Takpassih sprach. Hie und da verstand Arwid ein Wort und übersetzte es frei: »Aufpassen, nicht bewegen. Ihr seht… Reise (Tshapt) zur Erde?. Bauen… Thaktan Flishithy.« Arwid lächelte. Er hatte schon angenommen, daß das ihr Name für das Mutterschiff war, und ganz offensichtlich korrespondierte er mit dem Bild auf der Leinwand, das die Konstruktion eines Raumkreuzers zeigte.
Regungslos sah er zu. Die Außerirdischen um ihn herum rührten sich nicht und sagten kein Wort.
Binnen Sekunden waren die letzten der kleinen Raumschiffe festgemacht. Zeitrafferaufnahmen. Ein Stück Ofenrohr, etwas größer im Durchmesser als Thaktan Flishithy, kam vom Bildrand herangetrieben und wurde hinter dem Ring aus kleineren Raumfahrzeugen befestigt.
Die glänzende Kugel wurde am Vorderende des Mutterschiffs angebracht. Sie war größer als alles andere zusammen. Eine Schutzhülle, die eine Anzahl von Sensoren und Instrumenten enthalten mochte, kroch an einem schlangenähnlichen Arm um sie herum.
Vom Rand des Bildes fiel etwas nach innen: helle Flammen von chemischen Raketen um… um etwas Rechteckiges herum. Es schrumpfte zu einem Punkt und strebte dem Schiff zu. »Laden Podo Thaktan in Thaktan Flishithy«, sagte Takpassih.
Das Wort Thaktan. Zuerst hatte Arwid angenommen, es bedeute Fähigkeit oder Wissen, aber – Fistartihthaktan? Eine Gefährtin für ihn war noch nicht genannt worden. War dies Fi’ womöglich mit dem Raumschiff verpaart, also sozusagen verheiratet?
Alles zu seiner Zeit. Arwid warf einen Blick auf Dawson. Dessen Blicke folgten gebannt den Vorgängen an der Projektionswand, und so konnte Arwid die Außerirdischen unauffällig mustern.
Fünf der Fithp zeigten Anzeichen einer schleichenden Krankheit, jedenfalls hing die Haut schlaff an ihnen hinab, und ihre Augen wirkten entzündet. Es schien nichts mit dem Alter zu tun zu haben. Pastempihkeph und K’tarfukeph (Admiral mitsamt Gefährtin) waren nicht jung, hatten aber auch diese Krankheit nicht. Die Kranken hielten sich beisammen. Sie sahen alle etwa gleich alt aus, die übrigen Weltraumwesen waren von sehr unterschiedlichem Alter.
Der Berater des Admirals und seine Gefährtin gehörten zur Gruppe der Kranken. Ein weiterer Kranker versuchte, zu ihnen zu sprechen, während ihn ein weibliches Weltraumwesen in ziemlich unfeiner Weise daran zu hindern versuchte.
Eine Spaltung unter den Außerirdischen konnte sich als nützlich erweisen.
* * *
Wes Dawson sah einen Planeten vorüberziehen… eine bunte Welt wie die Erde, blau mit weißem Zuckerguß. Nur wenige Sekunden lang versuchte er, die Gestalt von dessen Kontinenten zu enträtseln. Keiner kam ihm bekannt vor.
Das Raumschiff der Eindringlinge war nur etwa eine Minute im Blickfeld der Kamera zu sehen gewesen. Diese Kamera hatten sie wohl dort gelassen. Thaktan Flishithy war mehr als das zylinderförmige Kriegsschiff, das eine Umlaufbahn um die Erde erreicht hatte. Eine riesige, zerbrechlich wirkende Kugel saß auf seiner Spitze. Bestimmt diente sie der Brennstoffversorgung. Und der Ring…
Er sah an der Flanke von Thaktan Flishithy entlang nach hinten, an einem kräftigen Ring vorbei, der wie ein breiter Trauring das hintere Ende umschloß. Die Sonne wurde kleiner, eine zweite schob sich ins Bild. Beide schrumpften rasch zu hellen, weißen Sternen, deren Licht sich nicht sehr von dem der Erdsonne unterschied. Aus der Farbe der Zellenbeleuchtung hatte Wes das bereits geschlossen.
Man sah gleichbleibendes weißes Licht hinter dem Ring. Die Antriebsflamme wurde dunkler – Wes mochte es nicht recht glauben – und ein schwacher, violetter Schimmer drang aus dem schwarzen Hintergrund.
