Die Boys verstehen mich, aber sie können nicht viel dazu beitragen, da mein Mann ihren Vorschlägen sofort widerspricht. Mit Engelszungen rede ich und stelle Mombasa als Businessplatz so attraktiv wie möglich dar. James wäre sofort bereit, nach Mombasa zu fahren, weil er auch mal das Meer sehen möchte. Aber mein Mann will nicht, daß wir hier wegziehen.
Für heute beenden wir das Gespräch, und wir spielen noch eine Runde Karten. Es wird viel gelacht, und Lketinga, der das Spiel nicht lernen will, verfolgt das Ganze mißmutig. Ihm gefal en die Besuche der Burschen nach wie vor nicht.
Meistens sitzt er demonstrativ abseits, kaut Miraa oder ärgert die Burschen, bis sie genervt abziehen. Ohnehin sind sie die einzigen, die uns noch besuchen. Täglich schneide ich vorsichtig das Thema Mombasa an, da ohne Grundnahrungsmittel im Shop wirklich nicht mehr viel zu verdienen ist. Das beunruhigt Lketinga allmählich auch. Aber noch gibt er nicht nach.
Wieder einmal spielen wir zu dritt Karten. Nur eine Petroleumlampe erhellt den Tisch. Lketinga tigert ständig in der Wohnung herum. Draußen ist es hell, weil bald Vollmond ist. Zwischendurch wil ich mir die Beine vertreten und stehe auf, um hinauszugehen. Barfuß trete ich auf etwas Glitschiges und schreie angeekelt auf.
Alle lachen, nur Lketinga nicht. Er holt die Lampe vom Tisch und betrachtet das komische Etwas am Boden. Es sieht aus wie ein zerquetschtes Tier, vermutlich ist es der Embryo einer Ziege. Auch die Boys sind dieser Meinung. Es ist kaum größer als zehn Zentimeter und deshalb noch undefinierbar. Lketinga schaut mich an und behauptet, dieses Etwas hätte ich verloren. Zuerst begreife ich nicht, was er damit meint.
Aufgebracht wil er nun wissen, von wem ich schwanger war. Jetzt sei ihm auch klar, warum die Boys täglich kommen. Ich hätte mit einem von ihnen ein Verhältnis.
James versucht ihn zu beruhigen, da ich völ ig erstarrt bin. Er schlägt seine Arme fort und will sich auf den Freund von James stürzen. Doch die beiden Burschen sind schnel er und rennen aus dem Haus. Lketinga kommt auf mich zu, schüttelt mich und wil endlich den Namen meines Liebhabers. Wutentbrannt reiße ich mich los und schreie ihn an: „You are completely crazy! Go out of my house, you.are crazy!“
Ich bin gefaßt darauf, daß er mich nun zum ersten Mal schlagen wird. Aber er sagt nur, diese Schande werde er rächen. Er werde diesen Boy finden und ihn umbringen.
Mit diesen Worten verläßt er das Haus. Überal stehen die Menschen vor ihren Hütten und starren zu uns herüber. Als mein Mann außer Sichtweite ist, packe ich ein Bündel Geld, unsere Pässe und Napirai und renne zur Mission. Wie verrückt klopfe ich an die Tür und bete, daß Roberto öffnen wird. Nach kurzer Zeit steht er da und starrt uns entsetzt an. In knappen Sätzen erkläre ich den Vorfall und bitte ihn, mich sofort nach Maralal zu bringen. Es gehe um Leben und Tod. Roberto ringt seine Hände und beteuert, dies dürfe er nicht. Er muß noch mehr als zwei Monate hier allein auf Pater Giuliano warten und wil sich die Sympathie der Leute nicht verscherzen. Ich solle nach Hause, es sei sicher nicht so schlimm. Offensichtlich hat er Angst. Wenigstens gebe ich ihm das Geld und unsere Pässe, damit mein Mann sie nicht eines Tages zerstören kann.
Als ich zurückkomme, ist er bereits mit der Mama zu Hause. Er wil wissen, was ich in der Mission wol te, doch ich antworte nicht. Nun fragt er aufgebracht, wo der Embryo sei. Wahrheitsgetreu sage ich, unsere Katze habe ihn nach draußen geschleift. Natürlich glaubt er mir nicht und behauptet, ich habe ihn sicher in der Toilette verschwinden lassen. Er erklärt der Mama, er wisse nun, daß ich mit einem Boy ein Verhältnis habe. Wahrscheinlich sei auch Napirai nicht von ihm, sondern von diesem Boy, da ich mit ihm in Maralal in einem Lodging war, bevor ich das erste Mal in die Schweiz reiste. Woher er das wohl erfahren hat? Jetzt holt mich die Hilfeleistung von damals ein und wird mir zum Verhängnis. Die Mama fragt mich, ob diese Tatsache stimmt. Selbstverständlich kann ich es nicht abstreiten, und sie glauben mir einfach nicht, daß alles harmlos war. Ich sitze da und heule, was mich noch verdächtiger macht.
