Der König presste die Kiefer aufeinander. Seine schielenden Augen blickten an mir vorbei, als versuchte er, seinen Zorn zu zügeln. Er hielt seinen Herrscherstab fest umklammert. Doch er erhob sich nicht, als ich geendet hatte, er wies mich nicht zurecht und rief auch nicht die Wachen, damit sie mich wegschafften. Er blickte nur auf meine Hand und deutete auf meinen Ring, das Zeichen des großen Affen-Schreibers, meines Vorgängers.
Und dann sprach er:
– Der Ring, den du da trägst, der Ring des Affen-Schreibers, das Symbol deines Standes – was, glaubst du, ist dieser Ring gegen die Krone der Götter, die ich auf dem Kopf trage? Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als diese Bürde mit meinem Volk zu teilen und ihm erklären zu können, welche Zugeständnisse ich machen muss, um die Götter zufriedenzustellen. Diese Bürde zu tragen kann man nicht aus Büchern lernen, sondern nur von jenen, die mir vorangegangen sind, von meinen Vätern, die einst über unsere Terrassenstadt herrschten. Einer, der den Ring des Affen-Schreibers trägt, kann die Schwere dieser Bürde kaum ermessen. –
Mit diesen Worten erhob sich der König in seiner Nacktheit. Ich dachte, er werde mich schlagen, aber er befahl mir nur, mich zu erheben. Er schlang sich einen Lendenschurz um die Hüften und hieß mich, ihm in die Küche des Palastes zu folgen.
Man munkelt, es gebe nichts, was die königlichen Köche nicht so zubereiten können, dass es dem Herrscher mundet. Sie schicken ihre Helfer an bis zu sieben Tagesmärsche entfernte Orte, um Guaven oder Schweinepflaumen zu sammeln, die nur auf den höchsten Bergen wachsen, oder um mit den Baummenschen um Süßkartoffeln zu feilschen, die nur im Winter im Schatten eines Kapokbaumes wachsen.
Ich folgte seiner Heiligkeit, Jaguar Imix, und ich konnte die schlangengleich flink umherhuschenden Männer sehen, die, ganz auf ihre Kunst konzentriert, mit den Vorbereitungen für das große Festmahl beschäftigt waren. Jeder hatte eine andere Aufgabe. Da gab es welche, die für Soßen und Garnierungen zuständig waren und Blättchen von Manioksträuchern auf die verschiedenen Mischungen von Pfefferschotenpaste, Zimt, Kakao und Piment gaben. Andere wiederum kümmerten sich um das eigentliche Kochen und wachten über die großen Bratspieße in jeder Ecke des Raumes und brieten das Fleisch, bevor sie es zu den üppigen Eintöpfen hinzugaben, die in gewaltigen Kesseln in der Mitte der Küche schmorten.
Die offenen Feuerstellen strahlten eine Hitze ab, die fast so erdrückend war wie in der Schwitzhütte. Wir gingen weiter, und ich wusste, dass wir zum Schlachthaus gingen. Bevor wir dort eintraten, bedachte mich der König mit einem strahlenden Jadelächeln.
Er sprach:
– Gemeiner Schreiber, es kann keine bedeutendere göttliche Eingebung geben als jene, die ich vor zwanzig Monden erhielt, das göttliche Gebot Akabalams, das unsere Rettung sein und Kanuataba für immer verändern wird. Fast ein Jahr habe ich dieses Blut in mir aufgenommen, und es ist an der Zeit, mein Volk an der Quelle meiner Kraft teilhaben zu lassen. Meinen Spionen zufolge sind diese Rituale bei anderen Völkern eine Alltäglichkeit geworden. Nicht nur bei den Adligen, sondern auch beim niederen Volk. Sie haben sich viele Monde davon ernährt und brauchten nichts anderes. –
Ich folgte dem König ins Schlachthaus.
Der Boden schwamm in Blut, es durchtränkte meine Sandalen. Mehr als zwei Dutzend tote Körper hingen da, gehäutet und geköpft, ausgeweidet, ausgeblutet und zerlegt. Die Schlachter lösten das Fleisch von den Knochen der Gliedmaßen und warfen die Stücke auf einen Berg aus dicken Fleischscheiben. Mit Steinklingen wurde das Fleisch so zurechtgeschnitten, dass es gebraten werden konnte, und nicht das kleinste Stückchen wurde verschwendet. Ich begriff erst nach einem Augenblick, dass es menschliche Gliedmaßen waren, die man uns zum Verzehr vorsetzen wollte.
