Die Inder wol en vieles wissen. Wie ich zu meinem Mann kam, wieso wir hier in dieser Einöde leben. Ihr Staunen ruft bei mir ab und zu Heiterkeit hervor, und ich fühle mich froh und frei wie schon lange nicht mehr. Nach etwa eineinhalb Stunden erreichen wir Nairobi. Es ist wie ein Wunder für mich, in so kurzer Zeit die weite Strecke zurückgelegt zu haben. Nun fragen sie, wohin sie mich bringen sollen. Bei meiner Antwort, zum Igbol-Hotel in der Nähe des Odeon-Cinema, sind sie entsetzt und meinen, eine Lady wie ich gehöre nicht in diese Gegend, sie sei zu gefährlich.
Doch ich kenne nur dieses Quartier und bestehe darauf, dort abgeladen zu werden.
Der eine der Inder, offensichtlich der wichtigere von ihnen, steckt mir seine Visitenkarte zu, ich sol e morgen um neun Uhr anrufen, sein Chauffeur werde mich abholen. Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht und bedanke mich überschwenglich.
Im Igbol kommen mir al mählich Zweifel, ob ich das al es bezahlen kann, denn ich habe gerade etwa 1000 Franken bei mir. Mehr Geld hatte ich nicht zu Hause und dieses auch nur, weil wir die Disco veranstaltet hatten. Ich wickle Napirai, und wir gehen hinunter ins Restaurant. Es ist schwierig, mit ihr am Tisch zu essen. Entweder reißt sie alles herunter oder will am Boden krabbeln. Seit sie das Krabbeln entdeckt hat, fegt sie in Windeseile über den Boden. Hier ist al es so schmutzig, daß ich sie nicht herunterlassen will. Aber sie zappelt und schreit so lange, bis sie ihren Willen durchsetzt. In kurzer Zeit steht sie vor Dreck, und die Einheimischen begreifen nicht, warum ich das zulasse. Dafür haben einige weiße Reisende ihre hel e Freude, wenn sie sich unter den Tischen durchzwängt. Sie ist jedenfalls zufrieden und ich auch.
Zurück auf dem Zimmer säubere ich sie gründlich im Waschbecken. Um selbst duschen zu können, muß ich warten, bis sie endlich eingeschlafen ist.
Am nächsten Tag regnet es in Strömen. Um halb neun stelle ich mich in die wartende Schlange vor den Telefonzellen. Wir sind naß bis auf die Knochen, als uns eine Frau vorläßt. Ich erreiche den Inder auf Anhieb und gebe ihm den Standort durch, Odeon Cinema. In zwanzig Minuten sei sein Chauffeur mit einem Wagen bei uns. Schnell renne ich ins Igbol zurück, um die Kleider zu wechseln. Mein Mädchen ist sehr tapfer. Sie weint nicht, obwohl sie völ ig durchnäßt ist. Beim Odeon Cinema erwartet uns der Chauffeur, und wir fahren in ein Industriegebiet, wo wir in ein feudales Büro geführt werden. Hinter dem Schreibtisch lächelt uns der nette Inder entgegen und fragt sofort, ob alles ohne Probleme verlaufen sei. Er telefoniert, und schon steht der afrikanische Mechaniker von gestern da. Er gibt ihm einige Adressen, die er mit uns abfahren sol, um die benötigten Ersatzteile zu suchen. Auf seine Frage, ob ich genügend Geld dabei habe, antworte ich: „I hope so!“
Wir fahren kreuz und quer durch Nairobi. Bis zum Mittag finden wir die Kupplungsteile für nur 150 Franken. Napirai und ich sitzen hinten im Wagen. Da der Regen aufgehört hat und die Sonne wieder scheint, wird es schnell heiß im Wagen.
Aber ich darf die Fenster nicht öffnen, da wir zum Teil in den übelsten Gegenden von Nairobi umherkurven. Der Fahrer versucht immer wieder sein Glück, doch er wird nicht fündig. Napirai schwitzt und heult. Sie hat genug vom Autofahren, und wir sind nun schon sechs Stunden ununterbrochen im Wagen, als der Mechaniker erklärt, es sei hoffnungslos, dieses Teil noch zu finden. Um fünf schließen heute al e Geschäfte, da morgen Karfreitag ist. Ostern habe ich völlig vergessen! Ahnungslos frage ich ihn, wann denn wieder geöffnet wird. Die Werkstätten seien bis Dienstag zu, ist die Antwort. Nun ergreift mich blankes Entsetzen, so lange allein mit Napirai in dieser Stadt bleiben zu müssen. Lketinga wird durchdrehen, wenn ich eine Woche fort bin.
Wir beschließen, zum Büro des Inders zu fahren.
