Der Morlock stürzte und fiel mit ausgestreckten Gliedern in den Sand; aber er stützte sich auf die Ellbogen und kroch auf dem Bauch weiter.
Dann fiel ein zweiter Schuß, und ein dritter. Als die Kugeln in seinen Körper eindrangen, ging ein Rucken durch das Krokodil. Es schaute trotzig zum Wald hinüber, öffnete sein sägezahnarmiertes Maul und stieß ein Brüllen aus, das wie Donner von den Bäumen widerhallte. Dann machte es sich mit großen, entschlossenen Schritten auf die Suche nach der Quelle dieser unerwarteten Stiche.
Ein Mann — klein, untersetzt und mit einer dunklen Uniform — tauchte am Waldrand auf. Erneut hob er das Gewehr, legte auf das Krokodil an und erwartete ruhig die Annäherung der Bestie.
Ich erreichte Nebogipfel und riß ihn auf die Füße; er zitterte. Zusammen standen wir im Sand und erwarteten das Ende des Dramas.
Das Krokodil konnte nicht weiter als dreißig Fuß von dem Mann entfernt gewesen sein, als dieser wieder durchzog. Schüsse peitschten durch die stille Morgenluft. Das Krokodil taumelte — ich sah Blut aus seinem Maul strömen — aber es fing sich wieder, ohne viel Energie verloren zu haben. Das Gewehr feuerte erneut, und Kugel um Kugel wurde in diesen riesigen Leib gepumpt.
Schließlich, weniger als zehn Fuß von dem Mann entfernt, ging das Vieh in die Knie, wobei der große Kiefer in der Luft herumschnappte; und der Mann — cool wie ein Gefrierschrank — machte einen präzisen Ausfallschritt zur Seite, um das Tier hinstürzen zu lassen.
Ich fand Nebogipfels Maske, und der Morlock und ich folgten der die Stranddüne hinaufführenden Spur des Krokodils. Seine Klauen hatten den Sand aufgeworfen, und die letzten paar Abdrücke waren mit Geifer, Schleim und Blut bedeckt. Aus der Nähe wirkte dieses Krokodil noch furchterregender als von weitem; die Augen und das Maul waren weit aufgerissen, und als der letzte Hauch von Leben aus dem Monster entwich, zuckten die starken Muskeln seiner Hinterbeine, und die Hufe schabten über den Sand.
Der Morlock musterte den warmen Kadaver. » Pristichampus« , konstatierte er mit seinem leisen Gurgeln.
Unser Retter hatte einen Fuß auf den zuckenden Leib der Bestie gesetzt. Er war vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt, hatte ein gutgeschnittenes Gesicht und einen offenen Blick. Trotz seines Rendezvous mit dem Tod wirkte er ganz entspannt; er bedachte uns mit einem gewinnenden, zahnlückigen Grinsen. Seine Uniform bestand aus einer braunen Hose, schweren Stiefeln und einer braunen Khakijacke; ein blaues Barett saß keck auf seinem Kopf. Dieser Besucher hätte aus jedem Zeitalter oder jeder beliebigen Variante der Geschichte stammen können, sagte ich mir; aber ich war nicht im mindesten überrascht, als dieser junge Mann in einem schnörkellosen, akzentfreien Englisch sagte: »Verdammt häßliches Ding, was? Allerdings ein harter Brocken — haben Sie gesehen, wie ich ihm das Maul stopfen mußte, bevor es fiel? Und selbst dann machte es noch weiter. Muß ihm Respekt zollen — hat sich tapfer geschlagen!«
Angesichts der lockeren Art, wie dieser Offizier auftrat, fühlte ich mich in meiner Fellbekleidung und dem üppigen Bartwuchs reichlich verlegen und hinterwäldlerisch. Ich reichte ihm die Hand: »Sir, ich verdanke Ihnen das Leben meines Kameraden.«
Er ergriff meine Hand und schüttelte sie. »Keine Ursache.« Sein Grinsen verstärkte sich. »Mr… vermute ich«, sagte er und nannte mich beim Namen. »Wissen Sie, ich wollte das immer schon mal sagen!«
»Und Sie sind?«
»Oh, tut mir leid. Mein Name ist Gibson. Geschwaderkommandeur Guy Gibson. Und ich bin erfreut, Sie endlich gefunden zu haben.«
Es stellte sich heraus, daß Gibson nicht allein gekommen war. Er schulterte das Gewehr, machte kehrt und winkte in Richtung des düsteren Dschungels.
