»Dann ist das die Mannschaft«, sagte Ender.
»Ohne Diskussion«, fügte Bürgermeister Kovano hinzu.
»Wird die Schwarmkönigin das Schiff bauen?« fragte Jane.
»Ja«, sagte Ender.
»Dann möchte auch ich um einen Gefallen bitten. Ela, kannst du dir auch das Muster für einen weiteren Virus einprägen, wenn ich dir diese fünf Minuten gebe?«
»Den Virus für Weg?« fragte sie.
»Wir sind es ihnen für die Hilfe schuldig, die sie uns geleistet haben.«
»Ich glaube schon«, sagte sie. »Zumindest kann ich mir die Unterschiede zwischen diesem Virus und der normalen Descolada einprägen. Das ist sowieso alles, was ich mir merken kann – die Unterschiede.«
»Und wann wird das alles stattfinden?« fragte der Bürgermeister.
»Sobald die Schwarmkönigin das Schiff gebaut hat«, erwiderte Jane. »Uns bleiben nur noch achtundvierzig Tage, bis die Hundert Welten ihre Verkürzer ausschalten werden. Wir wissen mittlerweile, daß ich diesen Tag überleben werde, doch er wird mich verkrüppeln. Es wird eine Weile dauern, bis ich all meine verlorenen Erinnerungen zurückbekommen habe, wenn mir das überhaupt jemals möglich sein sollte. Und bis dahin kann ich mir unmöglich das Muster eines Schiffes einprägen, das ins Außen fliegen soll.«
»Die Schwarmkönigin kann ein so primitives Schiff lange vorher fertig haben«, sagte Ender. »Mit einem so kleinen Schiff besteht keine Chance, alle Menschen und Pequeninos vor der Ankunft der Flotte von Lusitania wegzubringen, einmal ganz davon abgesehen, daß das Ausschalten der Verkürzer verhindern wird, daß Jane das Schiff weiterhin fliegen kann. Aber es bleibt genug Zeit, um neue, Descolada-freie Pequenino-Gemeinschaften auf ein Dutzend Planeten zu bringen. Zeit genug, um ebenfalls die neuen, bereits für ihre ersten paar hundert Eier fruchtbar gemachten Schwarmköniginnen in ihren Kokons auf ein Dutzend Welten zu bringen. Falls es funktioniert, falls wir nicht nur Verrückte sind, die sich wünschen, fliegen zu können, werden wir mit Frieden für diese Welt zurückkehren, mit der Freiheit von der Gefahr der Descolada und sicherem Unterschlupf für die genetischen Erbanlagen der anderen Ramänner-Spezies auf diesem Planeten. Vor einer Woche sah es noch unmöglich aus. Jetzt haben wir Hoffnung.«
»Gracas a deus«, sagte der Bischof.
Quara lachte.
Alle sahen sie an.
»Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe nur gedacht… ich habe vor ein paar Wochen ein Gebet gehört. Ein Gebet an Os Venerados, an Großvater Gusto und Großmutter Cida. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, die unmöglichen Probleme zu lösen, denen wir gegenüberstehen, sollten sie Gott bitten, uns den Weg zu zeigen.«
»Kein schlechtes Gebet«, sagte der Bischof. »Und vielleicht hat uns Gott den Wunsch gewährt.«
»Ich weiß«, sagte Quara. »Das habe ich auch gedacht. Und wenn diese Sache mit dem Außen-Raum und dem Innen-Raum vorher ganz einfach nicht real gewesen wäre? Wenn es nur wegen dieses Gebets Wirklichkeit wurde?«
»Was dann?« fragte der Bischof.
»Nun, meint ihr nicht auch, daß das ungeheuer komisch wäre?«
Anscheinend war niemand dieser Meinung.
