Sie waren nicht zahlreich genug, um jenes ganze Labyrinth von Korridoren und Kabinen zu erobern. Und doch hatten sie große Freude, erlitten nur wenige Verluste (da die Matrosen hier draußen nicht im Nahkampf ausgebildet waren) und schufen eine große Verwirrung, was unserem Angriff insgesamt sehr zustatten kam. Am Ende gab die Mannschaft jenes Schiffes auf. Als Sir Roger das sah, zog er seine eigenen Truppen zurück, ehe der Rumpf von einer riesigen Explosion in Stücke gerissen wurde.
Nur Gott und die etwas kriegerischen Heiligen wissen, ob diese Taktik die Entscheidung brachte. Die alliierte Flotte war weit in der Minderzahl, und so war natürlich jeder Vorteil über die Maßen nützlich. Andererseits war unser Angriff völlig überraschend gekommen, und wir hatten den Gegner zwischen uns und Darova eingezwängt, dessen größere Geschosse in den Weltraum selbst flogen, um Wersgor-Fahrzeuge zu vernichten.
Ich kann die Vision des heiligen Georg nicht beschreiben, da ich nicht privilegiert war, sie zu sehen. Dennoch schwor so mancher nüchterne, vertrauenswürdige Soldat, er habe den heiligen Ritter in einem Nebel von Sternen die Milchstraße heruntergaloppieren und feindliche Schiffe wie Drachen auf seiner Lanze aufspießen sehen. Sei dem, wie dem sei, jedenfalls gaben die Wersgorix nach vielen Stunden, an die ich mich nur dunkel erinnere, auf. Sie zogen sich in guter Ordnung zurück, nachdem sie etwa ein Viertel ihrer Flotte verloren hatten, und wir verfolgten sie nicht sehr weit.
Statt dessen schwebten wir über dem geschwärzten Darova. Sir Roger und die obersten Befehlshaber seiner Alliierten gingen in einem Boot hinunter. In der Zentralhalle unter der Erde brachte die englische Garnison, schmutzig und von der langen Schlacht erschöpft, ein schwaches Hurra aus. Lady Catherine nahm sich die Zeit, zu baden und um der Ehre wegen ihr bestes Kleid anzulegen. Wie eine Königin schritt sie den Kapitänen entgegen.
Aber als sie ihren Mann im zerbeulten Raumpanzer vor den kühlen Glühlampen stehen sah, stockte ihr Schritt. »Mein Herr.«
Er nahm den mit Glas geschützten Helm ab. Irgendwie störten die Luftröhren in dieser ritterlichen Geste, als er sich den Helm unter den Arm zwängte und vor ihr niederkniete. »Nein«, rief er laut. »Sagt es nicht. Laßt mich vielmehr sagen: Meine Lady und Liebe!«
Wie eine Schlafwandlerin kam sie auf ihn zu. »Ist der Sieg Euer?«
»Nein. Er gehört Euch.«
»Und jetzt.«
Er stand auf und schnitt eine Grimasse über die Notwendigkeit, die ihm auferlegt waren. »Konferenzen«, sagte er. »Die Schäden der Schlacht müssen behoben, neue Schiffe gemacht, neue Armeen ausgehoben werden. Intrigen unter den Alliierten, Köpfe, die man zusammenstoßen muß, Nachzügler, die es zu ermuntern gilt. Und Kampf, immer Kampf. Bis mit Gottes Willen die Blaugesichter auf ihrem Heimatplaneten zurückgetrieben sind und sich ergeben.« Er hielt inne. Ihr Gesicht hatte seine liebliche Farbe verloren. »Aber für diese Nacht, Mylady«, sagte er ungeschickt, obwohl er es sicherlich viele Male geübt hatte, »für diese Nacht, glaube ich, daß wir uns das Recht erworben haben, allein zu sein, auf daß ich Euch loben kann.«
Ihr Atem ging stockend. »Lebt Sir Owain Montbelle?« fragte sie. Als er nicht nein sagte, bekreuzigte sie sich, und ein schwaches Lächeln spielte um ihre Lippen. Dann hieß sie die fremden Hauptleute willkommen und hielt ihnen die Hand hin, auf daß sie sie küßten.
Ich komme jetzt zu einem leidvollen Teil dieser Geschichte und dem, der am schwierigsten zu schreiben ist. Ich war auch nicht zugegen, bloß ganz am Ende.
