»Nichts. Seine Grifflinge waren nicht beschädigt.« Rästapispmins wandte sich erneut der Bildwand zu.
Der Herr der Herde wartete. Die Erdlinge auf dem Bildschirm drängten sich aneinander und verhandelten, alles in der die Trommelfelle in Mitleidenschaft ziehenden, dröhnenden Lautstärke. »Habt ihr sie je so sprechen hören?« wollte der Herr der Herde wissen.
»Einmal hat Nikolai, der Beinlose, über längere Zeit so gesprochen, aber wesentlich leiser. Sie nennen es ›singen‹.«
»Was bauen sie da?«
UmerzieherEins Rästapispmins klappte seine Grifflinge über den Schädel.
»Die anderen Aufzeichnungen«, verlangte er. »Siplisteph, du hast doch noch mehr mitgebracht.«
Der Angesprochene wechselte eilig das Band.
Die vier Erdlinge sahen ohne ihre Kleidung weich und verletzlich aus. Die zwei fellbedeckten Stellen an ihnen hoben ihre Nacktheit hervor. Eine fremdartige Musik zerrte unwirklich an den Nerven der Fithp. »Sie paaren sich«, sagte UmerzieherEins. »Merkwürdig, ich hatte angenommen, sie trachten danach, allein zu sein, wenn sie das tun. Herr der Herde, das ist überhaupt nicht der Genitalbereich des Weibchens!«
»Aber der des Männchens.«
»Ja, schon. Ich habe es noch nie in diesem Zustand gesehen… aber natürlich bedecken sie sich normalerweise. Meint Ihr, daß sie ihn versehentlich verletzen könnte?«
Der Priester ließ sich vernehmen. »Warum sie das wohl aufgenommen haben? Berater, woher stammt das?«
»Dreiundachtzig Bänder aus einem Gebäude, wo sie öffentlich gezeigt wurden, die anderen aus einer Wohnung. Wir haben sie gekennzeichnet. Dies hier ist aus der Wohnung.«
Jetzt hatte sich die Szene geändert. Man sah dasselbe Weibchen und ein anderes Männchen, beide bedeckt. Aber nicht lange. Rästapispmins sagte: »Ich verstehe nicht, wie daraus Junge entstehen können. Dennoch scheinen sie zu glauben, daß sie sich paaren… Ah, das sieht schon eher danach aus. Könnte es sich um ein Unterweisungsband handeln? Vielleicht brauchen die Erdlinge eine Anleitung zur Paarung?«
»Eine lächerliche Vorstellung«, wies ihn der Priester zurecht. »Welches Tier wüßte nicht, wie es sich paaren muß?«
»Es dient ihnen zur Unterhaltung«, sagte Siplisteph, »hat mir einer gesagt, der sich unterworfen hat.«
»Seid Ihr sicher?« fragte UmerzieherEins.
»Nein. Ich kenne ihre Sprache zuwenig.«
Fistartihthaktan sah weiterhin unverwandt auf die Szene. »Ich… ich kann mir keinen vernünftigen Grund für eine solche Unterhaltung denken.«
Der Herr der Herde trat vor, neben Siplisteph. Es war verwirrend, daß sein Berater hier zwei Aufgaben zugleich erfüllen mußte. »Ihr wart auf Winterheim und habt Tausende von Erdlingen gesehen, mehr als jeder von uns. Habt Ihr Euch eine Meinung gebildet?«
»Nein. Auf keinem dieser Bänder handeln sie so, wie ich sie erlebt habe. Ich frage mich, ob sie etwas spielen, das nichts mit ihrem gewöhnlichen Verhalten zu tun hat. Nicht wie Vorlinge, sondern wie… Sie haben merkwürdige Wörter dafür: Gott und Archetypus.«
»Sie können aber kaum so tun, als seien sie paarungsbereit. Das erste noch einmal«, forderte der Herr der Herde. Sogleich fragte er: »Sind wir Zeugen einer Tötung geworden? Zeigt doch die Stelle noch einmal.«
Siplisteph gehorchte. Ein Arm fuhr hinab, der Mann auf dem seltsamen Sessel schien sich in Qualen zu winden, der Sessel kippte, und der Mann stürzte rückwärts auf den Fußboden. »So gelassen sterben sie nie«, sagte der neue Berater. »Sie schlagen um sich, bis sie nicht mehr können.«
»Der Hals ist sehr verwundbar«, wandte Rästapispmins ein. »Ein Hauptnerv könnte durchtrennt worden sein – aber dann wäre der Dicke ein gemeingefährlicher Einzelgänger. Warum gesellt sich ihm das Weibchen zu? Kann ein EinzelgängerPaar eine eigene Herde bilden?«
»Ihr seid so schweigsam, Fistartihthaktan. Was haltet Ihr von der Sache?«
Der Priester spreizte seine Grifflinge weit. »Herr der Herde, ich lerne. Später werde ich sprechen.«
»Was Ihr seht, scheint Euch nicht recht zu sein.«
Es kam keine Antwort.