Es waren menschliche Körper, die an den Fleischerhaken hingen.
Der König sprach:
– Akabalam hat befohlen, dass wir uns dieses Fleisch einverleiben, weil wir so die Macht der Seelen, die in diesen Toten wohnten, in uns aufnehmen. Ich und meine engsten Getreuen haben diese Macht bereits erlangt, da wir in den vergangenen dreihundert Sonnen mehr als zwanzig Männer verzehrt haben. Jetzt ist es Akabalams Wille, dass wir die Kraft von zehn Männern in jedem einzelnen Mann unseres großartigen Volkes konzentrieren. Die Gottesanbeterin verspeist den Kopf ihres Männchens, um zu überleben. Gesegnet sei sie! Und wie sie werden wir alle das Fleisch unseresgleichen verzehren. –
Als er geendet hatte, wusste ich, dass dies kein Gott war, der bestimmt wurde, damit wir wieder auf den Pfad der Frömmigkeit zurückkehren. Das war etwas sehr viel Schrecklicheres, und niemand musste mich je lehren, es zu fürchten.

Seit meiner letzten Niederschrift ist viel geschehen in Kanuataba; sechzig Sonnen sind aus der Farbe der Wiedergeburt geboren worden und in Schwärze erloschen. Akabalam hat sich bis in jeden Winkel der Stadt verbreitet, als bekannt wurde, dass der König bei dem Festmahl auf dem großen Platz das Fleisch der Adligen unserer Feinde seinem eigenen Adel vorsetzte. Jaguar Imix hat befohlen, Akabalam zu huldigen. Kein Regen ist auf die Felder gefallen, und so sind die Kochtöpfe gefüllt mit dem Fleisch der Toten; alles wurde verwendet, jeder kleinste Fleischfetzen von den Knochen geschabt. Niemand darf seinen eigenen Sohn oder seinen Vater, seine eigene Tochter oder seine Mutter essen – das ist das einzige Verbot, das der König erließ, weil die Götter es so angeordnet haben. Aber ich habe kindliche Sklaven gesehen, die gezwungen wurden, fleischlose Mahlzeiten zuzubereiten, nur um dann geopfert zu werden wie Tiere, hin und hergewendet im würzigen Sud, den sie selbst zubereitet hatten.
Ich habe Akabalam nicht gehuldigt und habe es auch Auxilas Töchtern nicht erlaubt. Wir ernähren uns von Blättern und Wurzeln und kleinen Beeren. Schmetterling Ohnegleichen und Geflammte Feder wären schon längst Nahrung für die Massen geworden, wenn meine Stellung sie nicht schützen würde. Die Waisen in der Stadt gehörten zu den Ersten, die geopfert wurden, aber in meiner Höhle sind die beiden Mädchen in Sicherheit. Mein Krafttier wacht über sie. Ich habe ihnen verboten, die Höhle zu verlassen, weil sich viele grausame Wilde auf den Straßen herumtreiben, die nicht zögern würden, ein Kind zu töten, um es zu essen.
Der König hat sich tief in den Palast zurückgezogen, wo er auf eine Eingebung der Götter wartet. NurJacomo, der Zwerg, sowie die Königin und der Prinz dürfen zu ihm. Der Rat wurde aufgelöst. Jaguar Imix verkündete, kein Mann außer ihm könne den Ruf der himmlischen Götter vernehmen, und im Rat habe es zu viele falsche Propheten gegeben. Jeden Tagbei Sonnenaufgang steht Jacomo, der Zwerg, auf den Stufen des Palastes, wo er die Befehle des Königs verliest und die Opfer, die dargebracht werden müssen, um die Götter zufriedenzustellen.
Jeden Tag bei Sonnenuntergang sind die Opfer dargebracht, sind Männer und Frauen und Kinder, unter ihnen auch adlige, auf den Opferaltar gezerrt worden, wo sie von den Scharfrichtern getötet, wo ihnen das Herz und die Eingeweide herausgerissen wurden, bevor sie den Massen als Nahrung dienen.
Doch mit jeder Opferung wachsen in Kanuataba die Zweifel an der Macht des Königs. Ich habe das Murren im Volk vernommen. Jeder hat Angst, er könnte der Nächste sein, der geopfert wird. Jaguar Imix habe seine besondere Verbindung zu den Göttern verloren, wird gemunkelt, ein Fluch habe seinen Geist verwirrt.
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