»Ihr habt uns angegriffen. Dazu gab es keinen Anlaß.«
»Doch. Euer Volk ist stark«, sagte der Zwergelefant.
Eine flache Bildwand leuchtete auf und zeigte ein weiteres Weltraumwesen. Eine Stimme wurde hörbar. Sie plapperte mit den Zischlauten, die Wes schon vorher von ihnen gehört hatte.
»Du mußt zurück. Wir wenden jetzt.«
Es ergab keinen Sinn. »Würdet ihr nicht gegen uns kämpfen, wenn wir schwach wären?«
»Geh!«
»Aber was wollt ihr? Woher kommt ihr? Warum seid ihr hier? Welche Rolle spielt unsere Stärke?«
Erneut sah das Weltraumwesen ausdruckslos drein. »Geh!«
»Ich muß es wissen! Was wollt ihr hier?«
Das Geschöpf sprach mit Zischlauten.
Greifglieder umschlangen Wes’ Rumpf und Hals. Er wurde aus dem Raum geschleppt. Im Gang ertönte erneut das Widderhorn, und seine Bewacher drückten ihn gegen die Wand.
»Ihr braucht mich nicht zu halten«, sagte Wes.
Keine Antwort. Der Krieger roch warm, etwa wie im Zoo. Der Geruch an sich war nicht unangenehm, nur war er zu nah, wirkte auf die geringe Entfernung zu stark.
Wie viele von ihnen sprechen Englisch? Er… es… hat gesagt, daß ich ihre Sprache lernen soll. Sie werden sie mir beibringen. Er sah an sich hinab, nackt, von Greifgliedern umschlungen. Wie sie denken. Sie sind nicht verrückt – nehmen wir es jedenfalls einmal an! – nur anders. Sehen anders aus, haben sich anders entwickelt, empfinden anders. Wie ich für diesen… Soldaten wohl rieche, direkt unter seiner Nase? Sein Bewacher hielt ihn, als sei er ein Schlangennest, in seinen dunkelgrauen Augen war nicht zu erkennen, was er dachte.
Du hast gewußt, daß die Mission gefährlich war.
Nun ist getan, was zu tun war, und alles war umsonst.
ROBERT BURNS Alles für unseren rechtmäßigen König
Zeit: Sieben Stunden nach der Stunde Null
Dickkopf! Sergeant Ben Mailey führte seine Schützlinge vom Hubschrauber fort und sah zu, wie sie in das Dienstfahrzeug stiegen. Der Präsident! Ein Dickkopf! Er grinste breit, wurde dann wieder ernst. Erst mußte ein Krieg ausbrechen, um den Präsidenten nach drinnen zu kriegen. Und ich gehe nicht mit ihm.
Jenny führte den Präsidenten in die Kommandozentrale. Karten und Bildschirme zeigten, was im Lande vor sich ging. Alles war auf einen Blick zu überschauen. Ein Dutzend Offiziere des Heeres und der Luftstreitkräfte saßen an Sichtgeräten. Riesige Leuchtschirme an den Wänden zeigten Karten der Vereinigten Staaten. In der Luft befindliche Flugzeuge, Eisenbahnzüge auf Hauptstrecken und große Schiffe waren als Lichtpunkte auf den Karten zu erkennen.
Viele waren es allerdings nicht, und manche Häfen lagen im Dunkeln. Auch Eisenbahnknotenpunkte wie Omaha wiesen stecknadelkopfgroße dunkle Flecken auf.
Jack Clybourne folgte ihnen in den großen, höhlenartigen Raum. Er sah verwirrt drein und tat Jenny leid. Für den Leibwächter eines Präsidenten gab es hier in der Nationalen Kommandozentrale keine rechte Daseinsberechtigung. In dem Augenblick, als der Präsident im ›Loch‹ verschwand, war Jacks Aufgabe erledigt, aber niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihm das zu sagen.
Und ich werde es bestimmt nicht tun.
Admiral Carrell salutierte beim Eintreten des Präsidenten. Die schnurrbärtigen Zivilisten, die neben ihm gesessen hatten, taten es ihm nach. Der Admiral sah trotz seines dunklen Zivilanzugs unverkennbar wie ein Offizier aus. »Ich freue mich, Sie zu sehen, Sir.«
»Danke.«
Seine Stimme klingt unendlich alt. Auch ich fühl mich älter. Ich seh aus wie eine Hexe – sie unterdrückte den irrationalen Wunsch, loszukichern.
»Das Kabinett kommt später«, sagte Coffey. »Das heißt, der Außen- und der Innenminister. Wir verteilen uns ein bißchen, damit – ich kann Möglichkeiten und Fähigkeiten der Außerirdischen nicht richtig einschätzen.«
Admiral Carrell nickte. »Vielleicht kennen sie die Lage dieser Zentrale«, sagte er.
