Stephen Baxter - Zeitschiffe

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Eine neue Reise durch die Zeit führt den Helden aus H. G. Wells’ »Die Zeitmaschine« in Vergangenheiten und Zukünfte, die sich als alternative Zeitströme entpuppen, die er womöglich sehr erzeugt. Der Versuch, das temporale Durcheinander zu ordnen, führt ihn zum Urknall zurück und enthüllt ihm die Geheimnisse des Multiversums… Die »offizielle Fortsetzung« des SF-Klassiker ist eine sehr lange, recht zähe und wenig originelle Hetzjagd durch die Äonen, die erst in ihrem Finale einen »sense of wonder« gewinnt und ein wenig für die aufgewendete Lesezeit entschädigt.

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Ich fand seine Antwort reichlich erschreckend.

»Eigentlich«, bestätigte er, »ja.«

Und dann brachte ich keine Energie mehr für weitere Fragen auf, denn ich bemerkte, daß ich wie ein Ballon in dieser kleinen Kabine umherdriftete; und diese Erkenntnis löste einen Kampf gegen die Übelkeit aus, der viele Minuten dauerte.

Schließlich erlangte ich die Kontrolle über meinen Körper wenigstens zum Teil zurück.

Ich ließ mir von Nebogipfel die Prinzipien dieses Fluges zur Erde erklären. Und als er geendet hatte, realisierte ich, wie elegant und wirtschaftlich die Lösung der Morlocks für die Reise zwischen der Sphäre und ihrem Kordon aus den übriggebliebenen Planeten war — sie war so eingängig, daß ich auch von selbst darauf hätte kommen müssen, und ich vergaß all die unsinnigen Spekulationen über Raketen —, und doch eröffnete sich hier eine weitere Facette der unmenschlichen Disposition der Morlockseele! Anstelle der grandiosen Raumjacht, die ich eigentlich erwartet hatte, würde ich die Distanz vom Venusorbit bis zur Erde in nichts Großartigerem als diesem tablettenförmigen Sarg zurücklegen.

Nur wenige Menschen meines Jahrhunderts wissen, daß das Universum zum überwiegenden Teil leer ist, durchzogen von einigen Inseln der Wärme und des Lebens, und welch immense Geschwindigkeiten erforderlich sind, um interplanetarische Entfernungen in einer vertretbaren Zeit zurückzulegen. Aber am Äquator bewegte sich die Sphäre der Morlocks bereits mit einer sehr hohen Geschwindigkeit. Daher brauchten die Morlocks auch keine Raketen oder Kanonen, um auf interplanetarische Geschwindigkeiten zu beschleunigen. Sie ließen einfach ihre Kapseln aus der Sphäre fallen und die Rotation den Rest erledigen.

So waren sie auch mit uns verfahren. Bei solchen Geschwindigkeiten, sagte mir der Morlock, würden wir in knapp siebenundvierzig Stunden im Zielgebiet eintreffen.

Ich schaute mich in der Kapsel um, aber ich konnte weder Anzeichen von Raketen noch sonstiger Antriebskräfte erkennen. Ich schwebte in dieser kleinen Kabine und fühlte mich groß und plump: mein Bart driftete vor meinen Augen in einer grauen Wolke, und meine Jacke zerrte ständig an den Schulterblättern und wollte sich mir über den Kopf ziehen. »Ich verstehe die Prinzipien des Starts«, sagte ich zu Nebogipfel. »Aber wie wird diese Kapsel gesteuert?«

Er zögerte. »Es gibt keine Steuerung. Hast du das, was ich dir erklärt habe, denn nicht verstanden? Die Kapsel benötigt keinen eigenen Antrieb, denn die Geschwindigkeit, die sie durch die Sphäre erfährt…«

»Ja«, meinte ich ungeduldig, »das weiß ich. Aber was, wenn wir feststellen sollten, daß wir wegen eines Startfehlers vom Kurs abgekommen sind — daß wir die Erde verfehlen werden?«

Ich erkannte nämlich, daß schon die kleinste Abweichung an der Sphäre, bloß der Bruchteil einer Bogenminute, uns — aufgrund der gigantischen interplanetarischen Distanzen — um mehrere Millionen Meilen an der Erde vorbeischicken konnte — und dann würden wir vermutlich bis in alle Ewigkeit in der Leere zwischen den Sternen dahintreiben und dieses Thema diskutieren, bis uns die Luft ausging! Er wirkte verwirrt. »Es ist kein Fehler aufgetreten.« »Aber trotzdem«, hakte ich nach, »wenn einer aufgetreten wäre, vielleicht wegen eines mechanischen Defektes — wie sollten wir dann, in dieser Kapsel, unsere Flugbahn korrigieren?«

Er ließ sich mit der Antwort Zeit. »Es treten keine Defekte auf«, erwiderte er. »Und deswegen benötigt diese Kapsel keinen Hilfsantrieb, wie du glaubst.«

Zunächst konnte ich das nicht ganz glauben, und ich mußte es Nebogipfel mehrmals wiederholen lassen, bevor ich seine Aussage endlich akzeptierte. Aber irgendwie hatte ich doch recht! — nach dem Start bewegte sich die Kabine genauso steuerlos wie ein geworfener Stein: meine Kapsel fiel so hilflos durch das All wie Vernes lunare Kanonenkugel.