Zwei Soldaten tauchten aus dieser Dunkelheit auf. Die Feldhemden dieser schwer bepackten Kameraden waren durchgeschwitzt, und als sie in das Licht der aufgehenden Sonne traten, schienen sie mißtrauischer zu sein und uns reservierter gegenüberzustehen als der Geschwaderkommandeur. Diese beiden mußten wohl Inder sein — Sepoys, Soldaten aus dem Empire — ihre Augen blitzten dunkel und wild, und jeder trug einen Turban und einen gestutzten Bart. Sie hatten Kampfanzüge aus Khakidrillich an; einer von ihnen hatte ein schweres Maschinengewehr umhängen und führte zwei schwere Ledertaschen mit sich, in denen sich offenbar Munition für diese Waffe befand. Ihre massiven, silbrigen Epauletten glitzerten im Sonnenlicht des Paläozän; beim Anblick des Kadavers des Pristichampus verzogen sich ihre Gesichter unverhohlen zu einer angewiderten Grimasse.
Gibson berichtete uns, daß er und diese zwei Kameraden Teilnehmer einer Suchexpedition waren; sie hatten sich etwa eine Meile vom landeinwärts liegenden Basislager entfernt. (Ich wunderte mich, daß Gibson uns die beiden Soldaten nicht vorstellte. Diese kleine Unhöflichkeit — die wohl nach Gibsons unausgesprochener Auffassung auf dem Rangunterschied beruhte — erschien mir völlig absurd, hier an diesem isolierten Strand im Paläozän, mit gerade einer Handvoll Menschen auf der ganzen Welt!)
Ich bedankte mich bei Gibson nochmals für die Rettung des Morlocks und lud ihn zum Frühstück in unsere Hütte ein. »Sie ist direkt am Strand«, sagte ich und deutete die Richtung an; und Gibson beschirmte zur besseren Sicht die Augen.
»Nun, das sieht so aus… ah… als ob es eine recht solide Konstruktion wäre.«
»Solide? Das möchte ich meinen«, erwiderte ich und begann einen langen und ausführlichen Diskurs über die Details unserer improvisierten Hütte, auf die ich unsagbar stolz war, und wie wir im Paläozän überlebt hatten.
Guy Gibson verschränkte die Hände im Nacken und hörte mit einem gesetzten, höflichen Gesichtsausdruck zu. Die Sepoys beobachteten mich verwirrt und mißtrauisch und hatten ständig die Hände in der Nähe ihrer Pistolen.
Nachdem ich einige Minuten referiert hatte, registrierte ich mit etlicher Verspätung, daß Gibson mit seinen Gedanken ganz woanders war. Ich ließ meinen Sermon ausklingen.
Gibson überblickte mit Wohlgefallen den Strand. »Ich schätze, daß Sie sich hier bemerkenswert gut eingerichtet haben. Bemerkenswert. Ich wäre nach einigen Wochen der Einsamkeit in dieser Robinson Crusoe-Welt wohl mehr oder weniger durchgedreht. Ich meine, der Pub wird erst in fünfzig Millionen Jahren öffnen!«
Ich lächelte zu diesem Witz — den ich gar nicht richtig mitbekommen hatte — und ärgerte mich angesichts dieses Anblicks schmucker Kompetenz über meinen übertriebenen Stolz auf die bescheidene Leistung, die ich erbracht hatte.
»Aber schauen Sie«, fuhr Gibson sanft fort, »glauben Sie nicht auch, daß Sie lieber mit uns zum Expeditionskorps zurückkommen sollten? Wir haben dort ordentliche Verpflegung — und moderne Werkzeuge usw.« Nach einem kurzen Blick auf Nebogipfel ergänzte er dann etwas zweifelnder: »Und der Doc könnte vielleicht auch was für diesen armen Kerl da tun. Brauchen Sie noch etwas von hier? Wir können jederzeit zurückkommen.«
Natürlich brauchte ich nichts — ich hatte keine Lust, noch einmal diese paar hundert Yards am Strand entlangzulaufen! — aber ich wußte, daß mit dem Erscheinen von Gibson und seinen Leuten meine kurze Idylle beendet war. Ich schaute in Gibsons offenes, besonnenes Gesicht und wußte, daß ich nie die Worte finden konnte, ihm das Gefühl dieses Verlusts mitzuteilen.
Wir schlugen eine Richtung in den Dschungel ein, wobei die Sepoys vorangingen und der Morlock sich auf meinen Arm stützte.
Landeinwärts war die Luft heiß und stickig. Wir bewegten uns im Gänsemarsch, wobei je ein Sepoy die Vor- und Nachhut bildete und Gibson, der Morlock und ich uns in der Mitte befanden; den überwiegenden Teil des Marsches trug ich den hinfälligen Morlock in den Armen. Die zwei Sepoys musterten uns auch weiterhin mit mißtrauischen, düsteren Blicken, obwohl sie nach einiger Zeit immerhin die Hände von den Leinenholstern nahmen. Solange wir unterwegs waren, wechselten sie weder mit mir noch mit Nebogipfel ein einziges Wort.
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