Stephen Baxter - Zeitschiffe

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Eine neue Reise durch die Zeit führt den Helden aus H. G. Wells’ »Die Zeitmaschine« in Vergangenheiten und Zukünfte, die sich als alternative Zeitströme entpuppen, die er womöglich sehr erzeugt. Der Versuch, das temporale Durcheinander zu ordnen, führt ihn zum Urknall zurück und enthüllt ihm die Geheimnisse des Multiversums… Die »offizielle Fortsetzung« des SF-Klassiker ist eine sehr lange, recht zähe und wenig originelle Hetzjagd durch die Äonen, die erst in ihrem Finale einen »sense of wonder« gewinnt und ein wenig für die aufgewendete Lesezeit entschädigt.

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Ich durchsuchte die Trümmer. Unsere meisten Habseligkeiten waren verloren — ins Meer gespült. Die Hütte war zwar nur eine primitive Behausung gewesen, und unsere paar Utensilien bloß improvisiert bzw. repariert; aber sie hatte uns gehört — war unser Heim gewesen — und ich fühlte eine schockierende Verletzung unserer Privatsphäre.

»Was ist mit der Zeitmaschine?« fragte mich Nebogipfel und drehte sein erblindetes Gesicht hin und her. »Das Zeit-Fahrzeug — was ist damit?«

Nach einigem Herumgraben stieß ich auf ein paar Verstrebungen, Rohre und Platten, Fragmente von ramponiertem Waffenstahl, die sich nun in einem noch schlechteren Zustand als vorher befanden; aber die eigentliche Maschine war ins Meer geschwemmt worden. Mit geschlossenen Augen befingerte Nebogipfel die Fragmente. »Nun«, befand er, »das wird ausreichen müssen.«

Und er setzte sich in den Sand, tastete blind nach Textilien und Schnüren und begab sich erneut mit Geduld an den Bau seiner Zeitmaschine.

Herz und Körper

Es gelang uns nicht, Nebogipfels Brille nach dem Sturm wiederzufinden, und dies erwies sich für ihn als großes Handicap. Aber er beklagte sich nicht. Wie schon zuvor zog er sich am Tage in den Schatten zurück, und wenn er sich einmal in das Licht der Morgen- oder Abenddämmerung begeben mußte, zog er seinen breitkrempigen Hut auf und bedeckte die Augen mit einer über Sehschlitze verfügenden Ledermaske, die ich ihm für solche Anlässe angefertigt hatte.

Das Unwetter hatte sowohl einen mentalen als auch einen seelischen Schock für mich bedeutet, denn ich hatte mich bereits in dem Glauben befunden, mich gegen alle Gefahren, die diese Welt für mich bereithalten konnte, gewappnet zu haben. Aus diesem Grund beschloß ich, unsere Existenz auf eine solidere Grundlage zu stellen. Nach einigen Überlegungen entschied ich, daß eine Hütte, solide gezimmert und auf Pfählen ruhend — unerreichbar für die Flutwellen künftiger Monsune — das Gebot der Stunde war. Aber ich konnte keine herabgefallenen Äste als Baumaterial verwenden, weil sie naturgemäß oft eine unregelmäßige Form hatten und manchmal noch dazu vermodert waren. Ich brauchte Baumstämme — und dafür brauchte ich eine Axt.

So verbrachte ich einige Zeit als Amateurgeologe und durchstreifte die Landschaft auf der Suche nach geeigneten Felsformationen. Schließlich stieß ich in der Gegend von Hampstead Heath in einer Kiesschicht auf dunklen, abgeschliffenen Feuerstein. Ich nahm an, daß dieses Geröll hier von einem verschwundenen Fluß angeschwemmt worden war.

Mit einer Sorgfalt, die ich sonst nur einem Goldtransport — oder etwas noch Wertvollerem — hätte angedeihen lassen, trug ich diese Schätze zurück in unser Lager; denn selbst Gold im Gewicht dieser Steine hätte jetzt nicht den geringsten Wert für mich gehabt.

Dann schlug ich an freien Stellen am Strand den Feuerstein auf. Ich mußte lange herumexperimentieren und eine Menge Material opfern, bis es mir gelang, die Brocken so aufzuschlagen, daß sie entlang der Schichtung des Steins abscherten, und somit breite und scharfe Klingen herzustellen. Meine Hände fühlten sich plump und unbeholfen an. Früher hatte ich immer über die präzise gearbeiteten neolithischen Pfeilspitzen und Axtklingen gestaunt, die in unseren Museen in Glasvitrinen ausgestellt waren, aber erst als ich selbst versuchte, ein solches Werkzeug anzufertigen, erkannte ich, welche beachtlichen Fertigkeiten und handwerkliches Geschick unsere Ahnen besessen hatten.

Schließlich arbeitete ich eine Klinge heraus, mit der ich zufrieden war. Ich klemmte sie in einen kurzen, gespaltenen Holzstiel, umwickelte ihn mit Lederstreifen und machte mich frohen Mutes auf in den Wald.

