Danach klebten meine Hände und Lippen, und ich hielt nach einem Waschbecken oder einer Toilette Ausschau. Natürlich wurde ich nicht fündig; und so behalf ich mich mit dem Inhalt einer weiteren Wasserschüssel, woraufhin ich mir das Gesicht mit einem Hemdzipfel abtrocknete.
Ich fummelte an den Pseudo-Fenstern herum und sprang in die Höhe, um an der kitschigen Deckenverzierung herumzustochern, aber ohne Erfolg; das Material der Wände und der Decke war so glatt und unverwüstlich wie Marmor. Ich führte Grabungen im Sand des Fußbodens durch und ermittelte dabei eine Schichttiefe von zehn bis zwölf Zoll; darunter befand sich ein Mosaik aus bunten Fragmenten in Anlehnung an den römischen Stil — aber anders als die Decke zeigte das Mosaik kein Porträt oder Szenen, die ich hätte deuten können, sondern nur ein bruchstückhaftes Konglomerat von Entwürfen.
Ich war allein, und auch von der anderen Seite der Wände kam kein Laut: kein Laut in meinem Universum, außer dem Kratzen meines Atems und dem Pumpen des Herzens — dieselben Geräusche, deren Rückkehr ich jüngst so freudig begrüßt hatte!
Nach einiger Zeit forderten gewisse menschliche Bedürfnisse ihr Recht. Ich unterdrückte sie, so lange es ging, war aber schließlich doch gezwungen, flache Gruben auszuheben, um mich dort zu erleichtern.
Als ich mich über die erste dieser Gruben hockte, schämte ich mich außerordentlich. Ich fragte mich, was die Sternen-Menschen dieses entfernten 1891 wohl von dieser Vorstellung hielten!
Als ich müde wurde, setzte ich mich mit dem Rücken an die Wand des Zimmers. Anfangs behielt ich die Licht-Brille noch auf, aber dann störte mich das helle Licht beim Einschlafen; also nahm ich sie ab und befestigte sie während des Schlafs an der Hand.
So begann mein Aufenthalt in diesem bizarren käfigartigen Raum. Als sich meine anfängliche Furcht gelegt hatte, überkam mich eine rastlose Langeweile. Dieses Gefängnis erinnerte mich an die Zeit im Lichtkäfig der Morlocks, und auf eine Neuauflage dieser Erfahrung war ich nun wirklich nicht erpicht. Langsam kam ich zu der Überzeugung, daß alles, selbst das Element der Gefahr, noch einem weiteren Verbleib in diesem düsteren, fensterlosen Gefängnis vorzuziehen sei. Mein Exil im Paläozän — fünfzig Millionen Jahre vom nächsten Zeitungsstand entfernt — hatte mich wohl von meinem alten Lese-Drang kuriert; aber dennoch glaubte ich manchmal, daß ich noch verrückt würde, weil ich niemanden zum Reden hatte.
Jedesmal, wenn ich schlief, wurden die Essens- und Wasserschüsseln aufgefüllt. Ich habe nie den Mechanismus ermitteln können, mit dem das geschah. Es gab keinen Hinweis auf Extruder, wie sie die Morlocks verwendeten; doch genausowenig sah ich jemals, daß die Schalen von einem Lebewesen aufgefüllt wurden. Einmal schlief ich versuchsweise mit einer unter dem Körper vergrabenen Schüssel. Ein sogartiges Gefühl unter den Rippen weckte mich. Als ich mich erhob, war die Schüssel wie durch einen wundersamen Vorgang wieder mit Wasser gefüllt.
Zögernd gelangte ich zu dem Schluß, daß eine unsichtbare Maschinerie in den Schalen selbst irgendwie den Inhalt zubereitete — entweder aus der Materie der Schalen oder aus der Luft. Ich hielt es für möglich — obwohl ich es gar nicht so genau wissen wollte! —, daß meine verscharrten Exkremente von derselben verborgenen Mechanik wiederaufbereitet wurden. Es war eine bizarre, und nicht sehr appetitanregende Vorstellung.
Experimente und Reflektionen
Nach drei oder vier Tagen verspürte ich das Bedürfnis, mich gründlich zu säubern. Wie ich schon sagte, gab es hier nichts, was auf sanitäre Einrichtungen hindeutete, und langsam genügte mir die Katzenwäsche nicht mehr, die ich mit dem Trinkwasser aus den Schüsseln durchführte. Ich sehnte mich nach einem Bad, oder, noch besser, einer Runde Schwimmen im Ozean des Paläozäns.
