Sein Kopf war vom Östrogengeruch benebelt. Er hatte schon eine Erektion, seit er heute Morgen aufgewacht war. Auch jetzt, während er sich von Baum zu Baum schwang, stach der Penis rosig und steif hervor. Er musste sich erst noch durch die dicht gedrängten Männchen kämpfen, um zu einem empfängnisbereiten Weibchen zu gelangen, und er hatte das Gefühl, dass ihm der Bauch platzen würde, wenn er nicht bald Erfolg hatte. Obwohl er sich vor Lust schier verzehrte, genoss er es, sich mit dem geschmeidigen Körper kraftvoll durch den Wald zu schwingen, an den er so gut angepasst war.
Nie zuvor hatte Noth sich so lebendig gefühlt.
Noth landete punktgenau auf dem Baum des Rivalen und packte die Äste mit exakt koordinierten Händen und Füßen. Doch sofort fiel Rivale über ihn her.
Sie standen sich aufrecht gegenüber. Die Penisse wiesen wie Spieße aufeinander. Noth ging mit aufgestelltem Schwanz auf den Rivalen zu, wobei er keckernd und belfernd die Genitalien an der Baumrinde rieb. Rivale erwiderte die Gesten. Das war ein ritualisiertes Aufeinandertreffen, bei dem jeder in einer Art Tanz auf die Bewegungen des jeweils anderen reagierte: Die ›Choreographie‹ umfasste Schwanz aufstellen, Genitalien reiben, Arme ausbreiten und sich mit Blicken töten.
Bald war die Luft von ihrem Gestank erfüllt. Sie kamen sich so nahe, dass Noth die Spitzen des gesträubten Fells des anderen spürte. Sein Gesicht wurde vom Speichel des Rivalen benetzt.
Rivale war etwa im gleichen Alter wie Noth und hatte die gleiche Größe. Er hatte sich der Sippe etwas früher als Noth und seine Schwester angeschlossen. Für ihn war Noth ein Eindringling in eine Sippe gewesen, die er schon als ›seine‹ betrachtete. Noth und Rivale waren sich – wie Brüder – zu ähnlich und zu nah, um etwas anderes zu sein als Rivalen.
Rivale war geringfügig größer und schwerer als Noth, weil er bei der Nahrungssuche im Frühling erfolgreicher gewesen war. Doch Noth hatte in diesem schwierigen Jahr eine innere Kraft entwickelt und hielt ihm stand.
Schließlich gab die Psychologie den Ausschlag. Rivale wurde plötzlich der Schneid abgekauft, und er gab die Drohgebärden auf. Er drehte Noth den Rücken zu und bot ihm in einer kurzen symbolischen Geste der Unterwerfung das rosige Hinterteil dar.
Noth stieß einen triumphierenden Ruf aus. Kurz rieb er die Handgelenke am Rücken des Rivalen, markierte den Sieg mit seinem Geruch und urinierte in einem Schwall auf ihn. Dann ließ er zu, dass Rivale sich auf dem Ast in Richtung eines Beerenfruchtstands trollte.
Rivale war dabei nicht zu Schaden gekommen. Er würde für eine Weile auf seinem Baum schmollen, vielleicht etwas fressen und sich für eine Weile aus dem Paarungs-Treiben heraushalten. Seine Chancen hatten sich aber nur für ein paar Stunden verschlechtert. Noths Urin hatte ihn kurzzeitig sterilisiert und sogar die Fähigkeit beeinträchtigt, die speziellen trillernden Rufe auszustoßen, mit denen die Männchen Weibchen anlockten.
Für Noth war das eine folgerichtige Strategie. Es war heute unmöglich für ein Männchen, alle Weibchen zu decken – und wenn es sich noch so sehr anstrengte. Er vermochte jedoch die Anzahl der konkurrierenden Männchen durch diese sensorische Einschüchterung zu verringern.
Nach der Niederlage des Rivalen zuckte Noths Penis von neuem; bald würde er die Befriedigung finden, nach der er sich sehnte. Mit schnellen, kräftigen Sprüngen bewegte er sich von Ast zu Ast durch den Wald zu der Stelle, wo die Weibchen sich versammelt hatten.
Aber er wusste noch nichts von dem wilden Kampf, der dort stattfand.
Der Kaiser ging noch immer im Harem um und beendete eine weitere Paarung. Mit wundem, schlaffem Penis streifte er zwischen den Weibchen umher und hieb und schnappte nach jedem Männchen, das in seine Reichweite kam.
Und plötzlich sah er sich Solo gegenüber.
