John Dickson Carr - Tod im Hexenwinkel

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Tod im Hexenwinkel: краткое содержание, описание и аннотация

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John Dickson Carr (1906-1977) wurde als Sohn schottischer Eltern in Uniontown, Pennsylvania, geboren. In seinen über 90 Romanen nimmt Carr die Tradition seiner Vorbilder Arthur Conan Doyle und G. K. Chesterton anspielungsreich auf. Der beleibte und biertrinkende Privatgelehrte Dr. Gideon Fell muß einen Vergleich mit den großen Detektiven dieser Autoren nicht scheuen. Von John Dickson Carr sind in der DuMont's Kriminal-Bibliothek bereits erschienen: »Der Tote im Tower« (Band 1014), »Die schottische Selbstmord-Serie« (Band 1018), »Die Schädelburg« (Band 1027), »Fünf tödliche Schachteln« (Band 1034) und »Der verschlossene Raum« (Band 1042).
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Hag's Nook«
© 1933, 1961 by John Dickson Carr

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Kapitel 1

Das Arbeitszimmer des alten Privatgelehrten erstreckte sich über die volle Länge des kleinen Hauses. Der Raum mit seiner Balkendecke lag einige Fuß tiefer als die Eingangstür; die Sprossenfenster an der Rückseite wurden von einer Eibe beschattet, durch die jetzt die Spätnachmittagssonne ihre Strahlen schickte.

Etwas Unwirkliches liegt über der reichen, verschlafenen Schönheit der ländlichen Gegenden Englands, den saftigen dunklen Wiesen, den immergrünen Wäldern, den grauen Kirchtürmen und gewundenen weißen Landstraßen. Einem Amerikaner, der noch das Bild der heimischen, von Verkehrsdünsten umwogten und mit roten Tankstellen gesäumten Betonautobahnen in sich trägt, fällt dies besonders angenehm auf. Es weckt die Vorstellung, daß man hier sogar mitten auf der Straße zu Fuß gehen kann, ohne lächerlich zu wirken.

Tad Rampole beobachtete durch die Gitterfenster die Sonne und die dunklen roten Beeren, die in der Eibe schimmerten. Ihn erfaßte das Gefühl, das den Reisenden nur auf den Britischen Inseln überkommen kann - das Gefühl, die Erde sei alt und verwunschen; die Empfindung, all die flüchtigen Bilder, die das Wörtchen »früher« heraufbeschwört, seien Teil der Wirklichkeit. Frankreich ändert sich wie die Mode, es scheint nie älter zu sein als die Hüte der letzten Saison; in Deutschland haben sogar die Legenden, wie mechanisches Spielzeug aus Nürnberg, die Frische eines ratternden Uhrwerks. Doch dieses England mutet auf eine unbegreifliche Weise noch weit älter an als die efeubärtigen Türme, die es trägt; das Glockenläuten bei Einbruch der Dämmerung scheint aus fernen Jahrhunderten herüberzuklingen. Es herrscht eine große Stille, durch die Gespenster huschen und in der Robin Hood noch heute umhervagabundiert.

Tad Rampole blickte zu seinem Gastgeber hinüber. Dr. Gideon Fells massiger Körper ruhte in einem tiefen Ledersessel; während er eine Pfeife stopfte, wirkte es, als sinne er belustigt über eine Geschichte nach, die sie ihm soeben zugeraunt hatte. Dr. Fell war nicht sehr alt, doch gehörte er zweifellos zum Inventar dieses Raumes. Wirklich ein Raum, dachte der Gast, wie eine Illustration zu einem Dickensroman. Unter den Eichenbalken und dem rauchgeschwärzten Verputz war es düster und geräumig. Bis unter die hochgelegenen Fenster mit den geschliffenen Scheiben reichten die eichenen Mausoleen der Bücherregale, und man wußte sofort, daß einem alle Bücher in diesem Raum wohlgesonnen waren. Ein Geruch von staubigem Leder und altem Papier lag über allem, als hätten diese würdevollen, alten Bände ihre steifen Hüte abgelegt und sich zum Bleiben eingerichtet.