Von beiden tief enttäuscht will ich nur noch weg, so schnell wie möglich. Nach längerem Hin und Her bestimmt Mama, daß Lketinga in der Manyatta schlafen soll und wir morgen weitersehen. Mein Mann geht aber nicht ohne Napirai. Ich schreie ihn an, er solle mein Kind, das er ja sowieso nicht als seines betrachtet, in Ruhe lassen. Doch er verschwindet mit ihr in der Dunkelheit.
Allein sitze ich auf dem Bett und verfal e in einen schlimmen Weinkrampf. Natürlich könnte ich den Wagen nehmen und das Dorf verlassen, aber ohne mein Kind kommt diese Möglichkeit nicht in Frage. Draußen höre ich Stimmen und Gelächter. Einige Leute scheinen sich über den Vorfal zu freuen. Nach einer Weile erscheint der Veterinär mit seiner Frau, um nach mir zu sehen. Sie haben alles mitangehört und versuchen, mich zu beruhigen. In dieser Nacht schließe ich kein Auge, sondern bete, daß wir eines Tages von hier wegkommen. Von meiner Liebe ist im Moment nur blanker Haß geblieben. Wie sich alles in der kurzen Zeit so wandeln konnte, kann ich nicht begreifen.
Am frühen Morgen gehe ich schnel in den hinteren Teil des Shops, um den Boys mitzuteilen, daß Lketinga Rachepläne gegen den einen von ihnen hegt. Dann eile ich zur Mama, da ich Napirai immer noch stillen muß. Mama sitzt mit ihr vor der Hütte.
Mein Mann schläft noch. Ich nehme mein Kind, stil e es, und Mama fragt mich doch tatsächlich, ob Lketinga der Vater sei. Mit Tränen in den Augen antworte ich nur:
„Yes.“
Mein Mann kriecht aus der Manyatta und befiehlt mir, in unsere Blockhütte zu kommen. Auch die Boys holt er zu uns. Wie so häufig stehen einige Neugierige herum. Mir klopft das Herz bis zum Hals, ich weiß nicht, was passieren wird. Erregt redet er auf mich ein und fragt vor al en Anwesenden, ob ich mit diesem Boy geschlafen habe. Er wil es jetzt wissen. Ich schäme mich sehr, und gleichzeitig überkommt mich eine Riesenwut. Wie ein Richter führt er sich auf und merkt gar nicht, wie lächerlich er uns macht. „No“, schreie ich ihn an, „you are crazy!“
Noch bevor ich mehr sagen kann, bekomme ich die erste Ohrfeige. Wütend schleudere ich ihm mein Zigarettenpaket an den Kopf. Da dreht er sich um und richtet seinen Rungu gegen mich. Doch bevor er ihn benutzen kann, reagieren die Boys und der Veterinär. Sie halten ihn fest, reden empört auf ihn ein und meinen, es wäre besser, wenn er für einige Zeit in den Busch ginge, bis er wieder einen klaren Kopf hat. Daraufhin nimmt er seine Speere und zieht ab. Ich stürze in mein Haus und wil niemand mehr sehen.
Zwei Tage bleibt er weg, während ich das Haus nicht verlasse. Wegfahren könnte ich nicht, da mir auch gegen Bezahlung niemand helfen würde. Den ganzen Tag höre ich deutsche Musik oder lese Gedichte, die mir helfen, meine Gedanken zu sammeln. Gerade bin ich dabei, einen Brief nach Hause zu schreiben, als unvermutet mein Mann erscheint. Er stellt die Musik ab und fragt, warum bei uns gesungen werde und woher ich diese Kassette habe. Natürlich hatte ich sie schon immer, was ich möglichst ruhig vorbringe. Er glaubt es nicht. Dann entdeckt er den Brief an meine Mutter. Ich muß ihn vorlesen, aber er bezweifelt, daß ich den Inhalt richtig wiedergebe. Also zerreiße ich den Brief und verbrenne ihn. Zu Napirai sagt er kein Wort, als wäre sie gar nicht hier. Er ist relativ ruhig, und so versuche ich, ihn nicht zu reizen. Letztlich muß ich mich mit ihm versöhnen, wenn ich hier eines Tages wegkommen wil.
Die Tage verstreichen ruhig, da auch der Boy nicht mehr in Barsaloi wohnt. Von James erfahre ich, daß er zu Verwandten gezogen ist. Der Shop bleibt geschlossen, und nach vierzehn Tagen haben wir kein Essen mehr. Ich will nach Maralal, aber mein Mann verbietet es. Er erklärt, andere Frauen leben auch nur von Milch und Fleisch.
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