Stephen Baxter - Zeitschiffe

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Eine neue Reise durch die Zeit führt den Helden aus H. G. Wells’ »Die Zeitmaschine« in Vergangenheiten und Zukünfte, die sich als alternative Zeitströme entpuppen, die er womöglich sehr erzeugt. Der Versuch, das temporale Durcheinander zu ordnen, führt ihn zum Urknall zurück und enthüllt ihm die Geheimnisse des Multiversums… Die »offizielle Fortsetzung« des SF-Klassiker ist eine sehr lange, recht zähe und wenig originelle Hetzjagd durch die Äonen, die erst in ihrem Finale einen »sense of wonder« gewinnt und ein wenig für die aufgewendete Lesezeit entschädigt.

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»Ich…« Es gebrach mir an Worten.

»Denn«, setzte Moses mit einem triumphierenden Unterton nach, »welche Erinnerungen hast du an einen ziemlich kräftigen Fremden und einen merkwürdigen Kompagnon wie diesen da, die eines Nachts auf deiner Türschwelle stehen? Hm?«

Die Antwort lautete natürlich — schrecklich! Unmöglich! —, daß ich keine derartigen Erinnerungen hatte. Betroffen drehte ich mich zu Nebogipfel um. »Wie ist es nur möglich, daß ich mich an dieses Vorkommnis nicht erinnern kann? Natürlich ist meine Mission unmöglich. War sie schon die ganze Zeit. Ich würde den jungen Moses niemals überzeugen können, weil ich mich nicht daran erinnern kann, wie ich, als ich selbst Moses war, meinerseits überzeugt worden war!«

»Ursache und Wirkung verlieren eben ihre absolute Kausalität, wenn Zeitmaschinen im Spiel sind.«

Mit einer weiteren dieser unerträglichen Spitzen meinte Moses: »Hier ist noch ein weiteres Rätsel für dich. Angenommen, ich würde dir glauben. Angenommen, ich würde deine Geschichte über die Ausflüge in die Zeit und deine Visionen verschiedener Historien akzeptieren. Angenommen, ich wäre mit der Vernichtung der Zeitmaschine einverstanden.«

Ich konnte mir schon denken, womit er gleich kommen würde. »Denn wenn die Zeitmaschine niemals gebaut worden wäre…«

»Wärst du nicht in der Lage, in der Zeit zurückzureisen und ihre Konstruktion zu verhindern…«

»…und so würde die Maschine schließlich doch gebaut werden…«

»… und du würdest aus der Zeit zurückkehren, um ihre Konstruktion zu unterbinden — und so würde das weitergehen, wie ein endloser Ringelpiez!« krähte er aus vollem Hals.

»Ja. Es wäre eine pathologische Kausalschleife«, kommentierte Nebogipfel. »Die Zeitmaschine muß gebaut werden, um ihre eigene Erschaffung zu verhindern…«

Ich vergrub das Gesicht in den Händen. Abgesehen von der Verzweiflung wegen der Demontage meiner Sache hatte ich zudem noch das unbehagliche Gefühl, daß der junge Moses intelligenter war als ich. Ich hätte diese logischen Schwachpunkte selbst bemerken müssen! — vielleicht stimmte es zu meinem Erschrecken doch, daß die Intelligenz, genauso wie die rein physikalischen Fertigkeiten, mit zunehmendem Alter abnimmt.

»Dennoch — trotz all dieser logischen Haarspaltereien — ist es nichtsdestoweniger die Wahrheit«, flüsterte ich. »Und die Maschine darf niemals gebaut werden.«

»Dann erkläre es mir«, verlangte Moses ohne große Sympathie. »›Sein oder Nichtsein‹ — das scheint hier nicht die Frage zu sein«, konstatierte er. »Wenn du tatsächlich ich bist, dann wirst du dich auch daran erinnern, wie du in jener stümperhaften Schulaufführung den Part von Hamlets Vater übernehmen mußtest.«

»Ich erinnere mich gut.«

»Die Frage müßte meiner Ansicht nach eher so lauten: Wie können Dinge Sein und — simultan — Nicht Sein?«

»Aber es ist wahr«, ließ sich Nebogipfel vernehmen. Der Morlock trat ein paar Schritte ins Licht und schaute uns abwechselnd an. »Ich bin jedoch der Meinung, daß wir eine höhere Logik konzipieren müssen — eine Logik, welche die Interaktion einer Zeitmaschine mit der Geschichte erklärt — eine Logik, welche die Existenz multipler Historien begründen kann…«

Und dann — just in diesem Moment, als meine eigene Unsicherheit am größten war — vernahm ich vor dem Haus ein Brüllen wie von einem riesigen Motor, dessen Echo sich am Hügel brach. Der Boden schien zu erbeben — als ob irgendein Monster angestapft käme — und ich hörte Rufe, und — obwohl es eigentlich völlig unmöglich war, daß sich so etwas am frühen Morgen im verschlafenen Richmond zutrug — das Knattern von Gewehrschüssen.

