»Mister Courtenay«, stotterte Harris. »Wir haben Sie nicht erwartet.«
»Das sehe ich. Die übrigen verschwinden bitte. Harris, wir gehen in Ihr Büro.« Kathy folgte uns unauffällig.
»Harris«, sagte ich, »gute Arbeit entschuldigt vieles. Sie haben für dieses Projekt verdammt viel gute Arbeit geliefert. Die Atmosphäre überrascht mich, ich bin bestürzt. Aber das läßt sich in Ordnung bringen.«
Sein Telefon läutete, ich nahm den Hörer ab.
Eine Stimme sagte aufgeregt: »Harn? Er ist da. Mach schnell; er hat eine Limousine genommen.«
»Danke«, sagte ich und legte auf. »Ihr Spion vom Flugplatz«, sagte ich zu Harris. Er wurde weiß im Gesicht. »Zeigen Sie mir jetzt Ihre Listen«, sagte ich, »und die Interview-Formulare. Den Lochkartencode. Die Matrizen. Die Entwicklungs-Tabellen. Die Vorarbeiten. Kurzum, alles, von dem Sie nicht annehmen, daß ich es mir ansehen will. Holen Sie die Unterlagen.«
Er verharrte lange, lange Zeit regungslos, dann sagte er schließlich: »Die existieren nicht.«
»Was können Sie mir zeigen?«
»Endergebnisse«, murmelte er. »Zusammenstellungen.«
»Fälschungen, meinen Sie? Fingiertes Material, wie das, was Sie uns per Telefon durchgegeben haben?«
Er nickte. Sein Gesicht war grünlich.
»Wie konnten Sie das nur tun, Harris?« fragte ich. »Wie konnten ausgerechnet Sie das tun?«
Ein unkontrollierter Schwall von Worten ergoß sich aus seinem Mund. Er hatte es nicht tun wollen. Es sei seine erste selbständige Arbeit gewesen. Vielleicht sei er ein Versager. Er hatte versucht, wenigstens das Fußvolk auf Trab zu halten, während er selbst schuftete, aber es gelang ihm nicht; sie spürten seine Unsicherheit und nahmen sich Freiheiten heraus, und er wagte nicht, etwas dagegen zu unternehmen. Das Selbstmitleid verschwand aus seiner Stimme, er wurde beinahe angriffslustig. Was für einen Unterschied machte es denn schon? Es war doch schließlich nur eine Vorarbeit, ohnehin rein hypothetisch. Das spielte doch überhaupt keine Rolle. Außerdem würde das ganze Unternehmen letztlich vielleicht doch im Sande verlaufen. Warum sollte er es nicht auf die leichte Schulter nehmen; es gab so viele andere Leute, die es sich nicht besonders schwer machten und mit allem durchkamen.
»Nein«, sagte ich. »Da irren Sie sich, und Sie sollten es eigentlich wissen. Werbung ist eine Kunst, aber sie ist abhängig von Wissenschaft, von Tests und von Kunden-Forschung. Sie haben die Stützpfeiler unter unserem Projekt fortgezogen. Wir retten, was zu retten ist, und beginnen von vorn.«
Er machte einen letzten schwachen Versuch. »Sie verschwenden Ihre Zeit, wenn Sie das tun, Mr. Courtenay. Ich habe lange mit Mr. Runstead zusammengearbeitet. Ich weiß, wie er denkt, und er ist mindestens ebenso fähig wie Sie. Er meint, Papierkrieg sei nur eine Menge überflüssiger Unsinn.«
Ich kannte Matt Runstead besser. Ich wußte, daß er ein fähiger Mann war. »Womit«, fragte ich scharf, »wollen Sie diese Behauptung stützen? Mit Briefen? Memos? Mit geschnittenen Anrufen?«
»Ja, etwas in der Art muß ich haben«, sagte er und wühlte in seinem Schreibtisch. Er kramte in Briefen und Memos und spielte minutenlang Tonbandbruchstücke ab, während sich der Ausdruck von Furcht und Frustration auf seinem Gesicht versteifte. Schließlich sagte er verstört: »Ich kann nichts finden – aber ich bin sicher.«
Natürlich war er sicher. Unsere Kunst besteht ja gerade darin, den Kunden zu überzeugen, ohne daß er es merkt. Runstead hatte diesem Schwächling eine unrealistische Arbeitsmethode eingeimpft und ihn dann an mein Projekt gesetzt, damit er es gründlich vermasselte.