Keine Viertelstunde später kehrte ich mit den Splittern meiner Axtklinge in der Hand zurück; sie war schon beim zweiten Schlag zersprungen und hatte kaum die Rinde des Baumes angeritzt!

Nach weiterem Probieren bekam ich es dann endlich doch noch hin, und bald hackte ich mich durch ein Waldstück mit jungen, geraden Bäumen.

Wir bezogen ein festes Lager am Strand, doch ausreichend weit von der Hochwassermarke entfernt und außerhalb des Überschwemmungsgebietes unseres Trinkwasserbachs. Es dauerte eine Weile, bis ich mit der Tiefe der für die Pfähle ausgehobenen Vertiefungen zufrieden war; doch dann hatte ich ein Rechteck aus sicher fixierten, senkrechten Pfosten errichtet und eine Plattform aus dünnen Stämmen, die sich etwa fünf Fuß über den Strand erhob. Diese Plattform war zwar alles andere als eben, und ich nahm mir vor, mir eines Tages fundiertere Zimmermannskenntnisse anzueignen; als ich mich aber eines Nachts darauflegte, wirkte der Untergrund sicher und solide, und der Sicherheitsabstand war so groß, daß wir uns jenseits der Gefahren des Strandes befanden. Fast wünschte ich mir wieder ein Unwetter herbei, so daß sich meine neue Konstruktion bewähren konnte!

Über eine kleine Leiter, die ich ihm gebaut hatte, schleppte Nebogipfel seine Fragmente des Zeit-Fahrzeugs auf die Plattform und widmete sich dort verbissen ihrer Rekonstruktion.

Als ich eines Tages durch den Wald streifte, bemerkte ich ein Paar leuchtender Augen, die mich unter einem niedrigen Ast studierten.

Ich verlangsamte meinen Gang, darauf bedacht, keine hektischen Bewegungen zu machen, und nahm den Bogen vom Rücken.

Das kleine Wesen war vier Zoll lang und sah aus wie ein Miniatur-Lemure. Schwanz und Gesicht hätten von einem Nagetier stammen können, wobei die vorderen Nagezähne deutlich zu sehen waren. Entweder war es so intelligent, daß es durch seine Bewegungslosigkeit meine Aufmerksamkeit von sich ablenken wollte — oder so dumm, daß es auf überhaupt keine Gefahr reagierte.

Es dauerte nur einen Augenblick, die Sehne in die Kerbe eines Pfeils zu legen und ihn abzuschießen.

Mit zunehmender Praxis hatte sich meine Kompetenz als Jäger und Fallensteller verbessert, und meine Schlingen und Fallen wiesen mittlerweile eine ordentliche Erfolgsquote auf; nicht so jedoch mein Umgang mit Pfeil und Bogen. Die Konstruktion meiner Pfeile war zwar an sich gut genug, aber ich konnte nie Holz mit der richtigen Flexibilität für die Bogen finden. Und überhaupt, bevor meine plumpen Finger den Pfeil erst aufgelegt hatten, konnten die durch meine Stümperei belustigten beweglichen Ziele in aller Ruhe in Deckung gehen.

Nicht so dieser kleine Bursche! Er beobachtete bloß mit müder Neugier, wie mein krummer Pfeil durch die Luft auf ihn zutaumelte. Nun hatte ich endlich mal etwas getroffen, und die Feuersteinspitze nagelte den kleinen Körper an den Baumstamm.

Stolz auf meine Trophäe kehrte ich zu Nebogipfel zurück, denn Säugetiere waren nützlich für uns, nicht nur wegen ihres Fleisches, sondern auch wegen der Pelze, Zähne, des Fetts und der Knochen. Nebogipfel musterte den Kadaver des kleinen Nagetiers durch seine Maske.

»Vielleicht sollte ich noch mehr davon besorgen«, regte ich an. »Die kleine Kreatur schien bis zuletzt überhaupt nicht zu begreifen, in welcher Gefahr sie sich befand. Armes Vieh!«

»Weißt du, was das ist?«

»Sag's mir.«

»Ich glaube, daß es ein Purgatorius ist.«

»Und was hat es damit auf sich…?«

»Es ist ein Primat: der älteste überhaupt bekannte. Ein ferner Vorfahr von uns.« Eine Spur Belustigung war in seiner Stimme.

»Ich dachte, das wäre endlich vorbei«, fluchte ich. »Aber sogar im Paläozän trifft man noch auf Verwandte!« Ich studierte den winzigen Kadaver. »Da haben wir hier also den Vorfahren der Affen und Menschen, und der Morlocks! Die bedeutungslose kleine Eichel, aus der eine Eiche wird, die sich über mehr Welten als nur diese Erde ausbreiten wird… Ich frage mich, wieviele Menschen, Nationen und Spezies die Lenden dieses einfältigen kleinen Burschen wohl hervorgebracht hätten, wenn ich ihn nicht getötet hätte. Wieder einmal habe ich meine eigene Vergangenheit zerstört!«

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