Ich schaute Kathy an, die ratlos und belustigt die Schultern zuckte. »Sparen Sie sich die Mühe«, sagte ich.
»Gott sei Dank«, atmete der Verbindungsmann auf. »Verzeihen Sie, Mr. Courtenay. Es ist noch nie vorgekommen, und es gibt keine Hintertürchen, durch die man das arrangieren könnte. Sie wissen ja, was das bedeutet.«
»Das kann man wohl sagen«, erwiderte ich aus tiefstem Herzen. »Sagen Sie, haben sich denn all diese Sicherheitsvorkehrungen bisher bezahlt gemacht?«
»Scheint so, Mr. Courtenay. Soweit wir wissen, gab es bisher keine Sabotageakte und keine Spionage, weder von den Natschus noch aus dem Ausland.« Er klopfte feierlich mit dem Finger der rechten Hand gegen einen hübschen Verlobungsring aus Eichenholz, den er am Mittelfinger der linken Hand trug. Im Geiste notierte ich, daß ich mir einmal sein Budget anschauen mußte. Ein Mann seiner Gehaltsgruppe sollte eigentlich nicht solchen Schmuck tragen.
»Haben die Natschus Interesse?« erkundigte ich mich.
»Wer weiß? C.I.C., C.I.A. und A.E.C.S.&I. sagen ja. Naval Intelligence, F.B.I. und S.S. sagen nein. Möchten Sie mit Commander MacDonald sprechen? Er ist Chef der O.N.I.. Ein Spezialist für Natschus.«
»Möchtest du einen Natschu-Spezialisten kennenlernen, Kathy?« fragte ich.
»Wenn wir genug Zeit haben«, erwiderte sie.
»Notfalls werde ich das Flugzeug solange warten lassen«, sagte der Verbindungsmann, eifrig bemüht, das Fiasko mit den Wachen wettzumachen. Er führte uns durch das Gewirr von Konstruktionsbaracken und Lagerhäusern zum Verwaltungsgebäude, und dann, an sieben Sicherheitskontrollstellen vorbei, ins Büro des Kommandanten.
MacDonald war einer jener Karriereoffiziere, in deren Gegenwart man sich freut, amerikanischer Staatsbürger zu sein – ruhig, zuverlässig, stark. Seine Insignien und Schulterklappen verrieten, daß er Vertragsspezialist war, im Geheimdienst arbeitete und im dritten Jahr der fünften Anwärterschaft für die Pinkerton Detektei stand. Er war Berufssoldat und trug den Klassenring der Pinkerton-Akademie für Kriminalistik und Militärischen Geheimdienst, Inc. Ein Ring aus Kiefernholz mit einem eingravierten geöffneten Auge; keine kunstvolle Einlegearbeit, aber ein Markenzeichen, es bedeutet, daß man es mit Qualität zu tun hat.
»Sie wollen etwas über die Natschus wissen?« fragte er ruhig. »Dann sind Sie an der richtigen Stelle. Ich habe mein Leben ihrer Vernichtung gewidmet.«
»Eine persönliche Angelegenheit, Commander?« fragte ich und dachte, jetzt würde eine dramatische Geschichte folgen.
»Nein. Altmodische Auffassung von Arbeitsmoral, wenn überhaupt. Außerdem liebe ich die Aufregung der Jagd, aber da gibt’s nicht viel zu jagen. Natschus fängt man, indem man Fallen stellt. Haben Sie von dem Topeka-Bombenanschlag gehört? Natürlich will ich die Konkurrenz nicht schlechtmachen, aber die Wachen hätten wissen müssen, daß es genau die richtige Gelegenheit für eine Natschu-Demonstration war.«
»Warum denn eigentlich, Commander?« fragte Kathy.
Er lächelte weise. »Gefühl«, sagte er. »Das läßt sich schwer in Worte fassen. Die Natschus haben was gegen hydraulischen Bergbau. Man braucht ihnen nur eine Chance zu geben, ihren Unwillen kundzutun, schon tun sie’s, wenn es nur irgend möglich ist.«
»Aber warum haben sie denn etwas gegen hydraulischen Bergbau?« bohrte sie hartnäckig weiter. »Wir brauchen doch schließlich Kohle und Eisen, nicht?«
»Ja«, sagte er mit gespielter, humorvoller Resignation, »nun verlangen Sie von mir, die Gedanken eines Natschu zu lesen. Ich habe einige schon bis zu sechs Stunden ununterbrochen verhört, und kein einziger hat je ein vernünftiges Argument gebracht. Wenn ich zum Beispiel den Natschu von Topeka finge, würde er freiwillig reden – es wäre jedoch nur leeres Geschwätz. Es sind Narren, aber sie sind zäh. Sie haben Disziplin. Ein Zellensystem. Wenn man einen Natschu schnappt, hat man gleichzeitig auch die zwei oder drei anderen aus seiner Gruppe; aber damit ist meistens Schluß. Zwischen den einzelnen Zellen bestehen keine Kontakte, und die Verbindung zu höherstehenden Personen findet durch Mittelsmänner statt. Ja, ich denke, ich kenne sie, und aus diesem Grunde mache ich mir eigentlich keine Sorgen, daß hier eine Sabotage oder eine Demonstration stattfinden könnte. Es gibt keinen stichhaltigen Grund.«
Auf dem Rückflug schauten Kathy und ich uns die Werbung im Passagierabteil des Düsenflugzeugs an. Da war der gute alte Kiddiebutt-Slogan, den ich vor vielen Jahren, als ich noch in der Lehre war , ausgebrütet hatte. Ich stieß Kathy an und erzählte ihr davon, als gerade ein Licht aufblinkte und eine Erkennungsmelodie erklang.
