Doch wohin? Napirai braucht doch auch ihren Vater!
James reißt mich aus meinen düsteren Gedanken, indem er fragt, wann wir endlich mit dem Shop starten. Er würde so gerne arbeiten und auch etwas Geld verdienen.
Ja, wir müssen nun wirklich zu Geld kommen, sonst frißt uns der Wagen auf. Sobald der Datsun repariert ist, starten wir nochmals mit dem Shop, diesmal sehr feudal mit Kleidern und Schuhen sowie Soda und Bier. Jetzt ist sicher gut Geld zu machen, solange die Arbeiter von Nairobi hier sind. Später werden es fremde Lehrer mit ihren Familien sein. Mit James als Verkäufer sehe ich eine gute Chance. Allerdings erkläre ich ihm deutlich, daß es mein letzter Versuch und mein letztes Geld ist, das ich investieren werde. Die Euphorie der Boys steckt mich an, und ich vergesse den Kummer, den ich in letzter Zeit wegen Lketinga einstecken mußte. Als er heimkommt, ziehen die Boys ab.
Freiwillig geht Lketinga am nächsten Morgen zu den Arbeitern hinüber und berichtet, daß die Ersatzteile zum Einbauen bereit sind. Nach der Arbeit erscheint ein Mechaniker und hantiert an unserem Wagen. Allerdings gelingt es ihm nicht, am selben Tag alles einzubauen. Erst nach drei Tagen fährt unser Luxuswagen wieder.
Nun können wir mit dem Laden erneut starten. Wir brechen zu viert auf. Voller Freude hält James Napirai. Er wird einfach niemals müde, mit ihr zu spielen.
In Maralal schaue ich zuerst bei der Bank nach, ob meine letzten 4000 Franken auf dem Konto eingetroffen sind. Der Banker bedauert, das Geld sei noch nicht da, doch am nächsten Tag trifft es ein, und wir beginnen mit dem Einkauf: Natürlich zuerst wieder eine Tonne Mais und Zucker, dann Gemüse und Früchte, soviel ich auftreiben kann. Den Rest investiere ich in Kleider, Schuhe, Tabak, Plastikbecken, Wasserkanister, einfach alles, was sich mit gutem Profit verkaufen läßt. Ja, sogar zwanzig Laib Brot nehme ich mit. Den letzten Schil ing gebe ich aus, um ihn eventuel zu verdoppeln.
Die Eröffnung wird zum Ereignis. Von nah und fern kommen die Leute. Die Kangas und Kleider sowie die Wasserkanister sind nach zwei Tagen ausverkauft. Gemüse, Reis und Kartoffeln kaufen die Arbeiter von der Schule zehn- oder zwanzigkiloweise.
Es geht fast wie in einem kleinen Busch-Supermarkt zu. In diesen ersten Tagen sind wir glücklich, stolz und zufrieden, wenn auch immer sehr müde. James ist so eifrig, daß er mich bittet, in den Shop einziehen zu dürfen, damit er morgens früher anfangen kann.
Bier bieten wir nicht öffentlich an, sondern nur versteckt, ich will keinen Ärger haben. Die paar Kästen sind meistens nach zwei Tagen ausverkauft. Da ich nicht möchte, daß wir länger als ein oder zwei Tage ohne Waren sind, fühle ich mich für den Nachschub verantwortlich. Mit den Einnahmen besorge ich gleich die nächsten Kleider, da die Leute von der Schule viele Hemden und Hosen benötigen. Alle drei Wochen fahre ich speziel für diesen Zweck bis nach Nanyuki, wo ein großer Kleidermarkt stattfindet. Die Frauen- und Kinderkleider lassen sich wie warme Semmeln verkaufen. Ich nehme diesbezüglich auch Bestellungen entgegen. Es ist verwunderlich, wie die Leute plötzlich zu Geld gekommen sind. Zum Teil sicher durch die Schule, wo viele einen Job gefunden haben.
Das Geschäft blüht, und für viele Arbeiter ist der Laden zum Treffpunkt geworden.
Am Anfang läuft es gut, bis Lketinga wieder seine Eifersuchtsanfälle bekommt.
Morgens bin ich nie im Laden, weil ich zuerst den Haushalt erledigen muß. Erst nachmittags spaziere ich mit Napirai zum Shop. Mit den Boys ist es meistens lustig.
Auch Napirai genießt es, im Mittelpunkt zu stehen, denn es sind immer Kinder hier, die sie umhertragen oder mit ihr spielen. Nur mein Mann sieht es nicht gerne, wenn ich fröhlich bin, da er meint, mit ihm lache ich nie. Das liegt an seinem Mißtrauen, das er jedem entgegenbringt, der sich nur fünf Minuten mit mir unterhält. Zuerst richtet er es gegen die Arbeiter, die sich täglich bei uns treffen. Es kommt vor, daß er den einen oder anderen nicht mehr in den Shop läßt oder vor mir behauptet, dieser komme nur wegen mir, seiner Frau. Das bringt mich in Verlegenheit, und ich verlasse jedesmal den Shop. Auch James ist machtlos gegenüber seinem älteren Bruder und den unbegründeten Szenen.
