Роберт Ладлэм - Die Borowski-Herrschaft

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Im Hinterzimmer eines Hongkonger Nachtlokals werden fünf Leichen aufgefunden. Einer der Ermordeten ist der Vizepräsident der Volksrepublik China, der sich inkognito in der Stadt aufhält. Offensichtlich haben politische Hintergründe die Tat bestimmt. Eine Tatsache jedoch gibt den Geheimdiensten Rätsel auf: In einer Blutlache hat der Killer mit dem Finger den Namen »Borowski« gemalt. Aber Borowski ist lange tot. US-Geheimagent David Webb hat ihn am Ende des Vietnamkrieges erschossen -oder hatte sich Webb, hatten sich damals alle geirrt ...?_

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»Sie glauben, Peking wäre damit einverstanden?« McAllister schüttelte den Kopf. »Sie irren! Das - das ist einfach verrückt! Die Volksrepublik wird Hongkong niemals antasten! Schließlich lenkt sie sechzig Prozent ihres Handels über Hongkong. Die China-Verträge garantieren fünfzig Jahre freie Wirtschaftszone, und Sheng selbst ist ein Mitunterzeichner der Verträge - der wichtigste sogar!«

»Aber Sheng ist nicht Sheng - nicht so, wie Sie ihn kennen.«

»Wer, zum Teufel, ist er dann?«

»Erschrecken Sie nicht, Herr Staatssekretär. Sheng Chou Yang ist der älteste Sohn eines Industriellen aus Shanghai, der in der korrupten Welt des alten China sein Vermögen gemacht hat, unter Tschiangkaischeks Kuomintang. Als zu erkennen war, daß Maos Revolution siegen würde, floh die Familie, so wie viele der Landbesitzer und der Kriegstreiber, mit allem, was sie mitnehmen konnten. Der alte Herr ist jetzt einer der mächtigsten Taipans von Hongkong - aber wir wissen nicht, welcher. Die Kolonie wird sein Mandat und das seiner Familie werden, und das wird er einem Minister in Peking zu verdanken haben -seinem hochgeschätzten Sohn. Stellen Sie sich diesen Wahnsinn vor! Die letzte Rache des Patriarchen - Hongkong wird von eben den Männern kontrolliert werden, die Nationalchina korrumpiert haben. Jahrelang haben sie ihr Land gewissenlos ausgequetscht und ihre Profite aus den Mühen eines verhungernden, rechtlosen Volkes gezogen und damit Maos Revolution den Weg bereitet. Und wenn das wie eine kommunistische Parteirede klingt, dann muß ich leider sagen, daß das zum größten Teil stimmt. Und jetzt wollen eine Handvoll Eiferer, Wirtschaftsverbrecher, geführt von einem Verrückten, das zurück, was kein internationales Gericht der ganzen Welt ihnen je zubilligen würde.« Havilland hielt inne und spuckte dann das Wort förmlich aus. »Wahnsinnige!«

»Aber wenn Sie nicht wissen, wer dieser Taipan ist, woher wissen Sie dann, daß das, was Sie sagen, stimmt - daß irgend etwas davon stimmt?«

»Unsere Quellen sind absolut geheim«, unterbrach Reilly. »Aber sie sind zuverlässig. Die ersten Erkenntnisse stammen aus Taiwan. Unser erster Informant war ein Mitglied des dortigen Kabinetts. Er hielt das für einen katastrophalen Kurs, der nur zu einem Blutbad im ganzen Pazifikraum führen konnte. Er flehte uns an, dem ein Ende zu machen. Am nächsten Morgen fand man ihn tot auf - mit drei Kugeln im Kopf. Man hatte ihm auch die Kehle durchgeschnitten - bei den Chinesen bedeutet das den Tod eines Verräters. Seitdem sind noch fünf Menschen ermordet worden, und man hat sie in ähnlicher Weise verstümmelt. Was wir Ihnen gesagt haben, ist wahr. Es gibt diese Verschwörung, und sie geht von Hongkong aus.«

»Das ist doch Wahnsinn

»Und was noch wichtiger ist«, sagte Havilland, »sie hat keine Chance. Wenn sie auch nur den Schimmer einer Chance hätte, könnten wir uns ja abwenden und sagen, meinetwegen; aber eine solche Chance besteht nicht. Sie wird scheitern, so wie Lin Biaos Verschwörung gegen Mao 1972 scheiterte. Und wenn es dann soweit ist, wird Peking behaupten, amerikanisches und taiwanesisches Geld stecke dahinter und die Briten seien Komplizen - ebenso wie die führenden Finanzinstitutionen der Welt mit ihrem stillschweigenden Einverständnis. Acht Jahre wirtschaftlichen Fortschritts werden beim Teufel sein, und das nur, weil eine Gruppe von Fanatikern Rache sucht. Um Ihre Worte zu gebrauchen, Herr Staatssekretär: Die Volksrepublik China ist eine argwöhnische, turbulente Nation und - wenn ich meine eigene Ansicht aus meiner langjährigen Erfahrung, die Sie mir zuschreiben, hinzufügen darf - ein Regime, bei dem es keines sehr großen Anstoßes bedarf, um es paranoid werden zu lassen, und das von der Idee cfes Verrates besessen ist - des Verrates von innen ebenso wie von außen. China wird glauben,