Der alternde Kaiser richtete sich auf und fletschte die Zähne. Die Drüsen steigerten die Produktion seines starken Duftstoffs. Mit dem gesträubten Fell und der zuckenden Schnauze bot er einen beeindruckenden Anblick, mit dem er jedes andere Männchen eingeschüchtert hätte.
Jeden außer Solo.
Solo hatte in einer nicht weit entfernten Höhle einen lauschigen Winter mit einer Schar Weibchen verbracht. Gleich nachdem das Licht zurückgekehrt war, hatte er sich auf Futtersuche begeben und sich schnell so viel Masse angefressen, bis er wieder so stark war wie letztes Jahr zu seinen besten Zeiten.
Und er hatte die Streifzüge wieder aufgenommen. Allein heute hatte er schon im ganzen Wald ein halbes Dutzend Weibchen begattet. Und ihm stand der Sinn nach mehr – doch dazu musste er erst die Konkurrenz ausschalten.
Solo sprang den Kaiser an und rammte ihm die vernarbte Schnauze in den Bauch.
Der Kaiser fiel rücklings auf den Ast. Er wand sich und wäre vielleicht vom Baum gefallen, wenn die beweglichen Primaten-Hände nicht an der Rinde Halt gefunden hätten. Er war durch den plötzlichen körperlichen Angriff genauso schockiert wie verwundet. Außer Knüffen und Püffen von Weibchen, die ihren Anspruch auf die beste Nahrung geltend machten und gelegentlichen unbeabsichtigten Schlägen von anderen Männchen war er in seinem ganzen Leben noch von niemandem verletzt worden.
Und es war auch noch nicht vorbei.
Mit einem Sprung, der für ein Geschöpf seiner Größe geradezu elegant anmutete, sprang Solo auf den Kaiser. Er setzte sich dem älteren Männchen auf die Brust und drückte dem Kaiser die Rippen zusammen. Der Kaiser schrie auf. Er schnaufte und keuchte und schlug Solo auf den Rücken. Mit vollem Krafteinsatz hätte er den anderen vielleicht abgeschüttelt. Jemanden zu verletzen ging ihm jedoch gegen den Instinkt, und deshalb setzte er sich nur halbherzig zur Wehr.
Damit hatte er seine Chance vertan.
Solo beugte sich nach vorn und stieß dem Kaiser die Schnauze in die Genitalien. Er schob das Fell beiseite, das noch steif war vom Samen und der Vaginalflüssigkeit einiger Weibchen. Mit einer schnellen Bewegung biss er dem Kaiser in den Hodensack und riss einen Hoden heraus.
Der Kaiser heulte auf und schlug um sich. Blut schoss hervor und vermischte sich mit den anderen Flüssigkeiten im Fell.
Solo löste sich vom Kaiser und beförderte ihn mit einem gezielten Tritt vom Ast hinunter. Der Körper des älteren Männchens brach durch die unteren Laubschichten und fiel auf den Boden. Dann spie Solo den blutigen Hoden aus und ließ ihn auf den Waldboden fallen.
Solo machte sich über Rechts her, Noths Schwester. Sie war noch eins der jüngsten Weibchen. Er befingerte seinen schnell anschwellenden Penis und schickte sich an, sie zu nehmen.
Und plötzlich fiel Noth – jung, kraftvoll und geil – aus der Luft und landete vor Solos Füßen. Solo drehte sich wie ein Geschützturm zum neuen Herausforderer um.
Noth hatte nicht gewusst, dass Solo hier war. Aber er erinnerte sich an ihn. Er hatte weder eine Vorstellung von gestern und morgen noch eine zusammenhängende Erinnerung; sie war eher wie eine Galerie lebendiger Bilder auf der Grundlage visueller und Geruchs-Eindrücke. Jedoch löste Solos intensiver Gestank eine Bilderflut in ihm aus – bruchstückhafte und streiflichtartige Impressionen jenes schrecklichen Tages in einem anderen Teil des Waldes, des verzweifelten Geheuls seiner Mutter, als sie in eine Grube aus Zähnen stürzte.
Widerstreitende Impulse wallten in ihm auf. Er sollte sich in Positur werfen und kräftig stinken – oder er sollte dieser starken Kreatur eine Demutsgeste zeigen, wie Rivale sich ihm unterworfen hatte.
Doch keine der Alternativen schien auf Solo anwendbar zu sein. Er befolgte keine der ungeschriebenen Regeln, die die Gesellschaft der Notharctus zusammenhielt. Soeben hatte er das dominierende Männchen der Sippe verstümmelt. Solo würde sich mit einem symbolischen Sieg sicher nicht zufrieden geben. Solo würde ihn verwunden, wenn nicht gar töten wollen.
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