Dies war, weil Sir Roger sich so in seinen Kreuzzug stürzte, als fliehe er vor etwas — was in gewisser Weise auch zutraf, und ich wurde von ihm mitgeschleppt wie ein Blatt, das von einem Orkan aufgewirbelt wird. Ich war sein Dolmetscher, aber immer dann, wenn wir nichts anderes zu tun hatten, wurde ich sein Lehrer und unterwies ihn in Wersgor, bis mein armes, schwaches Fleisch es nicht mehr ertragen konnte. Mein letzter Blick, ehe ich in den Schlaf sank, nahm stets das Kerzenlicht auf dem ausgemergelten Gesicht meines Herrn wahr. Häufig rief er dann einen Doktor der Jairsprache, der ihn bis zur Morgendämmerung unterwies. Bei diesem Tempo vergingen nicht viele Wochen, bis er in beiden Sprachen lästerlich fluchen konnte.
Unterdessen trieb er seine Verbündeten fast ebenso, wie er sich selbst trieb. Die Wersgorix durften keine Gelegenheit bekommen, sich zu erholen. Ein Planet nach dem anderen mußte angegriffen, besiegt und mit einer Garnison besetzt werden, so daß der Feind nie ins Gleichgewicht kam und stets in der Defensive war. Bei diesem Unterfangen hatten wir viel Hilfe seitens der versklavten eingeborenen Bevölkerung. In der Regel brauchte man diesen bloß Waffen und Führung zu geben, und sie griffen ihre Meister in solchen Horden und mit solcher Wildheit an, daß letztere zu uns flohen und um Schutz flehten.
Jairs, Ashenkoghii und Pr?*tans waren erschreckt. Sie hatten keine Erfahrung in solchen Dingen, wohingegen Sir Roger die Jacquerie in Frankreich erlebt hatte. In ihrer Verblüffung kamen seine Kollegen immer mehr dahin, daß sie ungefragt seine Führung anerkannten.
Das Hin und Her vor alldem, was geschah, ist so kompliziert, von Welt zu Welt vielfältig, als daß ich es in diesem bescheidenen Bericht darlegen könnte.
Aber im Wesen hatten die Wersgorix auf jedem bewohnten Planeten jegliche ursprüngliche Zivilisation zerstört. Jetzt stürzte das Wersgorsystem seinerseits in sich zusammen. In dieses Vakuum — Unreligion, Anarchie, Banditentum, Hungersnot, die allgegenwärtige Gefahr einer Rückkehr der Blaugesichter, die Notwendigkeit, die Eingeborenen selbst auszubilden, um unsere dünnen Garnisonen zu unterstützen — trat Sir Roger. Er besaß eine Lösung für diese Probleme, eine, die in Europa zusammengehämmert worden war, in jenen gar nicht so unähnlichen Jahrhunderten nach dem Fall Roms: das Feudalsystem.
Aber gerade als er im Begriff war, so die Fundamente des Sieges zu legen, brach für ihn alles zusammen. Gott möge seiner Seele gnädig sein! Nie lebte ein größerer Ritter. Selbst jetzt noch, ein ganzes Leben später, trüben die Tränen meine alten Augen, und ich würde am liebsten über diesen Teil meiner Chronik hinweggehen. Da ich selbst nur Augenzeuge eines so geringen Teils war, wäre es vielleicht sogar verzeihlich, wenn ich es täte.
Jedoch muß man sagen, daß jene, die ihren Herrn verrieten, sich nicht danach drängten. Sie stolperten hinein. Wäre Sir Roger nicht allen warnenden Anzeichen gegenüber blind gewesen, so wäre es nie geschehen. Deshalb will ich es nicht in kalten Worten niederschreiben, sondern auf jene frühere (und ich glaube, echtere) Übung zurückgreifen, ganze Szenen zu erfinden, auf daß Leute, die heute zu Staub geworden sind, aufs neue leben mögen, nicht als abstrakte Schurkereien, sondern als irrende Seelen, mit denen Gott vielleicht zu guter Letzt Mitleid hatte.
Wir beginnen auf Tharixan. Die Flotte war gerade abgeflogen, um die erste Wersgorkolonie auf diesem langen Feldzug zu besetzen. Eine Jair-Gamison besetzte Darova. Aber jene englischen Frauen, Kinder und Großväter, die sie so tapfer gehalten hatten, wurden nach Sir Rogers bestem Vermögen belohnt. Er verlegte sie auf jene Insel, wo unser Vieh weidete. Dort konnten sie in den Wäldern und Feldern leben, Häuser bauen, jagen, säen und ernten, fast als wäre sie zu Hause. Lady Catherine sollte über sie herrschen. Sie behielt Branithar, den gefangenen Wersgor, sowohl, um ihn daran zu hindern, den Jairs zuviel zu offenbaren, als auch, um weiterhin in seiner Sprache ausgebildet zu werden. Sie verfügte auch über ein schnelles kleines Raumschiff für Notfälle. Besuche seitens der Jairs und vom anderen Ufer des Meeres wurden nicht gerne gesehen, auf daß sie nicht zuviel entdeckten.
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