Der Sicherheitsbeamte neben dem Fahrer schrie in das Mikrofon: »Hier ist Leuchtturm Eins! Mayday! Mayday! Alle Einheiten zur Zwillingsbrücke!«
Aber jeder in der Limousine wußte, daß die Hilfe nicht mehr rechtzeitig eintreffen würde. Der Fahrer versuchte anzuhalten, aber der mächtige Kotflügel des Lasters hatte sich in die Limousine verkeilt und schleifte sie mit. Es war nur noch eine Sache von Sekunden, bis der Laster sie über die Kante der Brücke stoßen würde. Der Beamte am Steuer bearbeitete abwechselnd das Gaspedal und die Bremse, um die Limousine von dem Druck des Lasters zu befreien, aber der Laster nagelte den Wagen gnadenlos gegen das Brückengeländer. Die Limousine hatte nicht den geringsten Spielraum. Der Laster blockierte auf der linken Seite jede Fluchtmöglichkeit, und auf der rechten Seite wurde der Wagen gegen das Eisengeländer gepreßt. Der Fahrer kämpfte verzweifelt mit dem Lenkrad. Der Laster warf sich mit neuer Wucht gegen die Limousine, und jeder in ihrem Inneren konnte spüren, wie das Brückengeländer nachzugeben begann.
Der Laster rammte immer heftiger gegen die Karosserie und drängte die Limousine von der Brücke. Plötzlich brachen die Vorderräder des Wagens durch das Geländer. Der Wagen hatte jetzt starke Schlagseite. Jemand im Inneren stieß einen Schrei aus. Die Limousine schwankte auf der Kante der Brücke hin und her, und jeder im Wagen bereitete sich auf das Sterben vor.
Adam spürte keine Angst, nur ein Gefühl unbeschreiblichen Verlusts, Trauer über das verschwendete Leben. Mit Jennifer hätte er es teilen, Kinder haben sollen - und plötzlich wußte er von irgendwo aus der Tiefe seines Ich, daß sie ein Kind gehabt hatte.
Die Limousine neigte sich wieder dem Wasser zu, und Adam stieß einen einzigen lauten Schrei aus, eine Anklage gegen die Ungerechtigkeit dessen, was geschehen war und was noch geschah.
Aus dem Himmel über ihren Köpfen stießen plötzlich zwei Polizeihubschrauber herab. Das Hämmern von Maschinenpistolen erklang. Der Sattelschlepper schlingerte, und auf einen Schlag hörte alle Bewegung auf. Adam und die anderen konnten die Helikopter am Himmel kreisen hören. Die Männer rührten sich nicht, denn sie wußten, daß das kleinste Zucken den Wagen aus dem Gleichgewicht bringen und in die eisigen Fluten unter ihnen stürzen konnte.
Aus der Ferne näherten sich Polizeisirenen. Wenige Minuten später erklangen Stimmen, die Befehle brüllten. Der Motor des Sattelschleppers erwachte wieder zum Leben. Langsam, vorsichtig, setzte sich der Laster in Bewegung, kroch von der eingezwängten Limousine fort. Der Druck ließ nach. Der Wagen schwankte eine furchtbare Sekunde lang, dann stand er still. Der Laster gab den Blick aus dem linken Seitenfenster frei.
Streifenwagen und Polizisten in Uniform mit gezogenen Waffen schwärmten über die Brücke.
Ein Polizeicaptain tauchte neben dem verbeulten Wagen auf. »Es ist unmöglich, die Türen zu öffnen«, sagte er. »Wir holen Sie durch die Fenster heraus.«
Als erster wurde Adam aus dem Fenster gehoben, langsam und vorsichtig, um den Wagen nicht doch noch durch eine heftige Bewegung aus dem Gleichgewicht zu kippen. Nach ihm folgten die drei Sicherheitsbeamten. Als alle Insassen aus der
Limousine befreit waren, wandte sich der Captain an Adam und fragte: »Sind Sie in Ordnung, Sir?«
Adam blickte auf die Limousine, die über dem dunklen Wasser des Flusses weit unten hing. »Ja«, sagte er. »Alles in Ordnung.«
Michael Moretti warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. »Es ist vorbei«, sagte er. Er wandte sich an Jennifer. »Dein Geliebter dürfte jetzt im Fluß treiben.«
Sie starrte ihn an, bleich vor Entsetzen. »Du kannst doch nicht...«
»Keine Sorge. Du wirst einen fairen Prozeß bekommen.« Er blickte Gino Gallo an. »Hast du ihr erzählt, daß wir Adam Warner auf der Brücke von New Canaan erledigen wollten?«
»Genau wie Sie es mir aufgetragen hatten, Boß.« Michael sah Jennifer an. »Der Prozeß ist vorbei.« Er stand auf und ging zu ihr hinüber. Er packte ihre Bluse und riß sie hoch.