»Könnten sie in dem Fall etwas tun?«
»Ja, Sir. Sie haben die BoulderStaumauer mit einer äußerst wirksamen Waffe getroffen, die keine radioaktive Strahlung freisetzt. Mein Krisenstab hat berichtet, daß sie riesige Gesteinsbrocken abwerfen. Meteoriten. Ihre Laser können sich durch Schiffsrümpfe fressen. Mr. President, ich weiß nicht, was sie mit dem CheyenneBerg anstellen könnten.«
»Dann wollen wir hoffen, daß wir es nie erfahren. Wie ist die Lage? Was ist mit den Russen?«
»Sie sind schwer getroffen, kämpfen aber. Ich weiß nicht, über welche Kräfte sie noch verfügen.« Admiral Carrell schüttelte den Kopf. »Es ist ausgesprochen schwer, Berichte hereinzubekommen. Wir haben vergangene Nacht die Hälfte unserer Interkontinentalraketen nach oben geschickt und auf der Umlaufbahn gezündet. Es hat den Anschein, daß sie außer Staudämmen, Eisenbahnknotenpunkten und Häfen alle Stellen als Ziele betrachten, von denen Raketen abgefeuert wurden. Ich vermute, daß sie es bei den Sowjets genauso gehandhabt haben, aber wir wissen nichts darüber.«
»Können wir sie nicht fragen?«
»Von Zeit zu Zeit bekomme ich Verbindung mit Dr. Bondarew. Aber er weiß wenig über den Zustand seiner Streitkräfte. Die Binnenkommunikation dort ist schlimmer getroffen als bei uns, aber auch wir haben kaum noch Leitungen.« Carrell ließ eine Pause eintreten und lehnte sich gegen ein Computergehäuse.
Er ist ein alter Mann. Das habe ich früher nie richtig gesehen. Es macht mir angst…
»Wie sehen unsere Verluste aus?« wollte der Präsident wissen.
»Militärische nur sehr wenig – mit Ausnahme von F-15Piloten, die Abfangeinsätze gegen Satelliten geflogen sind. Bei ihnen betragen die Verluste hundert Prozent. Außerdem haben wir einige Raketenabschußmannschaften eingebüßt.
Bei der Zivilbevölkerung ist es ähnlich. Sehr hohe Verluste an Menschen, die unterhalb von Staudämmen oder im Einzugsbereich von Häfen wohnen, außerhalb solcher Gebiete sind sie praktisch Null.«
»Insgesamt?«
Carrell zuckte die Achseln. »Schwer zu sagen. Ich schätze etwa hunderttausend, es können aber ohne weiteres doppelt so viele sein.«
Hunderttausend. Vietnam hat in zehn Jahren nur fünfzigtausend unserer Leute das Leben gekostet. Nirgendwo ist es seit dem Zweiten Weltkrieg zu solchen Verlusten gekommen.
»Warum wissen Sie das nicht?« wollte der Präsident wissen.
»Unser Nachrichtensystem ist stark auf Satelliten angewiesen «, sagte Carrell. »Steuerung, Erkundung, Einsatzbefehle, Nachrichten, alles hing vom Weltraum ab, aber dort haben wir nichts mehr.«
»Wir wissen also nichts?«
»Wissen?« Admiral Carrell schüttelte erneut den Kopf. »Nein, Sir, das nicht. Ich kann nur Vermutungen anstellen. Etwas scheint das große Raumschiff der Außerirdischen vertrieben zu haben, denn es hat sich zurückgezogen, vermutlich zum Mond. Die Sowjets haben es schwer beschossen. Bondarew meint, sie haben es beschädigt, aber falls er über genauere Angaben verfügt, hat er sie mir nicht weitergegeben.«
Jenny räusperte sich. »Ja?« fragte Carrell.
»Nichts, Sir. Wir alle wissen, was solche Aussagen wert sind. Ich als hoher Sowjetfunktionär, der gerade eine große Anzahl sehr teurer Raketen gestartet hat, würde bestimmt auch behaupten, daß es der Mühe wert war.«
Der Präsident nickte finster. »Nehmen wir also an, daß es unbeschädigt ist.«
»Ja, Sir«, sagte Carrell. »Es ist äußerst schwierig, etwas durch den ganzen Müll in der oberen Atmosphäre – und erst recht darüber – zu verfolgen. Die Außerirdischen haben da Tonnen von Düppel abgeworfen. Das Zeug narrt jedes Radar. Soweit wir sagen können, haben sie lediglich eine Anzahl kleinerer Kriegsraumschiffe dagelassen.«
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