Wäre jetzt im Vorführraum eine Bombe detoniert, Wes Dawson hätte es nicht gemerkt. Nur am Rande bekam er mit, was der Kommentator sagte. »Thaktan Flishithy muß sich sehr rasch bewegen, bevor wir die (langes Wort) benutzen. Spart…« Interessant. »Auf halber Strecke zum Erdstern…« – ob damit die Sonne der Erde gemeint war? – »verzögern wir. Das ist schwierig.«
Aber was er sah, sprach deutlicher als die Worte.
Die Zeit im Film wurde stärker gerafft. Die Antriebsflamme wurde wieder hell, erstarb. Der violette Schimmer im Hintergrund, den Wes zu sehen gemeint hatte, war nicht da. Maschinen und Außerirdische, winzig wie Stäubchen, wurden sichtbar und lösten die Kugel von der Spitze des Raumfahrzeugs; die Sterne durchliefen einen Bogen von hundertachtzig Grad; erneut flammte das Triebwerk auf, wurde wieder dunkel, und die Sterne vorn lagen in violettem Schwarz – er hatte es sich also nicht eingebildet –, dann flog Thaktan Flishithy an seinem losgelösten Brennstofftank vorbei weiter in den Weltraum hinaus.
Den Zeitsprüngen im Film nach zu urteilen war ziemlich viel ausgelassen worden. Vielleicht befürchteten die Außerirdischen, ihren Gefangenen zu viele Einzelheiten zu zeigen. Wes nahm als selbstverständlich an, daß sie nicht viel über das Innere des Raumschiffs erfahren würden. Als nächstes zeigte eine Zeitrafferaufnahme, wie ein gewöhnlicher Stern immer heller erstrahlte, bis er förmlich in Dawsons Gesicht explodierte. Fluchend bedeckte er die Augen mit der Hand, nahm sie aber sofort wieder weg.
Sie mußten in die Nähe des Merkur gekommen sein. Irgendwo dort war der helle Schimmer des Triebwerks glänzender geworden. Der ›Trauring‹ um das Schiff war verschwunden. Dawson hatte nicht gemerkt, wann. Er knurrte ärgerlich.
Takpassih hörte auf zu reden, und seine Augen blitzten kurz zu Dawson hinüber. Niemand merkte es.
Die Kamera sah an der Spitze des Mutterschiffs entlang, während die Sonne des Planeten Erde kleiner wurde. Dann kamen Teleaufnahmen von Mars und Jupiter, später wuchs Saturn ins Unermeßliche. Das große Raumschiff manövrierte um die Monde herum und näherte sich den Ringen, nach wie vor langsamer werdend. Wes erkannte die drei klassischen Bänder des Rings, die sich in Hunderte von Einzelringen auflösten, als das Schiff näher kam. Der FRing wand und verzog sich, während der Ausstoß vom Antriebsreaktor der Feinsteuerung über ihn wegfegte.
Kleinere Raumschiffe lösten sich von Thaktan Flishithy. Der Start erfolgte über Schienen zum Heck hin. Die Kameras folgten ihnen nicht. Ein Teleskop zeigte etwas, das zierlich wie ein Schmetterling aussah, aber nicht annähernd so schön. Standbild. Takpassih deutete darauf und gab fragende Geräusche von sich.
»Voyager«, sagte Dawson. Er probierte einige Wörter der Sprache der Eindringlinge aus. »Wir haben es gemacht. Meine Fithp. Die Vereinigten Staaten von Amerika!«
»Ist es gekommen, um zu…« – unverständliches Gebrabbel. Der Lehrer versuchte es erneut. »Um uns anzusehen? Wußtet ihr von uns?«
Das Wort mußte etwas Ähnliches wie spionieren bedeuten. »Nein.«
»Warum dann?«
»Um den Saturn zu erforschen.« Zorn stieg in Wes Dawson auf. Er verstand selbst nicht, warum. Die Außerirdischen waren in feindlicher Absicht gekommen und hatten ohne Warnung getötet. Sie hatten sich den Saturn zunutze gemacht! Ihm schien es, als gehöre Saturn der Erde – der Menschheit – den Vereinigten Staaten, die ihn erforscht hatten, der Wissenschaft und den Science FictionLesern.
Er schwieg. Der Film lief weiter, machte erneut Zeitsprünge. Fast alle Informationen über ihr Treiben im Saturnsystem hatten sie ausgelassen. Zwei Sicheln kamen näher, Erde und Mond. Keilförmige Lichtanzeiger wiesen auf die Mondbasen der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, auf Raummüll in Umlaufbahnen, auf Wettersatelliten, sowjetische Einrichtungen unbekannten Zwecks, die Raumstation…
»Frage: wann ihr gewußt wir kommen?« sagte Takpassih. Dann lauter: »Zeit ihr gewußt wir kommen!«
Читать дальше