Meinen Ausdruck tiefster Liebe für euch drei. Schick mir ein Holo von der Kirschblüte, wenn du kannst – sie blühen doch bald, nicht wahr? Man verliert hier den Sinn für die Zeit zu Hause!
In Liebe
Dein Großvater
Die Sache bei Wiederholungsflügen ist die: Man weiß, dass jemand diesen Flug schon einmal unternommen hat und unversehrt zurückgekommen ist; und nicht nur das, sondern dass er auch einen Fund gemacht hat, dem nachzugehen sich lohnt. Auf manchen Planeten wird man sehr fündig. Etwa Peggys Planet, wo die Heizspulen und die Pelze herstammen. Oder Eta Carina Sieben, wahrscheinlich voll brauchbarer Dinge, wenn man nur herankönnte. Der Haken dabei ist, dass der Planet seit dem letzten Besuch der Hitschi eine Eiszeit erlebt hat. Die Stürme sind furchtbar. Von fünf Landefahrzeugen kam eines mit voller Besatzung unbeschädigt zurück. Eines tauchte überhaupt nicht mehr auf.
Allgemein gesprochen ist man auf Gateway nicht besonders begierig darauf, dass jemand einen Flug wiederholt. Man bietet eine Barabfindung statt einer Beteiligung, wenn es ziemlich leicht ist, etwas mitzubringen, etwa von Peggys Planeten. Sie bezahlen für Karten mehr als für Handelsgüter. Man fliegt also hin und verbringt seine Zeit damit, Umläufe zu absolvieren, um die geologischen Anomalien zu suchen, die darauf hindeuten, dass Hitschi-Höhlen vorhanden sind. Man landet vielleicht gar nicht. Die Bezahlung ist lohnend, aber nicht üppig. Man müsste mindestens zwanzig solche Flüge machen, um so viel zu verdienen, dass es für ein ganzes Leben reicht, wenn man sich mit den einmaligen Zahlungen der Gesellschaft abfindet. Und wenn man beschließt, es auf eigene Faust zu versuchen, muss man der Entdecker-Besatzung einen Gewinnanteil und einen Anteil von dem bezahlen, was vom Erlös übrig bleibt. Man hat am Ende einen Bruchteil dessen, was man bei einem Erstfund erhalten könnte, selbst wenn am Ort nicht schon eine Kolonie existiert, mit der man es zu tun bekommt.
Oder man kann es mit einem Bonus versuchen: hundert Millionen Dollar, wenn man eine fremde Zivilisation findet; fünfzig Millionen für die erste Besatzung, die ein Hitschi-Schiff, größer als ein Fünfer, findet; eine Million für den Fund eines bewohnbaren Planeten.
Eigentlich merkwürdig, dass sie für einen neuen Planeten nur eine schäbige Million bezahlen, möchte man meinen. Aber der Haken dabei ist: Was macht man damit, sobald man ihn gefunden hat? Man kann überschüssige Bevölkerung nicht in großer Zahl exportieren, wenn in jedes Schiff nur vier Passagiere passen, und zwar in das größte, das es auf Gateway gibt. (Wenn man keinen Piloten mitschickt, bekommt man das Schiff nicht zurück.) Die Gesellschaft hat daher ein paar kleine Kolonien unterstützt, eine sehr gesunde auf Peggys Planet, die anderen eher armselig. Aber das löst das Problem von fünfundzwanzig Milliarden Menschen nicht, von denen die meisten unterernährt sind.
Diese Art von Bonus bekommt man bei einem Wiederholungsflug nicht. Vielleicht kann man so manchen Bonus überhaupt nicht verdienen; vielleicht gibt es das gar nicht, wofür er ausgesetzt ist.
Es ist sonderbar, dass niemand je die Spur eines anderen intelligenten Wesens gefunden hat. In achtzehn Jahren und bei über zweitausend Flügen hat man nichts entdeckt. Es gibt ungefähr ein Dutzend bewohnbarer Planeten, dazu noch an die hundert, auf denen Menschen leben könnten , wenn es unbedingt sein müsste, so, wie wir es auf dem Mars und auf – oder vielmehr in – der Venus tun müssen. Es gibt einige Spuren alter Zivilisationen. Und es gibt die Erinnerungsstücke der Hitschi selbst. Dabei befindet sich mehr in den Gängen unter der Venusoberfläche, als wir bis jetzt sonstwo in der Galaxis gefunden haben. Selbst Gateway ist fast völlig ausgeräumt worden, bevor sie den Asteroiden aufgaben.
Verdammte Hitschi, warum mussten sie so ordentlich sein?