Es dauerte eine Weile — man mag mich in dieser Hinsicht für eine ziemliche Trantüte halten —, bevor ich meine Aufmerksamkeit wieder diesem Porzellanwürfel widmete, den ich seit der ersten zögerlichen Erkundung der Kammer nicht mehr beachtet hatte. Nun ging ich auf diesen Würfel zu und setzte vorsichtig einen Fuß auf die Porzellanfläche. Erneut trat sofort Dampf aus den Wänden aus.
Plötzlich begriff ich. Voller Eifer zog ich Stiefel und Kleider aus (die Brille legte ich aber nicht ab) und betrat die kleine Kabine. Dampf nebelte mich von allen Seiten ein; ich begann zu schwitzen, und die Brille beschlug. Ich hatte eigentlich erwartet, daß sich der Dampf im ganzen Raum verteilen und ihn in eine Art Sauna verwandeln würde. Aber er füllte nur die Kabine aus, zweifellos aufgrund einer Vorrichtung, die für einen unterschiedlichen Luftdruck sorgte.
Das war also mein Bad: es war zwar nicht ausgestattet wie die sanitären Einrichtungen meiner Zeit — aber warum hätte es das auch sein sollen? Mein Haus in der Petersham Road war schließlich in einer anderen Historie verloren. Ich erinnerte mich, daß z. B. Die Römer keine Seife oder sonstige Reinigungsmittel gekannt hatten; sie mußten sich mit dieser Art des Dampfbades behelfen, um den Schmutz aus den Poren zu schwitzen. Und auch in meinem Fall erwies sich die Sauna als ziemlich effektiv, obwohl ich nicht wie die Römer über eine Bürste verfügte und deshalb mit den Fingernägeln die Dreckkruste abkratzen mußte.
Als ich die Sauna verließ, suchte ich nach einer Möglichkeit, mich abzutrocknen, denn ein Handtuch hatte ich nicht. Zuerst dachte ich, ungern zwar, an die Kleidung; und dann hatte ich eine Eingebung und wandte mich dem Sand zu. Ich stellte fest, daß das körnige Zeug zwar auf der Haut kratzte, die Feuchtigkeit aber recht gut aufsog.
Meine Erfahrung mit der Sauna veranlaßte mich zu selbstkritischer Betrachtung. Wie beschränkt mußte ich sein, daß ich so lange gebraucht hatte, die Funktion eines derart offensichtlichen Einrichtungsgegenstandes zu deduzieren? Schließlich gab es in der Welt meiner Zeit viele Orte, die nicht die Freuden moderner Klempnerkunst und Porzellanbadewannen kannten — unter anderem auch viele Stadtteile von London, wenn man den Schauergeschichten in der Pall Mall Gazette Glauben schenkte.
Es war klar, daß die unbekannten Sternen-Menschen dieses Zeitalters keine Mühen gescheut hatten, mich in einem Raum unterzubringen, der alles Notwendige enthielt. Ich befand mich ja jetzt auch in einer grundlegend anderen Historie; und vielleicht war die Fremdartigkeit dieser Kammer — das Fehlen erkennbarer sanitärer Einrichtungen, die ungewöhnliche Nahrung etc. — im Grunde gar nicht so signifikant oder bizarr, wie es für mich den Anschein hatte.
Man hatte mich mit den Elementen eines Hotelzimmers meiner eigenen Zeit ausgestattet — aber sie waren eben mit einer sanitären Anlage kombiniert worden, die aus der Zeit der Geburt Christi zu stammen schien; und was das Essen betraf, so schienen diese Teller mit Nüssen und Früchten, an denen ich mich laben sollte, eher in die Zeit meiner frühen Jäger-und-Sammler-Vorfahren zu gehören — so ungefähr vierzigtausend Jahre vor meiner Geburt.
Es war eine wahllos zusammengestellte Mischung aus Fragmenten verschiedener Abschnitte der Menschheitsgeschichte! Aber trotzdem glaubte ich, ein bestimmtes Muster darin zu erkennen.
Ich überlegte, was mich und die Bewohner dieser Welt trennen mochte. Seit der Gründung Alt-Londons war die Entwicklung fünfzig Millionen Jahre weit fortgeschritten — und übertraf damit die evolutionäre Lücke zwischen mir und dem Morlock um das mehr als Hundertfache. Über solch unvorstellbare Zeitabschnitte wird die Zeit komprimiert — als ob Schichten von Sedimentgestein von den darüberliegenden Gesteinsmassen zusammengedrückt würden — bis die Distanzen zwischen mir und Gaius Julius Cäsar, oder sogar zwischen dem ersten Menschen auf Erden und mir — Perioden, die aus meiner Perspektive so immens wirkten — praktisch auf Null zusammenschrumpften.
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