Die Werbung verschwand und eine öffentliche Bekanntmachung ohne Geräuscheffekte wurde durchgegeben:
»In Übereinstimmung mit dem Bundesgesetz informieren wir hiermit die Passagiere, daß wir die San-Andreas-Schlucht überfliegen und uns über dem Erdbebengebiet befinden. Alle Versicherungen für Verluste und Beschädigung durch Erdbeben sind ab sofort ungültig und treten erst dann wieder in Kraft, wenn die Passagiere das Erdbebengebiet verlassen haben.«
Dann folgte wieder Werbung.
»Irgendwo steht sicher auch noch in winzigkleiner Schrift, daß eine Versicherung gegen Yakbisse außerordentlich wichtig ist, allerdings für Tibet nicht gilt«, sagte Kathy.
»Versicherung gegen Yakbisse?« fragte ich erstaunt. »Wozu, zum Teufel, soll das denn gut sein?«
»Man kann schließlich nie wissen, ob man nicht einem unfreundlichen Yak über den Weg läuft, nicht wahr?«
»Daraus schließe ich, daß du Spaß machst«, sagte ich würdevoll. »In wenigen Minuten müßten wir landen. Ich persönlich würde gern unvorbereitetet über Ham Harris hereinbrechen. Er ist ein netter Mensch, aber möglicherweise hat Runstead ihn mit seinem Defätismus infiziert. In unserer Branche gibt es nichts Schlimmeres als das.«
»Wenn ich darf, komme ich gern mit, Mitch.«
Wir starrten wie Touristen durch die Fenster, als die Düsenmaschine über San Diego hinwegglitt und monoton über dem Flughafen kreiste, bis die Landeerlaubnis vom Turm erfolgte. Kathy war noch nie dort gewesen. Ich kannte San Diego bereits, aber es gibt dort stets etwas neues zu sehen, weil die Gebäude immerzu einstürzen und neue errichtet werden. Und was für Gebäude! Sie sehen aus wie Kunststoffzelte auf Kunststoffgerüsten. Dank dieser Bauart sind sie elastisch, und bei Erdbeben widerstandsfähiger. Und wenn ein Erdbeben wirklich einmal so heftig ist, daß das Gerüst einstürzt, so ist der Verlust nicht so groß – lediglich ein bißchen Kunststoff, der in den Falzen gerissen ist und ein paar geborstene Kunststoffträger, die meistens noch zu retten sind.
Eine schnelle Drei-Mann-Limousine brachte uns zur Zweigstelle der Fowler Schocken AG. Mein leichtes Unbehagen gegenüber der Abteilung Marktforschung verstärkte sich, und es schoß mir durch den Sinn, Ham Harris könne vielleicht einen Spitzel auf dem Flugplatz postiert haben, der ihn rechtzeitig warnen sollte.
Die Dame im Empfang enttäuschte mich. Sie kannte mich weder dem Aussehen noch dem Namen nach. Sie sagte träge: »Ich will nachschauen, ob Mr. Harris zu sprechen ist, Mr. Conelly.«
»Mr. Courtenay, meine Dame. Ich bin der Chef von Mr. Harris.« Kathy und ich spazierten durch eine Atmosphäre der Faulheit, die mir die Haare zu Berge stehen ließ.
Harris in Hemdsärmeln spielte mit zwei jungen Angestellten Karten. Zwei andere Männer saßen glotzäugig vor einem Hypnoteleapparat und befanden sich offensichtlich in Trance. Ein sechster Mann tippte lässig mit einem Finger auf der Rechenmaschine herum.
»Harris!« brüllte ich.
Mit Ausnahme der beiden in Trance befindlichen, fuhren alle Männer herum. Ich ging zum Apparat und schaltete ihn ab. Sie kamen langsam zu sich.
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