Wir streiten immer öfter, und ich ertappe mich bei dem Gedanken, daß ich so nicht bis an mein Lebensende weitermachen will. Wir arbeiten, und er steht da und motzt die Leute oder mich an, wenn er nicht gerade zu Hause mit einigen Kriegern eine Ziege schlachtet und ich später den Boden vol Blut und Knochen vorfinde.
Ein- bis zweimal wöchentlich fahre ich nach Baragoi, das wesentlich näher liegt als Maralal, um die fehlenden Lebensmittel zu ersetzen. Wieder einmal fehlt Zucker, da ein großes Hochzeitsfest eines Kriegers bevorsteht. Er allein will dreihundert Kilo kaufen und möchte ihn gegen Aufpreis in einen entlegenen Kral gebracht haben. Es ist kurz nach Mittag, und ich hetze los. Ein Weg dauert nur etwa eineinhalb Stunden.
Ohne Probleme erreiche ich Baragoi. Ich kaufe nur sechshundert Kilo Zucker, da ich immerhin zwei Flüsse überqueren muß und meinen Wagen nicht unnötig strapazieren wil.
Das Auto ist beladen, und ich wil starten. Doch der Motor springt nicht an, und nach einigen Versuchen funktioniert gar nichts mehr. Innerhalb kurzer Zeit bin ich von Turkana-Leuten umgeben, die al e neugierig in den Wagen schauen. Der Besitzer des Shops kommt heraus und fragt nach meinem Problem. Einige versuchen, den Wagen anzuschieben, doch auch dieser Versuch scheitert. Der Ladenbesitzer schlägt vor, ich solle etwa dreihundert Meter weiter unten nach einem Zelt Ausschau halten, denn da seien andere Mzungus, die ein Fahrzeug haben.
Tatsächlich treffe ich auf ein junges englisches Paar, dem ich mein Problem schildere. Der Mann packt einen Werkzeugkasten und untersucht mein Auto. Schnel stel t er fest, daß die Batterie völlig leer ist. Er probiert einiges, doch ohne Erfolg. Als ich erkläre, daß ich heute noch nach Barsaloi muß, da ich ein Baby zu Hause habe, bietet er mir an, mir die Batterie aus seinem Wagen zu leihen. Da sie aber in zwei Tagen nach Nairobi aufbrechen wol en, muß ich versprechen, sie bis dahin zurückzubringen. Beeindruckt von diesem Vertrauen versichere ich, rechtzeitig zurückzukommen. Meine defekte Batterie lasse ich da.
Zu Hause erzähle ich meinem Mann, was vorgefal en ist, da er wieder mißtrauisch nachfragt, warum ich so lange weg war. Natürlich bin ich auch sehr betrübt, weil schon wieder eine Ausgabe fällig ist und unser erwirtschaftetes Geld ständig im Auto verschwindet. Als nächstes brauche ich dringend vier neue Reifen. Es ist zum Verzweifeln, wir kommen so auf keinen grünen Zweig, und mir graut davor, morgen schon wieder nach Maralal zu fahren.
Da kommt mir ein glücklicher Zufall zu Hilfe, denn ein Wagen der Bauarbeiter fährt hinunter, um Lebensmittel und Bier zu holen. Ich bitte Lketinga, mitzufahren und die Batterie mitzunehmen. In Maralal sol er eine neue besorgen und mit dem öffentlichen Matatu nach Baragoi zu den Engländern fahren. Sie werden ihn sicherlich bis Barsaloi zurückbringen.
Eindringlich erkläre ich ihm, wie wichtig es ist, daß diese Leute morgen ihre Batterie zurückbekommen. Er versichert mir, daß das kein Problem sei, und fährt im Landrover der Arbeiter durch den Urwald nach Maralal mit. Ich bin beunruhigt, ob alles klappt, aber er hat es mir fest versprochen und war auch richtig stolz, daß er etwas Wichtiges al ein erledigen soll. Er muß einmal übernachten und frühmorgens das einzige Matatu nach Baragoi nehmen.
Ich bin zu Hause und später im Shop, um James beim Verkauf des Zuckers zu helfen. Jeden Moment erwarten wir Lketinga zurück. Doch es wird neun Uhr abends, ehe wir in der Ferne endlich Licht entdecken. Beruhigt koche ich Chai, damit er gleich etwas zu trinken bekommt. Nach einer weiteren halben Stunde hält der Landrover der Engländer unten bei unserem Shop. Ich eile zu ihnen und frage erstaunt, wo mein Mann sei. Der junge Mann sieht mich verärgert an und meint, er wisse nicht, wer mein Mann sei, doch er wolle seine Batterie haben, denn sie müssen heute noch auf den Weg nach Nairobi, morgen abend geht ihr Flug nach England. Mir wird ganz elend, und ich schäme mich, daß mein Versprechen nicht eingehalten wurde.
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