeichnet dazu.
Wie ihr zweifellos seht, habe ich den Kommunikator auf die Steuerbordseite gerichtet.
Ich muß die Brücke nun verlassen; die Besatzung wird in Kürze hier sein, und ich möchte sie sofort für die noch unerledigten Arbeiten einteilen, sobald sie eintrifft.“
Wieder begann Benj zu sprechen, ohne sich zuvor mit jemand abzustimmen. „Könntest du uns irgendein Signal geben oder von Beetch geben lassen, falls ihr ihn lebend findet? Das genügte; ich möchte gar nicht, daß du auf die Brücke kommst, um Einzelheiten zu erzählen.“
Diesmal kam keine Antwort mehr. Vermutlich war Dondragmer in seinen Schutzanzug gestiegen und nach draußen gegangen, nachdem er seine letzte Durchsage gemacht hatte. Für die Menschen gab es nichts zu tun, als zu warten.
Aucoin hatte inzwischen mit Easys Hilfe Dondragmers Antwort an die Basis übermittelt und bereits Barlennans Bestätigung erhalten. Der Commander bat sich aus, daß man ihn möglichst vollständig über alle Neuigkeiten von der Kwembly informierte, ganz besonders über weiterführende Gedanken Dondragmers. Aucoin versprach es und wandte sich mit der Bitte an Easy, dem Captain die Durchsage weiterzugeben. Er erhielt zur Antwort, dies werde geschehe n, sobald Dondragmer wieder mit dem Satelliten Kontakt aufnähme. „In Ordnung“, meinte der Planer mit einem Nicken.
„Wenigstens hat bisher noch niemand davon gesprochen, ein Hilfsfahrzeug auszuschicken.
Hoffentlich bleibt es dabei.“
„Ich persönlich“, erwiderte Easy, „hatte schon daran gedacht, die Kalliff oder die Hoorsh auszuschicken, als die Kwembly festfror.“
„Das habe ich geahnt. Ich bin erfreut, daß du darauf verzichtet hast, Barlennan diesen Vorschlag zu unterbreiten. Meine ganze Hoffnung besteht darin, daß er nicht auf die Idee kommt, es selber vorzuschlagen, weil ich jedes Mal von euch überredet wurde, wenn ihr beide gegen mich gestanden habt.“ Easy sah Aucoin an und dann ihr Mikrofon. Ihr Mann entschied, daß eine Ablenkung angebracht sei, und unterbrach das bedrohliche Schweigen mit einer Frage.
„Alan, was hältst du von Barlennans Theorie?“
Aucoin runzelte die Stirn. Er und Easy wußten genau, warum Ib die Frage gerade jetzt aufwarf, aber sie ließ sich ohnehin kaum ignorieren; und Easy kam schließlich zu der Auffassung, daß Ibs Ablenkungsmanöver in diesem Augenblick wohl das beste war.
„Die Idee ist faszinierend“, sagte der Planer langsam, „aber ich halte sie nicht für sehr wahrscheinlich. Dhrawn ist ein großer Planet, falls man ihn überhaupt einen Planeten nennen kann, und ich finde es seltsam — nun, ich weiß nicht, ob es seltsamer ist, daß wir so schnell intelligentem Leben begegnen, oder seltsamer, daß dies nur einem der Fahrzeuge widerfuhr. Selbstverständlich gibt es keine Zivilisation, die elektroma gnetische Energie benutzt; wir hätten sie sofort entdeckt, als wir uns für Dhrawn zu interessieren begannen.
Handelte es sich jedoch um eine Zivilisation von niedrigerer Kulturstufe, wie hätte sie der Besatzung der Esket beikommen können?“
„Ohne Kenntnis ihrer physischen und mentalen Fähigkeiten — ganz zu schweigen vom Stand ihrer Kultur — läßt sich das nicht einmal erraten“, entgegnete Hoffman. „Kamen nicht einige der ersten Indianer, denen Kolumbus begegnete, sogar in Spanien zu Rang und Würden?“
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