Jedes Tier hatte einen am Ende gegabelten Schwanz, der hochgehalten wurde. Die langen, dünnen Gabelenden befanden sich die meiste Zeit in schwirrender Bewegung, so daß man sie nur verschwommen sehen konnte.
„Komm mit“, sagte Chouns. „Sie werden uns nichts tun; ich bin ganz sicher.“
Die Tiere, oder was immer sie waren, umringten die zwei Männer in vorsichtiger Distanz. Ihre Schwanzenden machten ein moduliertes summendes Geräusch.
„Vielleicht verständigen sie sich auf diese Weise“, meinte Chouns. „Und ich glaube, es gibt keinen Zweifel, daß sie Vegetarier sind.“ Er zeigte zu einer der Hütten, wo ein kleines Exemplar der Gattung auf den Hinterkeulen saß und eine Ähre des bernsteinfarbenen Getreides mit dem gegabelten Schwanz durch den Mund zog.
„Menschen essen auch Gemüse“, sagte Smith, „aber das beweist gar nichts.“
Weitere geschwänzte Geschöpfe kamen zum Vorschein, betrachteten die fremden Besucher und verschwanden wieder im Grün und Rosa der Vegetation.
„Für mich gibt es keinen Zweifel, daß sie Vegetarier sind“, sagte Chouns mit Entschiedenheit. „Sieh dir nur die Art und Weise an, wie sie die Hauptfrucht kultivieren und pflegen.“
Die Hauptfrucht, wie Chouns es nannte, bestand aus einer Krone weicher, lanzettförmiger Blätter in Bodennähe, aus deren Mitte ein behaarter Stamm wuchs, der in Abständen von fünf Zentimetern fleischige, geäderte und so lebendig wirkende Knospen trug, daß sie fast zu pulsieren schienen. Der Stamm endete an der Spitze in den blaß rosa Blüten, die noch am ehesten an irdische Pflanzen gemahnten.
Die Gewächse standen in genau ausgerichteten Reihen, und der Boden um sie her war sorgfältig gelockert und mit einer Substanz überpudert, die vernünftigerweise nichts als Dünger sein konnte. Schmale Pfade, gerade breit genug für einen Dorfbewohner, zogen sich kreuz und quer durch das Feld, und jeder dieser Pfade wurde zu beiden Seiten von schmalen Gräben gesäumt, die offenbar der Bewässerung dienten.
Die meisten Dorfbewohner waren in die Felder zurückgekehrt, wo sie fleißig und mit gebeugten Köpfen arbeiteten. Nur wenige blieben in der Nähe der beiden Männer.
Chouns nickte anerkennend. „Gute Landwirte, diese Schwanzleute.“
„Nicht schlecht“, pflichtete ihm Smith bei. Er ging zur nächsten der blaßrosa Blüten und wollte sie pflücken; aber kurz vor dem Zugreifen wurde er von unvermittelt zu schriller Höhe anschwellenden Summtönen und der Berührung eines Schwanzendes aufgehalten. Die Berührung war behutsam, aber fest.
Smith wich zurück. „Was zum Henker ...“
Er griff zur Waffe, als Chouns sagte: „Kein Grund zur Aufregung; laß das Ding stecken.“
Ein halbes Dutzend der seltsamen Geschöpfe versammelte sich jetzt um die beiden. Die Vierbeiner boten ihnen mit sanften und beinahe demütig anmutenden Gebärden Getreidehalme und Ähren an. Einige hielten sie mit den Schwanzgabeln, andere in den Mündern.
„Sie sind friedfertig, das siehst du selbst“, sagte Chouns. „Blumenpflücken könnte gegen ihre Sitten sein; wahrscheinlich müssen die Pflanzen nach strengen Regeln behandelt werden. Jede landwirtschaftliche Kultur hat wahrscheinlich Fruchtbarkeitsriten, und der Himmel weiß, was bei diesen Leuten damit zusammenhängt. Die Regeln für den Anbau der Pflanzen müssen strikt sein, sonst gäbe es nicht diese genau abgezirkelten Reihen ... Teufel noch mal, zu Hause werden sie Augen machen, wenn sie das hören!“
Das Schwanzgesumm ging wieder in eine hohe Tonlage über, und die Geschöpfe in ihrer Nähe zogen sich ein wenig zurück. Aus einer größeren Hütte im Mittelpunkt des Dorfes kam ein weiteres Mitglied der Art. „Wahrscheinlich der Häuptling“, sagte Chouns.