»Ich habe dich geliebt«, flüsterte er. Er schlug ihr heftig ins Gesicht. Jennifer zuckte mit keiner Wimper. Er schlug sie noch einmal, härter diesmal, dann ein drittes Mal, und sie stürzte zu Boden.
»Steh auf. Wir machen eine kleine Fahrt.« Betäubt von den Schlägen, lag Jennifer auf dem Boden und versuchte, ihren Kopf freizubekommen. Michael riß sie brutal auf die Füße.
»Wollen Sie, daß ich mich um sie kümmere, Boß?« fragte Gino Gallo.
»Nein. Fahr den Wagen zum Hintereingang.«
»Sofort, Boß.« Er eilte aus dem Raum. Jennifer und Michael waren allein.
»Warum?« fragte er. »Die Welt wa r unser, und du hast sie weggeworfen. Warum?« Sie antwortete nicht.
»Willst du, daß ich noch einmal mit dir schlafe - um der alten Zeiten willen?« Michael bewegte sich auf sie zu und ergriff ihren Arm. »Willst du das?« Jennifer antwortete nicht. »Du wirst nie mehr mit irgend jemandem schlafen, hörst du? Ich werde dich zu deinem Geliebten in den Fluß werfen. Dann könnt ihr euch für immer Gesellschaft leisten.« Gino Gallo kam mit weißem Gesicht in den Raum gestürzt. »Boß! Draußen sind...«
Von draußen drang ein Krachen herein. Michael war mit drei Schritten bei seinem Schreibtisch und riß die Schublade auf. Er hielt einen Revolver in der Hand, als die Tür aufsprang. Zwei FBI-Männer warfen sich mit gezogenen Waffen in den Raum.
»Keine Bewegung!«
In einem Sekundenbruchteil traf Michael seine Entscheidung. Er schwenkte den Revolver herum und feuerte auf Jennifer. Er sah die Kugeln einschlagen, dann begannen die FBI-Männer zu schießen. Er sah Blut aus Jennifers Brust sprudeln. Im nächsten Augenblick zerriß eine Kugel sein Fleisch, gefolgt von einer zweiten. Er sah Jennifer auf dem Boden liegen und wußte nicht, welche Qual größer war, ihr Tod oder der seine. Er spürte den Hammerschlag einer dritten Kugel, und dann fühlte er gar nichts mehr.
Zwei Pfleger rollten Jennifer aus dem Operationssaal in die Intensivstation. Ein uniformierter Polizist wich nicht von Jennifers Seite. Der Krankenhausflur wimmelte von Polizisten, Detektiven und Reportern.
Ein Mann ging auf den Empfangstisch zu und sagte: »Ich möchte zu Jennifer Parker.«
»Gehören Sie zur Familie?«
»Nein. Ich bin ein Freund.«
»Es tut mir leid. Keine Besucher. Sie liegt auf der Intensivstation.«
»Ich werde warten.«
»Es kann lange dauern.«
»Spielt keine Rolle«, sagte Ken Bailey.
Eine Seitentür wurde geöffnet, und Adam Warner, eingefallen und hager, trat ein, gefolgt von einem Trupp Sicherheitsbeamten.
Ein Arzt wartete bereits auf ihn. »Hier entlang, Senator Warner.« Er führte Adam in ein kleines Büro. »Wie geht es ihr?« fragte Adam.
»Ich habe nicht viel Hoffnung. Wir mußten drei Kugeln herausoperieren.«
Die Tür öffnete sich, und Staatsanwalt Robert Di Silva eilte herein. Er blickte Adam Warner an und sagte: »Bin ich froh, daß Ihnen nichts passiert ist.«
Adam sagte: »Ich glaube, ich verdanke Ihnen eine ganze Menge. W ie haben Sie davon erfahren?«
»Jennifer Parker hat mich angerufen. Sie sagte, man wollte Sie auf der New-Canaan-Brücke ermorden. Ich dachte mir schon, daß es sich um ein Ablenkungsmanöver handeln könnte, aber ich durfte kein Risiko eingehen, so daß ich der Sache nachging. In der Zwischenzeit habe ich herausgefunden, welche Route Sie wirklich gefahren sind, und habe ein paar Hubschrauber hinter Ihnen hergejagt, um Sie zu schützen. Ich vermute, die Parker wollte Sie aus dem Weg räumen.«
»Nein«, sagte Adam. »Nein.«
Robert Di Silva zuckte mit den Schultern. »Wie Sie meinen, Senator. Hauptsache, Sie sind am Leben.« Wie aus einem nachträglichen Einfall heraus wandte er sich an den Arzt. »Wird sie durchkommen?«
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