Der freundliche Inder ist sehr betrübt über meine Schwierigkeiten. Er schaut sich den ausgeleierten Kugelkopf der Schaltung an und fragt den Mechaniker, ob man ihn nicht reparieren könne. Dieser verneint, wohl auch, weil er Feierabend haben wil.
Wieder telefoniert der Inder. Ein anderer Mann mit Schürze und Schutzbril e erscheint im Türrahmen. Der Inder gibt Anweisung, die ausgeleierten Stellen zu schleifen und zu schweißen. Energisch teilt er dem verblüfften Mann mit, daß er al es in einer halben Stunde fertig zurückhaben wolle, da er verreisen muß und auch ich nicht länger warten kann. Mir gibt er lächelnd zu verstehen, in einer halben Stunde könne ich nach Hause reisen.
Ich bedanke mich sehr und frage nach den Unkosten. Höflich winkt er ab. Ich könne ihn immer anrufen, wenn ich Probleme habe. Es sei ihm eine Freude, mir behilflich zu sein. Wenn ich wieder in Barsaloi bin, soll ich zum Bauführer gehen. Er wird sich darum kümmern, daß alles eingebaut wird, er ist informiert. Ich kann kaum glauben, daß mir auf einmal kostenlos geholfen wird, und das in solch einem Ausmaß! Kurze Zeit später verlasse ich sein Büro. Die Teile sind sehr schwer, doch ich bin stolz auf den Erfolg. Noch am Abend reise ich bis Nyahururu, damit ich am nächsten Morgen den Bus nach Maralal erreiche. Das Schleppen der zwei Taschen mit Napirai auf dem Rücken fäl t mir schwer.
In Maralal weiß ich nicht, wie ich nach Barsaloi komme. Erschöpft gehe ich ins Lodging, um nach der anstrengenden, staubigen Reise etwas zu trinken und zu essen. Dann muß ich wieder einige Dutzend Windeln sowie Napirai und mich selbst waschen. Todmüde falle ich ins Bett. Morgens frage ich überall nach, ob jemand nach Barsaloi fährt.
Bei meinem Großhändler erfahre ich, daß ein Lastwagen zu den Somalis fährt.
Doch einen Laster will ich Napirai und mir nach diesen Strapazen nicht zumuten. Ich warte, da ich einen Boy treffe, der gerade zu Fuß von Barsaloi gekommen ist und mir mitteilt, daß Pater Roberto morgen in Maralal die Post abholt. Erwartungsvoll packe ich am nächsten Tag im Lodging meine Sachen zusammen, um neben der Post Stel ung zu beziehen. Geschlagene vier Stunden harre ich am Straßenrand aus, bis ich endlich den weißen Missionswagen erblicke. Freudig gehe ich auf Roberto zu, um mit ihm nach Hause zu fahren. Dies sei kein Problem, meint er, er fahre in etwa zwei Stunden zurück.
In Barsaloi klettere ich aus dem Wagen und sehe meinen Mann mit Riesenschritten auf mich zukommen. Er begrüßt mich kühl und fragt, warum ich erst jetzt zurückkomme. Was heißt erst jetzt? Ich bin auf dem schnel sten Weg hierher gekommen, gebe ich ihm gereizt und enttäuscht zurück. Kein Wort, ob alles geklappt hat. Warum ich nochmals in Maralal übernachten mußte? Wen ich wieder getroffen habe? Fragen über Fragen, nur kein Lob ernte ich. Mir ist es peinlich, in Gegenwart von Pater Roberto so mißtrauische Fragen zu beantworten. Ich laufe mit Napirai nach Hause. Zumindest schleppt er die Tasche, die selbst ihn fast zu Boden drückt.
Sein Blick ist lauernd, als er mit Fragen weiterbohrt. Kurz bevor ich vor Wut und Enttäuschung explodiere, tritt James mit seinem Freund fröhlich ins Haus.
Wenigstens er will wissen, wie al es gelaufen ist. Er fand es mutig, daß ich so spontan mit dem Flugzeug weggeflogen bin. Leider war er am Fluß, um seine Kleider zu waschen, als er von der Safari hörte. Er wäre so gerne mitgeflogen, sein größter Wunsch sei, einmal zu fliegen.
Seine Worte tun mir gut, und ich beruhige mich. Die Burschen kochen Chai für mich. Sie erzählen und erzählen, während Lketinga das Haus verläßt, obwohl es dunkel ist. Ich frage James, was denn mein Mann gesagt hat, als er wiederkam und feststellte, daß ich weg war. Lächelnd versucht er mir zu erklären, ich müsse verstehen, daß diese Generation kein Verständnis für selbständige Frauen habe und kein Vertrauen kenne. Lketinga dachte, ich sei mit Napirai abgehauen und komme nicht wieder. Ich verstehe es nicht, obwohl ich langsam Grund hätte davonzulaufen.
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