Moses und ich blickten uns alarmiert an. »Gütiger Gott«, sagte Moses. »Was ist denn das?«

Ich glaubte, das Gewehrfeuer wieder zu hören, und jetzt verwandelte sich das Rufen in einen Schrei, der plötzlich abbrach.

Zusammen rannten wir aus dem Raucherzimmer in den Flur. Moses riß die Tür auf — daß sie fast aus den Angeln flog —, und wir stürzten auf die Straße. Da war Mrs. Penforth, schmal und streng, und Poole, Moses' Bursche. Mrs. Penforth hatte ein quittengelbes Staubtuch in der Hand und umklammerte Pooles Arm. Sie schauten flüchtig zu uns her und wandten die Blicke dann wieder ab — sie ignorierten den Morlock, als ob er genauso alltäglich wäre wie ein Franzose oder Schotte!

Eine ganze Anzahl Leute bevölkerte die Petersham Road und gaffte. Moses berührte meinen Arm und deutete die Straße hinunter in Richtung der Stadt. »Dort«, sagte er. »Dort ist deine Anomalie.«

Es war, als ob ein Linienschiff aus dem Meer gehoben und von einer großen Welle dort auf Richmond Hill angelandet worden wäre. Es befand sich vielleicht zweihundert Yards vom Haus entfernt: ein großer Metallkasten mit einer Länge von wenigstens achtzig Fuß, der wie ein großes eisernes Insekt mitten auf der Petersham Road lag.

Aber es handelte sich nicht um ein gestrandetes Monster: wie ich jetzt sah, kroch es auf uns zu, langsam zwar, aber zielstrebig, und wo es vorbeigekommen war, bemerkte ich, daß es auf dem Straßenbelag eine Reihe miteinander verbundener Eindrücke hinterlassen hatte, wie die Spuren eines Vogels. Die Oberseite des Linienschiffes war mit einem komplexen Muster von Öffnungen übersät — ich hielt sie für Stückpforten oder Periskopöffnungen.

Der Morgenverkehr war gezwungen, dem Ding auszuweichen; zwei Einspänner lagen umgekippt vor ihm auf der Straße, sowie ein Brauereiwagen, dessen unglückliches Zugpferd noch immer im Geschirr hing, und Bier strömte aus zerbrochenen Fässern.

Ein Jugendlicher mit einer Kappe schleuderte leichtsinnigerweise einen Stein gegen die Metallhülle des Dings. Der Stein prallte von der Wandung ab, ohne einen Kratzer zu hinterlassen, aber dennoch blieb die Aktion nicht ohne Folgen: Ich sah, wie sich ein Gewehrlauf durch eine dieser oberen Öffnungen schob und krachend auf den Jungen abgefeuert wurde.

Er fiel, wo er gestanden hatte, und rührte sich nicht mehr.

Nach diesem Vorfall löste sich die Menge schnell auf, und es ertönten auch keine Schreie mehr. Mrs. Penforth schluchzte in ihr Staubtuch, und Poole brachte sie ins Haus zurück.

Mit einem Knall öffnete sich eine Luke in diesem geländegängigen Linienschiff und ich sah kurz im beleuchteten Inneren ein Gesicht (das ich für maskiert hielt) zu uns herausschauen.

»Es kommt aus der Zeit«, stellte Nebogipfel fest. »Und es ist wegen uns gekommen.«

»Wahrhaftig.« Ich wandte mich Moses zu. »Nun«, sagte ich zu ihm. »Glaubst du mir jetzt?«

Der Leviathan Lord Raglan

Moses' Grinsen war angespannt und nervös, sein Gesicht bleicher als sonst, und die buschigen Augenbrauen schweißnaß. »Offensichtlich bist du nicht der einzige Zeitreisende!«

Das mobile Fort — wenn es denn eines war — überwand träge die Steigung zu meinem Haus. Es war eine lange, flache Kiste, die irgendwie an eine Käseglocke erinnerte. Sie war mit einem Anstrich aus grünen und schlammbraunen Flecken überzogen — als ob ihr natürlicher Lebensraum das offene Gelände wäre. Eine Metallschürze zog sich um ihren unteren Teil, vielleicht um die empfindlicheren Partien der Konstruktion vor feindlichem Gewehr- und Schrapnellfeuer zu schützen. Ich schätzte das Tempo des Forts auf sechs Meilen pro Stunde, und — dank einer neuartigen Antriebstechnik, deren Einzelheiten ich wegen dieser Schürze nicht erkennen konnte — gelang es ihm, sich trotz der Steigung des Hügels in der Waagrechten zu halten.

Abgesehen von uns dreien — und diesem bedauernswerten Brauereigaul — befand sich jetzt keine lebende Seele mehr auf der Straße, und es herrschte eine Stille, die nur vom tiefen Brummen der Maschinen des Forts und dem gequälten Wiehern des Pferdes durchdrungen wurde.

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