»Rätsel über Rätsel«, sagte Pastempihkeph. »Sie ergeben sich und haben sich doch nicht ergeben. Auf ihren Bändern sieht man Einzelgänger, die gemeinsame Sache machen. Sie leben weder in Herden noch allein. Was sind sie?«
Sie wurden durch zahlreiche Gänge zur Mitte des Schiffes geführt.
Dort betraten sie einen großen, nahezu rechteckigen Raum mit riesigen Stufen an drei Seiten. In der Nähe der vierten Wand waren Geräte aufgebaut. Vier Fithp sahen schweigend zu ihnen herüber.
Tashajämp trat nach den WinterheimEingeborenen ein. Die acht FithpSoldaten blieben im Gang vor der Tür stehen. Dawson schob sich neben Jeri und sagte: »Das ist so ‘ne Art Kino. Wir waren schon mal hier.«
»Es gibt keine Bestuhlung«, sagte Jeri und lachte bei der Vorstellung, ein Fi’ mit einem Klappstuhl zusammenbrechen zu sehen. »Natürlich nicht. Aha. Das Videogerät haben sie bestimmt aus Kansas.«
»Der eine in dem komischen Geschirr da ist ihr Priester, Archivar oder beides. Der andere da oben auf der Treppe ist der große Meister. Sie nennen ihn den Herrn der Herde.« Dawson ahmte die Laute in der FithpSprache nach. »Die beiden anderen sind unsere Lehrer. Sie sollen uns beibringen, wie die Rüßler zu leben und zu sprechen. Immer wenn ich glaube, sie zu verstehen, passiert etwas ganz anderes, und…«
Erneut öffnete sich die Tür, drei Männer in Arbeitskleidung
»Ihr seht jetzt zu«, sagte Tashajämp. Sie knurrte etwas auf fithpisch.
Der Bildschirm flackerte auf. Jeri las den Titel: DEEP THROAT. »Was soll das?« fragte sie.
Carrie Woodward sah verblüfft drein. »John, haben wir denn über den Film nicht schon einmal etwas gehört?«
Der Russe, den Dawson Dmitri genannt hatte, runzelte die Stirn. Die anderen schienen sich zu amüsieren.
Das Bild raste im schnellen Vorlauf auf die ›Stellen‹ zu. Dann wurde es langsamer und führte in bunten Farben und allen nur denkbaren Details vor, was es zu zeigen gab.
Carrie Woodward sah nur so lange hin, bis sie merkte, worum es ging. »Gary! Melissa! Das seht ihr euch nicht an. Kommt her!«
Gary Capehart folgte sogleich, Melissa sah zweifelnd drein.
»Auch du, junge Dame, sofort!« beharrte Carrie. Melissa warf ihrer Mutter einen fragenden Blick zu.
»Tu, was sie sagt, Melissa!«
»Aber Mama…«
»Sofort!«
Carrie zog die Kinder an ihren üppigen Busen. »Wie könnt ihr nur?« rief sie den Fithp zu. »Wißt ihr Geschöpfe denn gar nicht, was Anstand ist? Habt ihr kein Schamgefühl?«
Der Herr der Herde trompetete etwas, und Tashajämp antwortete.
Was sie uns damit eingebrockt haben mag?
»Was willst du?« erkundigte sich Tashajämp. »Was meinst du mit deinen Worten?«
»Ihr wißt genau, daß es schlecht ist, solche Bilder zu zeigen.«
»Mrs. Woodward«, sagte Dawson, »sie glauben nicht, daß wir…«
»Natürlich haben Sie schon Schlimmeres gesehen«, sagte Carrie. Sie hielt den Blick von den Bildwänden wie vom Herrn der Herde abgewandt und sah daher den Russen ins Gesicht. »Ich frage euch, ist das anständig in Gegenwart von Kindern?« empörte sie sich.
»Keineswegs«, stimmte Arwid zu. Dmitri sagte etwas auf russisch. Es klang abfällig.
»Schlecht – Schlimmeres«, sagte Tashajämp. »Was bedeutet das? Warum ist das hier ›schlecht‹?«
»Ich glaube, sie wissen es wirklich nicht, Mutter«, sagte John Woodward erstaunt. »Es ist unfaßbar.«
»Gerade das wollte ich Ihnen klarmachen«, sagte Dawson.
»Sie halten sich da raus!« knurrte John Woodward. »Ihresgleichen hat das noch nie gewußt.«
Alle Fithp sprachen jetzt erregt durcheinander. Als der Herr der Herde trompetete, trat schlagartig Stille ein.
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