›Also steht den Menschen ihr Sternenschiff schon jetzt zur Verfügung, während das, was du für uns baust, noch nicht fertig ist.‹
›Sie wollen einen Kasten mit einer Tür. Kein Antrieb, kein Lebenserhaltungssystem, keine Frachträume. Das eure und das unsrige sind viel komplizierter. Wir haben es nicht langsam angehen lassen, und sie werden bald fertig sein.‹
›Ich beschwere mich wirklich nicht. Ich will auch, daß Enders Schiff zuerst fertig ist. Es ist dasjenige, das wirkliche Hoffnung trägt.‹
›Für uns auch. Wir stimmen mit Ender und seinen Leuten überein, daß die Descolada hier auf Lusitania niemals getötet werden darf, außer es gelingt irgendwie, die Recolada zu schaffen. Doch wenn wir neue Schwarmköniginnen zu anderen Welten schicken, werden wir an Bord der Sternenschiffe, die sie befördern, die Descolada töten, damit keine Gefahr besteht, unsere neue Heimat zu verseuchen. Damit wir ohne Furcht vor der Vernichtung durch diese künstlichen Varelse leben können.‹
›Was ihr auf eurem Schiff tut, geht uns nichts an.‹
›Mit etwas Glück wird es nicht soweit kommen. Ihr neues Sternenschiff wird den Weg ins Außen finden, mit der Recolada zurückkehren, euch und auch uns befreien, und dann wird das neue Schiff uns zu so vielen Welten transportieren, wie wir wollen.‹
›Wird der Kasten funktionieren, den du für sie gebaut hast?‹
›Wir wissen, daß es den Ort, an den sie gehen, wirklich gibt; wir rufen unser Selbst von dort. Und die Brücke, die wir geschaffen haben, jene, die Ender Jane nennt, ist ein Muster, wie wir es noch nie zuvor gesehen haben. Wenn es jemand kann, dann eine wie sie. Wir könnten es nie.‹
›Werdet ihr gehen? Wenn das neue Schiff funktioniert?‹
›Wir werden Tochter-Königinnen schaffen, die meine Erinnerungen mit auf andere Welten nehmen. Doch wir selbst werden hier bleiben. Dieser Ort, an dem ich aus meinem Kokon kam, ist auf ewig meine Heimat.‹
›Also bist du hier genauso verwurzelt wie ich.‹
›Dafür sind ja die Töchter da. Um dorthin zu gehen, wohin wir niemals gehen werden, um unsere Erinnerungen an Orte mitzunehmen, die wir niemals sehen werden.‹
›Aber wir werden sie sehen. Oder nicht? Du hast gesagt, daß die philotischen Verbindungen bestehen bleiben werden.‹
›Wir haben über die Reise durch die Zeit nachgedacht. Wir leben lange, wir Schwärme, ihr Bäume. Aber unsere Töchter und ihre Töchter werden uns überleben. Nichts kann das ändern.‹
Qing-jao hörte ihnen zu, als sie ihr erklärten, welche Wahlmöglichkeiten sie hatten.
»Warum sollte es mich interessieren, wie ihr euch entscheidet?« sagte sie, als sie fertig waren. »Die Götter werden über euch lachen.«
Vater schüttelte den Kopf. »Das werden sie nicht, meine Tochter, ›Strahlend Helle‹. Die Götter geben nicht mehr um Weg als um jede andere Welt auch. Die Menschen von Lusitania werden einen Virus schaffen, der uns alle befreien kann. Keine Rituale mehr, keine Fesseln aufgrund der Unordnung in unseren Gehirnen. Also frage ich dich noch einmal. Sollen wir es tun, wenn es uns möglich ist? Es würde hier Unordnung schaffen. Wang-mu und ich haben geplant, wie wir vorgehen werden, wie wir ankündigen werden, was wir tun, damit das Volk es versteht, damit die Gottberührten nicht dahingemetzelt werden, sondern ihre Privilegien mit der Zeit aufgeben können.«
»Privilegien bedeuten nichts«, sagte Qing-jao. »Das hast du selbst mich gelehrt. Durch sie drücken die Menschen nur ihre Ehrfurcht vor den Göttern aus.«
»Ach, meine Tochter, wenn ich doch nur wüßte, daß auch die anderen Gottberührten unsere bescheidene Sicht der Dinge mit uns teilen. Aber zu viele von ihnen glauben, es sei ihr Recht, Forderungen zu stellen und andere Menschen zu unterdrücken, weil die Götter zu ihnen und nicht zu den anderen sprechen.«
»Dann werden die Götter sie bestrafen. Ich fürchte mich nicht vor deinem Virus.«
»Doch, du fürchtest dich davor, Qing-jao. Ich sehe es.«
»Wie kann ich meinem Vater sagen, daß er nicht sieht, was zu sehen er behauptet? Ich kann nur sagen, daß ich blind sein muß.«
»Ja, meine Qing-jao, du bist blind. Betriebsblind. Blind in deinem Herzen. Denn du zitterst sogar in diesem Augenblick. Du hast niemals mit Sicherheit gewußt, daß ich mich irre. Von dem Augenblick an, da Jane uns die wahre Natur der sprechenden Götter gezeigt hat, bist du dir nicht mehr sicher, was die Wahrheit ist.«
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