daß die Welt darauf aus ist, es wirtschaftlich zu isolieren, es von den Märkten der Welt fernzuhalten und es in die Knie zu zwingen, während die Russen grinsend von den nördlichen Grenzen zusehen. Und so wird China schnell und wütend zuschlagen, alles an sich reißen. Chinas Truppen werden Kowloon besetzen, die Insel, die blühenden New Territories. Investitionen von Milliarden Dollars werden verloren sein. Und ohne die Erfahrung, die die Kolonie sich aufgebaut hat, wird der Handel gelähmt sein, es wird ein Heer von Arbeitslosen geben -Millionen -, Chaos wird ausbrechen, Hunger und Seuchen. Der ganze Pazifikraum wird in Flammen stehen, und am Ende könnte es zu einem Krieg kommen, wie ihn sich keiner von uns ausmalen will.«

»Großer Gott!« flüsterte McAllister. »Dazu darf es nicht kommen.«

»Nein, das darf es nicht«, stimmte der Diplomat zu.

»Aber warum Webb

»Nicht Webb«, korrigierte ihn Havilland. »Jason Borowski.«

»Also gut! Warum Borowski!«

»Weil es in Kowloon heißt, daß er bereits dort ist.«

»Was?«

»Und wir wissen, daß das nicht so ist.«

»Was haben Sie gesagt?«

»Er hat wieder zugeschlagen. Er hat getötet. Er ist nach Asien zurückgekehrt.«

»Webb?«

»Nein, Borowski. Die Legende.«

»Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr!«

»Ich kann Ihnen versichern, daß Sheng Chou Yang eine ganze Menge versteht und weiß, was er will.«

»Was soll das jetzt wieder heißen?«

»Er hat ihn zurückgeholt. Jason Borowskis Talente stehen wieder für Geld zur Verfügung, und sein Klient ist, so wie das immer war, nicht aufzustöbern - im vorliegenden Fall der unwahrscheinlichste Klient, den man sich vorstellen kann. Ein führender Sprecher Chinas, der seine Gegner sowohl in Hongkong wie auch in Peking eliminieren muß. In den letzten sechs Monaten sind eine ganze Anzahl mächtiger Stimmen im Zentralkomitee von Peking merkwürdig schweigsam gewesen. Nach den offiziellen Regierungs-Verlautbarungen sind einige gestorben, was angesichts ihres Alters verständlich ist. Zwei andere sind angeblich bei Unfällen ums Leben gekommen -einer bei einem Flugzeugabsturz und einer ausgerechnet durch eine Gehirnblutung während einer Wanderung in den Shaoguan-Bergen -, und wenn das nicht stimmt, dann ist es zumindest gut erfunden. Und dann ist noch einer >entfernt< worden - was ein Euphemismus dafür ist, daß er in Ungnade gefallen ist. Zuletzt -und das ist das Verblüffendste - ist der stellvertretende Premierminister in Kowloon ermordet worden, und niemand in Peking wußte überhaupt, daß er dort war. Ein scheußliches Massaker - fünf Männer, die im Tsim Sha Tsui ermordet wurden, und der Killer hat seine Visitenkarte hinterlassen. Der Name Jason Borowski< stand in einer Blutlache auf dem Boden.«

McAllister blinzelte ein paarmal, und seine Augen huschten ziellos im Raum umher. »Das alles kann ich einfach nicht fassen«, sagte er hilflos. Dann, plötzlich wieder ganz Profi, sah er Havilland an. »Gibt es Zusammenhänge?« fragte er.

Der Diplomat nickte. »Die Berichte unserer Agenten sind eindeutig. Alle diese Männer lehnten Shengs Politik ab - einige offen, einige eher versteckt. Der Vizepremier, ein alter Revolutionär und ein Veteran vom langen Marsch Maos, machte am wenigsten ein Hehl aus seiner Abneigung gegen den Emporkömmling Sheng. Die Frage ist nur, was hatte er inkognito in Kowloon in der Gesellschaft von Bankiers zu suchen? Peking kann diese Frage nicht beantworten, und um das Gesicht wahren zu können, durfte der Mord nie stattgefunden haben. Seit seiner Einäscherung ist er zur Unperson geworden.«

»Und die >Visitenkarte des Mörders - der in Blut geschriebene Name - ist die zweite Verbindung zu Sheng«, sagte der Mann aus dem Außenministerium mit leicht zitternder Stimme, während er sich die Stirn massierte. »Aber warum würde er so etwas tun? Seinen Namen hinterlassen, meine ich!«

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