»Sie sind entlassen, Harris«, sagte ich. »Ich würde Ihnen raten, sich einen Job außerhalb der Werbebranche zu suchen.«
Ich ging ins Büro und verkündete: »Sie sind entlassen, meine Herren, allesamt. Nehmen Sie Ihre persönlichen Sachen, und verlassen Sie das Büro. Die Schecks werden Ihnen per Post zugeschickt.«
Sie starrten mich mit offenem Mund an. Neben mir murmelte Kathy: »Mitch, ist das denn wirklich nötig?«
»Allerdings, verdammt nötig. Hat einer von ihnen dem Hauptbüro einen Tip gegeben, was hier gespielt wird? Nein; sie haben sich einfach gehen lassen und eine ruhige Kugel geschoben.« Harn Harris drückte sich an uns vorbei zur Tür, Verletzung und Bestürzung standen auf seinem Gesicht. Er war so sicher gewesen, daß Runstead ihm die Stange halten würde. Er trug die vollgestopfte Aktentasche in der einen Hand, den Regenmantel in der anderen. Er sah mich nicht an.
Ich ging in sein verwaistes Büro und setzte mich über den direkten Draht mit New York in Verbindung. »Hester? Hier spricht Courtenay. Ich habe gerade unsere gesamte Zweigstelle in San Diego entlassen. Verständigen Sie bitte das Personalbüro und veranlassen Sie, daß man die Leute auszahlt. Und jetzt verbinden Sie mich mit Mr. Runstead.« Ich trommelte ungeduldig eine lange Minute mit den Fingern auf den Tisch, dann sagte Hester: »Tut mir leid, Mr. Courtenay, daß Sie warten mußten. Mr. Runsteads Sekretärin sagt, er sei nach Klein-Amerika geflogen. Er hat die Sache mit der A.L.G. erledigt und hat nun einen kleinen Urlaub verdient.«
»Einen kleinen Urlaub. Ach du lieber Gott. Hester, buchen Sie einen Flug von New York nach Klein-Amerika. Ich nehme die nächste Düsenmaschine. Ich will den Boden möglichst gar nicht erst berühren, ehe ich zum Pol weiterfliege, verstanden?«
»Ja, Mr. Courtenay.«
Ich legte auf und sah, daß Kathy mich anstarrte. »Weißt du, Mitch«, sagte sie, »ich habe dich damals lieblos behandelt und immer auf deiner schlechten Laune herumgehackt. Ich kann jetzt verstehen, wie es dazu kommt, wenn dies ein typischer Geschäftsvorgang ist.«
»Er ist nicht typisch«, sagte ich. »Dies ist der schlimmste Fall schamloser Obstruktionspolitik, der mir jemals vorgekommen ist. Aber das ist kein Einzelfall. Jeder versucht, jeden in ein schlechtes Licht zu setzen. Liebling, ich muß jetzt zum Flugplatz, willst du mich begleiten?«
Sie zögerte. »Macht es dir etwas aus, wenn ich bleibe und mir die Stadt noch ein wenig anschau?«
»Nein, natürlich nicht. Unterhalte dich gut, und wenn du nach New York zurückkommst, bin ich wieder da.«
Wir küßten uns und ich rannte hinaus. Das Büro war bereits leer, und ich bat den Gebäudeverwalter, es bis auf weiteres zu schließen, wenn Kathy fort war.
Als ich unten auf der Straße war, schaute ich hinauf, und sie winkte mir aus dem merkwürdigen, unstabilen Gebäude zu.
In New York verließ ich das Flugzeug; Hester wartete bereits auf mich. »Gut gemacht«, sagte ich zu ihr. »Wann geht die Rakete zum Pol?«
»In zwölf Minuten, von Landeplatz sechs, Mr. Courtenay. Hier sind Flug- und Platzkarte. Und ein bißchen was zu essen, falls…«
»Prima. Zum Essen bin ich bisher nicht gekommen.« Wir gingen zum Landeplatz sechs. Im Gehen kaute ich ein Brot mit künstlichem Käse. »Was gibt’s neues im Büro?« fragte ich unbestimmt.
»Große Aufregung darüber, daß Sie die Leute in San Diego gefeuert haben. Die Personalabteilung hat sich bei Mr. Schocken beschwert, und er hat Ihnen die Stange gehalten – etwa Windstärke vier.«
Das war nicht allzu gut. Windstärke vier klang etwa so: Meine Herren, ich bin sicher, daß Mr. Courtenay sehr gute Gründe für sein Handeln hatte. Die reinen Routinearbeiter unserer Organisation verlieren leicht das Gesamtbild aus den Augen…
Ich fragte Hester: »Ist Runsteads Sekretärin eine normale Angestellte oder…«, ich wollte gerade ›Handlanger‹ sagen, besann mich jedoch eines Besseren, »eine seiner Vertrauten?«
»Sie steht ihm ziemlich nahe«, sagte Hester vorsichtig.
»Wie hat sie auf die San Diego-Geschichte reagiert?«
»Ich habe gehört, sie hätte sich halbtot gelacht, Mr. Courtenay.«
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