Sie hatte dafür nur ein Seufzen und erinnerte sich an ein paar fallengelassene Worte.
»Branithar selbst soll erklären.« Sir Owain pfiff. Der Wersgor trat aus einem Röhricht, in dem er gewartet hatte. Er konnte sich jetzt frei genug bewegen, da er nicht die geringste Hoffnung hatte, der Insel zu entfliehen. Seine massive Gestalt trug geplünderte Kleidung, die von tausend winzigen Perlen funkelte. Das runde, haarlose, langohrige Gesicht mit der Schnauze wirkte nicht länger häßlich; die gelben Augen erschienen sogar fröhlich. Catherine konnte inzwischen seine Sprache gut genug verstehen, daß er sie ansprechen konnte.
»Mylady wird sich fragen, wie ich je einen Weg auf einer Zickzack-Route finden könnte, die quer durch schwärmende, nicht auf Karten erfaßte Sterne führt«, sagte er. »Als die Aufzeichnungen des Navigators in Ganturath verlorengingen, verzweifelte ich selbst. Im Radius unserer Fahrt liegen so viele Sonnen, selbst von der Art der Eueren, daß es tausend Jahre dauern müßte, wollte man willkürlich suchen. Das trifft um so mehr zu, als viele Nebel im Weltraum eine ganze Anzahl Sterne verbergen, bis man zufällig einem von ihnen nahe kommt. Sicher, wenn irgendein Deckoffizier meines Schiffes überlebt hätte, dann wäre es möglich gewesen, die Suche etwas einzuengen. Aber ich selbst habe an den Maschinen gearbeitet. Ich sah nur gelegentlich Sterne, und sie bedeuteten mir nichts. Als ich Eure Leute austrickste — Jammer über jenen Tag! — tat ich nichts anderes, als einen Notschalter umzulegen, der einen Automaten instruierte, uns hierherzuführen.«
Die Erregung machte Catherine ungeduldig. Sie löste sich aus Sir Owains Armen und herrschte hn an: »Ich bin keine völlige Närrin. Mein Herr hat mir genügend Respekt entgegengebracht, um zu versuchen, mir diese Dinge zu erklären, wenn ich auch nicht richtig zuhörte. Was habt Ihr Neues entdeckt?«
»Nicht entdeckt«, sagte Branithar. »Nur erinnert. Es ist ein Gedanke, der mir schon früher hätte kommen sollen, aber es ist so vieles geschehen — nun.
Wisset denn, Mylady, daß es gewisse Sterne gibt, die gleich Leuchttürmen sind, hell genug, um im ganzen Spiralarm der Via Galactica sichtbar zu sein. Man benutzt sie in der Navigation. So muß man sich, wenn man die Sonnen, die (von uns) Ulovarna, Yariz und Gratch genannt werden, in eine gewisse Konfiguration zueinander sieht, in einer bestimmten Region des Weltraums befinden. Selbst wenn man die Winkel nur visuell abschätzte, könnte man damit seine eigenen Positionen auf etwa zwanzig Lichtjahre genau bestimmen. Das ist keine zu große Sphäre, um darin eine bestimmte gelbe Zwergsonne wie die Eure zu finden.«
Sie nickte, langsam und nachdenklich. »Ja. Ihr denkt an helle Sterne wie Sirius und Rigel.«
»Die Hauptsterne im Himmel eines Planeten sind vielleicht nicht die, die ich meine«, warnte er. »Vielleicht liegen sie nur zufälligerweise in der Nähe. Tatsächlich würde ein Navigator eine gute Skizze Eurer Konstellationen brauchen, mit zahlreichen hellen Sternen, die farbig markiert sind (wie man sie vom luftlosen Weltraum aus sieht). Wenn er genügend Daten besäße, könnte er analysieren und dann feststellen, was die Leuchtriesen sein müssen. Und dann könnte er aus ihren relativen Positionen erkennen, von wo aus sie beobachtete wurden.«
»Ich denke, daß ich den Zodiacus für Euch zeichnen könnte«, sagte Lady Catherine unsicher.
»Das hätte wenig Sinn, Herrin«, meinte Branithar. »Ihr seid nicht darin erfahren. Sterntypen mit dem Auge zu identifizieren. Ich räume ein, daß auch ich sehr wenig solcher Erfahrung besitze: überhaupt keine Ausbildung, nur was ich gelegentlich von anderen gehört habe. Und wenn ich auch einmal im Kontrollraum war, während unser Schiff um Terra kreiste, habe ich nicht besonders auf die Konstellation geachtet. Ich erinnere mich nicht, wie sie aussahen.«
Das Herz sank ihr. »Aber dann sind wir immer noch verloren!«
»Nicht ganz, möchte ich sagen. Ich habe keine bewußte Erinnerung. Und doch wissen wir Wersgorix schon lange, daß der Geist aus mehr als nur dem bewußten Teil besteht.«
»Das ist wahr«, pflichtete Catherine ihm weise bei. »Da ist noch die Seele.«
»Äh. das ist genau, was ich meine. Es gibt im Geist ein Unbewußtes oder Halbbewußtes, was in der Tiefe liegt, die Quelle der Träume und — nun, wollen wir es dabei bewenden lassen, daß dieses Unbewußtsein nie vergißt. Er zeichnet selbst die trivialsten Dinge auf, die den Sinnen je dargeboten wurden. Wenn man mich in Trance versetzte und richtig lenkte, könnte ich ein ziemlich genaues Bild des terrestrischen Himmels zeichnen, so wie ich selbst es sah.