Als ich die Unausgegorenheit dieses Arrangements beanstandete, bekam ich den Eindruck, daß der Morlock sich zu echauffieren begann — als ob ich mit einem vorgeblich liberalen Vikar einen moralisch heiklen Aspekt diskutieren würde —, und ich gab es auf.

Die Kapsel rotierte langsam und bewirkte, daß die entfernten Sterne und die immense Wandung der Sphäre um uns herumwirbelten. Ich glaube, daß ich mir ohne diese Rotation möglicherweise hätte einreden können, mich in sicherer Ruhe zu befinden, vielleicht in einer Wüstennacht; aber das Taumeln ließ mich unmöglich vergessen, daß ich mich in einer isolierten, fragilen Kiste befand, die ohne Antrieb und Halt vor sich hinstürzte. Die ersten paar Stunden in dieser Kapsel verbrachte ich in einer Angststarre! Ich konnte mich weder an die Transparenz der Wände um uns herum gewöhnen noch an die Vorstellung, daß wir jetzt, nach unserem Start, keine Möglichkeit hatten, den Flug zu steuern. Die Reise hatte Elemente eines Alptraums — ein Sturz durch endlose Dunkelheit, ohne eine Handhabe, Rettungsmaßnahmen zu ergreifen. Und hier, in einer Nußschale, trat die fundamentale Diskrepanz in der Mentalität von Morlocks und Menschen zutage. Denn welcher Mensch hätte sein Leben einer ballistischen Reise über interplanetarische Distanzen anvertraut, ohne die Möglichkeit einer Kurskorrektur?

Aber so waren die Morlocks eben: Nach einer halben Million Jahren steter technologischer Weiterentwicklung verließen sich die Morlocks blind auf ihre Maschinen, denn die Maschinen ließen sie nie im Stich.

Ich hingegen war kein Morlock! Allmählich legte sich jedoch meine Angst. Abgesehen vom langsamen Taumeln der Kapsel, das meine Reise zur Erde ständig begleitete, verflossen die Stunden in einer Stille und Ruhe, die nur durch das an ein Flüstern erinnernde Atmen meines Morlock-Kameraden unterbrochen wurde. Es war angenehm warm im Boot, so daß es mir körperlich rundum gut ging. Die Wandung bestand aus diesem aus dem Boden gezogenen Zeug, und auf eine Berührung von Nebogipfel hin wurde ich mit Essen, Trinken und anderen Dingen versorgt, obwohl die Auswahl begrenzter war als in der Sphäre, die einen größeren Speicher hatte.

Mit absoluter Leichtigkeit flogen wir durch die große Kathedrale des interplanetarischen Raums. Ich begann mich allmählich richtig körperlos zu fühlen, und eine Stimmung völliger Losgelöstheit und Unabhängigkeit ergriff von mir Besitz. Es war nicht mehr eine Reise oder sogar — wie in diesen ersten Stunden — ein Alptraum; vielmehr bekam der Flug die Qualität eines Traumes.

Meine Erlebnisse in der Ersten Zukunft

Am zweiten Tag unseres Fluges befragte mich Nebogipfel erneut über meine erste Reise in die Zukunft.

»Es ist dir gelungen, deine Maschine von den Morlocks zurückzuholen«, stellte er fest. »Und dann bist du weitergereist, weiter in die Zukunft jener Historie…«

»Lange Zeit hatte ich mich nur auf der Maschine gehalten«, erinnerte ich mich, »genauso wie ich mich jetzt an diesen Stangen festhalte, ohne zu wissen, wohin die Reise ging. Und endlich konnte ich mich überwinden, auf meine Chronometer zu blicken, und ich sah, daß die Zeiger mit enormer Geschwindigkeit weiterrasten, weiter in die Zukunft.

Du mußt nämlich bedenken«, sagte ich zu ihm, »daß in dieser anderen Historie die Erdachse und ihre Rotation nicht korrigiert worden waren. Tag und Nacht flatterten wie Schwingen über der Erde, und der Pfad der Sonne verlief im Wechsel der Jahreszeiten zwischen seinen Wendepunkten. Aber allmählich bemerkte ich doch eine Veränderung: daß, trotz meiner gleichbleibenden Geschwindigkeit durch die Zeit, das Flackern von Tag und Nacht wiederkehrte und noch akzentuierter wurde.«

»Die Rotation der Erde verlangsamte sich«, kommentierte Nebogipfel.

»Ja. Schließlich schienen sich die Tage über Jahrhunderte zu erstrecken. Die Wanderung der Sonne über den Himmel kam ganz zum Erliegen. Der Tag hatte sich in eine Kuppel verwandelt — und riesig und zornig glühte sie in ihrer verminderten Hitze. Zuweilen verstärkte sich ihre Leuchtkraft wieder oder nahm ab — Zuckungen, die eine Reminiszenz an ihre frühere Helligkeit darstellten. Aber jedesmal fiel sie wieder in ihr düsteres Rot zurück.

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