Der neue Vierbeiner kam langsam auf sie zu, den Schwanz in die Höhe gereckt und jedes der Gabelenden um einen kleinen, schwarzen Gegenstand gewickelt. Knapp zwei Meter vor ihnen machte das Wesen halt und bog den Schwanz wie ein Skorpion vornüber, ihnen entgegen. „Er will uns etwas geben“, sagte Smith verblüfft. „Da, sieh es dir an!“
Chouns starrte die Dinger an, zwinkerte die Augen und schüttelte den Kopf. „Das sind hyperspatiale Gamow-Visiergeräte“, stieß er hervor. „So ein Ding kostet zehntausend Dollar!“
Nach einer Stunde an Bord kam Smith wieder zum Vorschein und rief aufgeregt aus der Einstiegsöffnung: „Sie arbeiten. Sie sind völlig einwandfrei. Wir sind reich.“
„Ich habe ihre Hütten durchsucht“, rief Chouns zurück. „Mehr von der Sorte konnte ich nicht finden.“
„Die zwei sind auch nicht zu verachten, mein Gott, die sind so gut wie bares Geld.“
Aber Chouns blickte verdrießlich umher, die Arme in die Seiten gestemmt. Drei von den Schwanzleuten hatten ihn von Hütte zu Hütte geführt - geduldig, ohne ihn zu behindern, aber immer zwischen ihm und den geometrisch angepflanzten blaßrosa Blumen bleibend. Nun starrten sie ihn aus ihren vielen Quellaugen an. „Übrigens sind sie vom neuesten Modell“, sagte Smith, als er zu ihm kam. „Sieh hier.“ Er zeigte auf die eingeprägte Schrift, und Chouns las: „Modell X-20, Gamow, Warschau.“
Chouns wandte sich achselzuckend ab und sagte ungeduldig, während er über die Felder blickte: „Mir liegt daran, mehr von den Dingern zu bekommen. Ich weiß, daß es irgendwo noch welche geben muß, und ich werde sie mir holen.“ Sein Gesicht war gerötet, und er atmete schwer.
Die Sonne ging unter; die Temperatur sank rasch, und es wurde unangenehm kühl. Smith nieste zweimal, dann auch Chouns.
„Wir werden uns noch eine Lungenentzündung holen“, sagte Smith durch die Nase.
„Ich muß ihnen verständlich machen, was ich will“, beharrte Chouns. Er hatte hastig Würstchen aus der Dose gegessen und zwei Tassen Kaffee in sich hineingegossen und war bereit für einen neuerlichen Versuch.
Er hob das Visiergerät in die Höhe. ,Mehr“, sagte er, „mehr“, und machte kreisende Armbewegungen dazu. Er zeigte auf ein Visiergerät, dann auf das andere, dann auf die imaginären, die vor ihm aufgereiht schienen und die es herbeizuschaffen galt. „Mehr!“
Dann, als das Abendrot am Horizont verblaßte, erhob sich aus allen Feldern ein gewaltiges, durchdringendes Summen, und alle Vierbeiner in der Nähe neigten die Köpfe, hoben die gegabelten Schwänze und stimmten in das schrille Abendkonzert ein.
„Was zum Teufel“, stieß Smith unbehaglich hervor. „He, sieh dir die Blüten an!“ Er nieste wieder.
Die blaßrosa Blüten welkten sichtbar.
Chouns mußte laut sprechen, um sich durch das schrille Summen und Vibrieren Gehör zu verschaffen. „Es könnte eine Reaktion auf den Sonnenuntergang sein. Du weißt schon, manche Blüten schließen sich abends. Und der Lärm könnte eine religiöse Andacht zur Begleitung des Vorgangs sein.“
Eine leichte Schwanzberührung am Handgelenk ließ Chouns aufmerken. Der Schwanz gehörte einem der Geschöpfe in der Nähe und wurde nun zum Himmel emporgereckt, zu einem strahlend hellen Gestirn tief am Westhimmel. Die gegabelte Schwanzspitze schwenkte beweglich herum und zeigte auf das Visiergerät, dann wieder hinauf zu dem Himmelskörper.
„Natürlich! Der innere Planet; der andere, auch bewohnbare“, sagte Chouns aufgeregt. „Diese Geräte müssen von dort gekommen sein.“ Der Gedanke brachte ihn auf eine Idee, und er rief in plötzlichem Erschrecken: „Mensch, Allen, der Hauptantrieb ist noch nicht repariert!“
Smith machte ein erschrockenes Gesicht, als ob auch er es vergessen hätte; dann murmelte er: „Ich wollte es dir schon vorhin sagen - es ist wieder in Ordnung.“
„Du hast ihn gerichtet?“
„Überhaupt nicht angerührt. Aber als ich die Visiergeräte überprüfte, schaltete ich die Bordinstrumente ein, und sie funktionierten. Alle Anzeigen standen auf Normal. In dem Moment fiel es mir gar nicht auf; ich hatte ganz vergessen, daß wir einen Schaden hatten. Jedenfalls scheint alles in Ordnung.“
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