Dann könnte ein geschickter Navigator, der seine Sterntafeln zur Hand hat, daraus seine Schlüsse ziehen. Es würde Zeit erfordern. Viele blaue Sterne könnten beispielsweise Gratch sein, und man würde nur in detaillierten Studien jene aussondern können, die (sagen wir) in einer unmöglichen Beziehung zu dem Kugelhaufen stehen, den wir Torgelta nennen. Am Ende jedoch würde er die Möglichkeiten auf jene kleine Region einschränken, von der ich sprach. Dann könnte er dorthin flitzen, mit einem Raumpiloten, um ihm zu helfen, und sie könnten alle gelben Zwergsterne in der Umgebung absuchen, bis sie Sol gefunden hätten.«
Catherine schlug die Hände zusammen. »Aber das ist wunderbar!« rief sie. »Oh, Branithar, was für eine Belohnung wünscht Ihr Euch? Mein Herr wird Euch ein Königreich schenken!«
Er spreizte seine dicken Beine ein, blickte in ihr umschattetes Gesicht und sagte mit jenem mürrischen Mut, an den wir uns so gewöhnt hatten.
»Welche Freude würde mir ein Königreich geben, das doch nur aus den Scherben des Imperiums meines Volkes erbaut wäre? Weshalb sollte ich mithelfen, euer England wiederzufinden, wenn es nur noch mehr Engländer hierherschickte, um das Land der Meinen zu verwüsten?«
Sie ballte die Fäuste und sagte mit normannischer Kälte: »Vor dem einäugigen Hubert werdet Ihr Euer Wissen nicht verbergen.«
Er zuckte die Achseln.
»Es ist nicht leicht, den unbewußten Geist zu wecken, Mylady. Eure barbarischen Folterungen könnten eine unüberwindliche Sperre errichten.« Er griff unter seinen Rock. Plötzlich funkelte ein Messer in seiner Hand. »Nicht daß ich sie erdulden würde. Zurück! Owain hat mir dies gegeben. Ich weiß gut genug, wo mein eigenes Herz liegt.«
Catherine wirbelte mit einem kleinen Schrei herum.
Der Ritter legte beide Hände auf ihre Schultern. »Hört mich an, ehe Ihr urteilt«, sagte er schnell. »Ich habe wochenlang versucht, Branithar auszuhorchen. Er hat Andeutungen fallenlassen. Ich meinerseits habe auch Andeutungen fallenlassen. Wir haben miteinander gefeilscht wie zwei sarazenische Händler, dabei nie offen zugegeben, daß wir feilschen. Am Ende nannte er mir jenen Dolch als Preis dafür, daß er mir seine Waren vorlegte. Ich ko nnte mir nicht vorstellen, daß er jemanden von uns damit verletzte. Selbst unsere Kinder tragen heutzutage bessere Waffen als ein Messer. Ich nahm es auf mich, ihm zuzustimmen. Dann sagte er mir, was er jetzt Euch gesagt hat.«
Ihre Starre löste sich. Sie hatte in all der Zeit einfach zuviel erduldet, und zwischen hatte zuviel Furcht und Einsamkeit gelegen. Ihre Kraft war aufgezehrt.
»Was verlangt Ihr?« fragte sie.
Branithar fuhr mit dem Daumen über die Messerschneide, nickte und schob es in die Scheide zurück. Dann sagte er ganz sanft: »Zuerst müßt Ihr einen guten Wersgor-Geist-Arzt besorgen. Ich kann ihn mit Hilfe des Reichsgrundbuches dieses Planeten finden, das in Darova aufbewahrt wird. Ihr könnte es unter irgendeinem Vorwand von den Jairs ausleihen. Dieser Arzt muß mit einem geschickten Wersgor-Navigator zusammenarbeiten, und der kann ihm sagen, welche Fragen mir gestellt werden müssen, und meinen Stift dann führen, wenn ich in meiner Trance die Karte zeichne. Später werden wir auch einen Raumpiloten benötigen, und außerdem bestehe ich auf zwei Kanonieren. Auch diese kann man irgendwo auf Tharixan finden. Ihr könnt Euren Verbündeten sagen, daß ihr ihnen helfen wollt, die technischen Geheimnisse des Feindes aufzuspüren.«
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