»Wir müssen tanken.«
»Ich weiß. Gleich kommt Albuquerque. Da kriegen wir sicher Benzin.«
»Ich weiß nicht, Mutti«, sagte Melissa.
»Was?«
»Bist du sicher, daß wir jetzt in eine Stadt fahren sollen? Da wollen bestimmt viele abhauen, die Angst vor Außerirdischen haben, und es gibt Staus.«
»Vielleicht hast du recht.«
Im Licht ihrer Scheinwerfer reflektierte ein Schild.
»Da vorne gibt’s Benzin und was zu essen«, sagte Melissa.
Jeri suchte nach der Einfahrt. Da war sie. Alles war dunkel, dennoch fuhr sie auf die Zapfsäule zu. Sofern es in der Nähe eine Stadt gab, war nichts davon zu sehen.
»Da vorne ist jemand«, sagte Melissa. Jeri fuhr an die Säule.
»Sie wünschen, Ma’am?« ertönte eine Stimme aus der Dunkelheit. Der Tankwart knipste seine Taschenlampe an. Er war ein junger Mann, höchstens zwanzig.
»Äh – ich muß tanken.«
»Es gibt keinen Strom«, sagte der Tankwart. »Die Pumpen laufen nicht.«
»Ich hab’s aber noch weit und brauche wirklich dringend was. Können Sie da gar nichts machen?«
Er sah nachdenklich drein. »Ich hab ‘ne Handpumpe. Vielleicht könnte ich damit was in einen Kanister füllen. Es ist aber ein mühseliges Geschäft.«
»Bitte«, sagte Jeri. »Ich zahl es Ihnen gern.«
»Ob Geld jetzt noch was wert ist? Haben Sie die Nachrichten nicht gehört?«
»Doch…« Wenn du kein Geld willst, was dann?
»Wir werden uns schon einig.« Er ging hinein. Das Licht der Taschenlampe tanzte hinter den Fenstern.
Er macht eigentlich einen ganz netten Eindruck. Wovor hab ich bloß Angst? Sollte der Firnis der Zivilisation so dünn sein?
Irgendwo aus ihrem Inneren antwortete es: Ja!
* * *
Der Schein war durch die Ostfenster zu sehen. Im Fernseher flimmerte es weiß, aber das Radio berichtete von einer Explosion auf der Fernstraße 5 zwischen Everett und Marysville.
Ganz in der Nähe. Isadore stellte den Fernseher ab. Die Stimme des Ansagers überschlug sich. Das ist bestimmt der lange Fahrdamm, dachte Isadore. Wir haben es wohl gerade noch rechtzeitig geschafft…
Die Kinder schliefen. Vor einer Stunde war Vicki TateEvans davongewankt. Ihr Mann George schnarchte auf dem Sofa, Claras Füße lagen auf seinem Schoß. Sie kamen prächtig miteinander aus, jetzt, wo sie beide schliefen.
Isadore fühlte sich unruhig, als müsse er etwas tun. Krieg am Himmel… Gerade noch rechtzeitig! Clara hatte recht, weiter, nicht anhalten, irgend etwas könnte passieren. Hätten wir noch länger auf Jeri gewartet, wäre es zu spät gewesen.
Wo sie sein mag? Irgendwo auf der Straße, und ich kann nichts für sie tun.
Als wir in der Nacht angekommen sind, hätte es uns fast erwischt. Er mußte an die hellen Blitze auf der Straße hinter ihnen denken. Bestimmt war das der lange Fahrdamm. Nur eine Stunde später – verdammt knapp…
Zum Umfallen müde waren sie eingetroffen, und unheilvolles Schweigen hatte über den vor dem laufenden Fernseher Versammelten gelegen. Als das Bild ausblieb, waren alle hinausgegangen, um zum Himmel zu sehen.
Laut sagte er: »Verdammter Mist!«
»Ja«, bestätigte Shakes. Er kam mit einer Tasse Kaffee aus der Küche. »Hast recht gehabt.«
»Wir hatten recht«, lachte Isadore, für seinen eigenen Geschmack etwas zu schrill. »Siebzehn Jahre lang, zu einer Zeit, als es nicht mal vernünftig aussah. Wir sollten die Läden vormachen. Wir hätten die Fenster zumauern sollen! Freiwillige?«
Niemand erhob sich, um die eisernen Klappläden vorzulegen. Shakes sagte: »Ich hätte nie gedacht, daß es tatsächlich mal soweit kommt.«
»Und was willst du dann hier?«
»Meine Familie macht hier Urlaub für dreißig Prozent dessen, was es sonst kosten würde. Ist für ‘n Ferienhaus doch verdammt günstig, geb ich gern zu. Aber wir haben ja auch was geleistet. Wir können hier alle überleben. Die meiste Arbeit haben meine Leute und ich schon getan. Warte nur, bis du den Schutzbunker siehst, Izzie.«
Mit einemmal saß Clara bolzengerade. »Lebensmittel. Wie steht es mit Vorräten?«
»Bestens«, sagte Shakes etwas verärgert.