Wir gaben die Idee mit den Wiederholungsflügen also auf, weil nicht genug zu verdienen war, und schlugen uns die Sonderprämien aus dem Kopf, weil es einfach keine Möglichkeit gibt, sich vorzunehmen, dergleichen zu finden.
Und schließlich hörten wir auf zu reden und sahen uns nur noch an, und dann sahen wir einander nicht einmal mehr an.
Gleichgültig, was wir auch sagen mochten, wir wollten nicht hinaus. Wir hatten den Nerv nicht. Klaras Nerv hatte sie bei ihrem letzten Flug verlassen, und ich hatte ihn wohl nie besessen.
»Tja«, sagte Klara, stand auf und reckte sich, »ich glaube, ich gehe hinauf und gewinne ein paar Kröten im Kasino. Willst du zusehen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich gehe wohl besser wieder an meine Arbeit, falls ich noch eine habe.«
Wir küssten uns am Schacht zum Abschied, und als wir meine Etage erreichten, tätschelte ich ihren Fußknöchel und sprang ab. Ich war nicht gerade guter Stimmung. Wir hatten uns solche Mühe gegeben, einander zu versichern, es gebe keine Starts, die angesichts der Risiken eine ausreichende Belohnung boten, dass ich es fast glaubte.
Wir hatten die andere Art von Belohnung natürlich gar nicht erwähnt: Die Gefahrenprämien.
Man muss schon ziemlich verzweifelt sein, wenn man sich die verdienen will. Die Gesellschaft setzt etwa eine Anreizprämie von einer halben Million für eine Besatzung aus, die einen Flug wiederholt … von dem die erste Besatzung nicht zurückgekommen ist. Man geht davon aus, dass vielleicht mit dem Schiff irgendetwas nicht in Ordnung war, dass der Treibstoff zu Ende gegangen war oder dergleichen, und dass ein zweites Schiff vielleicht sogar die Besatzung des ersten retten könnte. (Schöne Aussicht!) Natürlich sprach eher alles dafür, dass das, was die erste Besatzung umgebracht hatte, noch immer da war und dich auch ums Leben bringen mochte.
Dann gab es eine Zeit, als man sich für eine Million – später auf fünf Millionen erhöht – dazu verpflichten konnte, nach dem Start die Kurseinstellung zu verändern.
Der Grund, warum die Prämie auf fünf Millionen erhöht wurde, war der, dass niemand sich mehr freiwillig meldete, nachdem keines, nicht ein einziges, von diesen Schiffen zurückgekommen war. Dann gab man das auf, weil man zu viele Schiffe verlor, und es wurde schließlich völlig verboten. Ab und zu kommen sie mit einer Zusatz-Steuerkonsole daher, einem tollen neuen Computer, der angeblich symbiotisch mit der Hitschi-Steuerung zusammenarbeitet. Auch diese Schiffe stellen ein hohes Risiko dar. Es gibt einen Grund für die Sicherheitssperre an der Hitschi-Konsole. Man kann die Zieleinstellung nicht verändern, solange sie in Betrieb ist. Vielleicht kann man den Kurs überhaupt nicht verändern, ohne das Schiff zu zerstören.
Ich sah einmal fünf Leute den Versuch unternehmen, sich die Fünf-Millionen-Gefahrenprämie zu verdienen. Irgendein Genie der Gesellschaft zerbrach sich den Kopf darüber, wie man mehr als fünf Personen oder das Frachtäquivalent auf einen Schlag transportieren konnte. Wir wussten nicht, wie ein Hitschi-Schiff gebaut wird, und wir hatten nie ein wirklich großes gefunden. Das Genie dachte sich deshalb, wir könnten das Hindernis vielleicht dadurch überwinden, dass wir einen Fünfer als eine Art Schlepper verwenden.
Man konstruierte also aus Hitschi-Metall eine Art Raumleichter. Man belud ihn mit Schrott und flog einen Fünfer mit Landekapselantrieb hinaus. Dazu braucht man nur Wasserstoff und Sauerstoff, und die kann man leicht wieder hineinpumpen. Dann befestigte man den Leichter mit Monofaser-Metallkabeln am Fünfer-Schiff.
Wir verfolgten das Ganze über PV von Gateway aus. Wir sahen, wie die Kabel sich spannten, als der Fünfer seine Landekapseldüsen zündete. Das Verrückteste, was man je gesehen hat.
Dann musste die Startwarze gedrückt worden sein.
Alles, was wir auf dem PV-Schirm sahen, war, dass der Leichter ein bisschen zuckte und der Fünfer schlagartig verschwand.
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