»Gut. Ich könnte ein ganzes Pferd verdrücken. Ich mach jetzt Frühstück«, sagte Clara, erhob sich und ging auf unsicheren Beinen in die Küche. Dabei mußte sie einen Bogen um Jack und Harriet McCauley machen, die auf dem Teppich schliefen.
* * *
Um halb neun reichte die Schlange um die Ecke des Gebäudes. Die Polizisten waren zweimal abgelöst worden. Um zehn Uhr öffnete ein alter Mann in einer Portiersuniform die Tür. Die Schlange hinter Harry drängelte ungeduldig. Zwei Drängler schoben sich an ihm vorbei, bevor er loslassen und zur Kasse gehen konnte.
Die Bankangestellte sah nervös aus.
Wenigstens ist jemand da, dachte Harry. Er hatte sich schon Sorgen gemacht. Von den zwölf Schaltern waren nur vier besetzt.
»Ich möchte etwas abheben«, sagte Harry.
»Pro Auszahlung höchstens fünfhundert Dollar.« Die Bankangestellte sah zugleich trotzig und betrübt drein.
Die Banken an der Ostküste waren drei Stunden lang offen gewesen. Es war Harry gleichgültig, ob es einen Ansturm auf die Banken gab, interessant war, wie schlimm er war. Ihm gehörten nur achtundfünfzig Dollar. Er ließ sich sein Guthaben in kleinen Scheinen auszahlen und ging dann zu seinem Schließfach. Es enthielt einen mexikanischen GoldPeso und dreißig silberne ZehnCent Stücke. Nur wegen der symbolischen Zahl hatte er es fertiggebracht, die Silberlinge zu behalten. Hätte er auch nur einen davon ausgegeben, wären ihm die anderen alsbald gefolgt.
Er steckte sein Geld ein und verließ die Bank.
Wieder ertönte die Mahnung aus dem Radio: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.
12. Der Überbringer der Botschaft
Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.
Auf, laßt uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, daß keiner des anderen Sprache verstehe!
I. BUCH MOSE 11, 6–7
Zeit: Sechs Stunden nach der Stunde Null
Der Herr der Herde Pastempihkeph bewohnte mit seiner Familie zwei Räume nahe der Mitte der Bote. Platz war knapp und kostbar. Der Schlafraum war nicht groß in Anbetracht dessen, daß zwei Erwachsene und drei Kinder ihn sich teilen mußten. Jetzt ging es etwas besser, denn der älteste Sohn befand sich an Bord eines der Grifflingsschiffe, die demnächst das Ziel ›Winterheim‹ angreifen würden.
Im noch kleineren privaten Schlammraum war man ungestört. Manche Gespräche durften die Kinder gern mithören, das hier aber war nicht für ihre Ohren bestimmt.
Pastempihkeph lag auf der Seite im Schlamm. »Die Sache ist wirklich interessant«, sagte er gelassen.
Seine Gefährtin K’tarfukeph wütete zuerst, sprach dann aber mit stiller Eindringlichkeit. »Hätten deine Wachen das gehört, würden sie denken, wir hätten den Verstand verloren – ganz wie dein Berater. Du mußt dich von ihm trennen, Keph!«
»Das geht nicht. Das macht die Sache ja so interessant. Die Schläfer hatten erwartet, als Herren des Schiffs aufzuwachen und sind daher nicht besonders friedlich. Wie du weißt, war Fathistihtalk früher ihr Herr der Herde. Sie werden nicht zulassen, daß ich ihn vollständig entmachte, nicht einmal wenn sie erfahren, daß er verrückt ist. Damit würden sie selbst zuviel Ansehen verlieren.«
K’tarfukeph sprengte warmes Wasser über den Rücken ihres Gefährten. Er räkelte sich voll Wonne, und hohe Wellen liefen zum Beckenrand. So nahe der Mitte des Schiffs war die Schwerkraft sehr gering.
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