Dr. Fell keuchte ein wenig, selbst bei der leichten Tätigkeit des Pfeifestopfens. Er war sehr beleibt und benutzte beim Gehen stets zwei Stöcke. Der Schopf seines dunklen Haares, das eine weiße Strähne durchzog, wirkte im Gegenlicht der Vorderfenster wie ein Kriegsbanner. Eindrucksvoll und angriffslustig flatterte er ihm durchs Leben voran. Sein Gesicht war breit, rundlich und gerötet, und irgendwo oberhalb zahlreicher Kinnrollen zuckte ein Lächeln. Doch was tatsächlich auffiel, waren seine funkelnden Augen. Er trug einen Kneifer, der an einem breiten schwarzen Band befestigt war; wenn er seinen massigen Kopf vorbeugte, blinzelten die kleinen Augen über den Brillenrand. Er konnte ungestüm und kampflustig sein, dann wieder listig in sich hineinkichern - und irgendwie brachte er bisweilen beides gleichzeitig fertig.

»Sie müssen Fell unbedingt einen Besuch abstatten«, hatte Professor Melson zu Rampole gesagt. »Erstens ist er mein ältester Freund und zweitens eine der Sehenswürdigkeiten Englands. Der Mann hat mehr obskure, nutzlose, aber auch faszinierende Kenntnisse als jeder andere Mensch, dem ich bisher begegnet bin. Er wird Sie mit Essen und Whisky abfüllen, bis Ihnen Hören und Sehen vergeht. Er wird endlos erzählen von Gott und der Welt, vorzugsweise aber von Glanz und Gloria des alten England. Er liebt Blasmusik, Melodramen, Bier und Slapstickkomödien. Ein großartiger alter Bursche, Sie werden ihn mögen.«

So war es, unbestreitbar. Rampole fühlte sich durch die Herzlichkeit und Natürlichkeit, das absolute Fehlen jedes affektierten Gehabes bei seinem Gastgeber schon fünf Minuten nach dem ersten Zusammentreffen wie zu Hause. Eigentlich sogar schon davor, mußte der Amerikaner eingestehen. Denn bevor Rampole sich einschiffte, hatte Professor Melson bereits an Gideon Fell geschrieben und von diesem einen kaum zu entziffernden Antwortbrief erhalten, der von witzigen kleinen Zeichnungen umrahmt war und mit einigen Versen über die Prohibition endete. Später hatte es dann dieses zufällige Zusammentreffen im Zug gegeben, kurz vor Rampoles Ankunft in Chatterham.

Chatterham in Lincolnshire liegt etwa hundertzwanzig Meilen von London entfernt, nicht weit von Lincoln selbst. Als Rampole bei Einbruch der Dunkelheit den Zug bestieg, war er nicht wenig deprimiert, denn dieses große graue London, voller Qualm und zähflüssigem Verkehr, konnte einen wirklich einsam machen. Man spürte diese Einsamkeit, wenn man, von den Strömen vorübereilender Pendler verwirrt, im verrußten Bahnhof umher-schlenderte, der vom Staub und dem eisernen Keuchen der Lokomotiven erfüllt war. Die Warteräume sahen schäbig aus, und die Pendler, die kurz vor der Abfahrt in der von Alkoholdunst durchzogenen Bar schnell noch einen Schluck zu sich nahmen, sahen noch schäbiger aus. Verbittert und verschlissen standen sie unter trüben Lichtern herum, die so glanzlos schienen wie sie selbst.

Tad Rampole hatte gerade erst das College hinter sich gebracht und war deshalb ängstlich bemüht, nicht provinziell zu wirken. Zwar war er eine ganze Weile in Europa umhergereist, jedoch immer unter behutsamer elterlicher Lenkung: Die Reise sollte sich »lohnen«, ihm war gesagt worden, wann er seine Augen offenzuhalten hatte. Das Ganze war eine Art bewegten Guckkastens gewesen, mit all den Sehenswürdigkeiten, die man auch immer auf Postkarten bewundern konnte - plus zusätzlichen Belehrungen. Auf sich selbst gestellt war er verwirrt, deprimiert und reichlich verstimmt. Mit Schrecken ertappte er sich dabei, wie er unvorteilhafte Vergleiche zwischen diesem Bahnhof und der Grand Central Station anstellte, was, wenn man anerkannten amerikanischen Romanautoren glauben wollte, einfach frevelhaft war.

Was soll's, zum Teufel damit...!

Er mußte grinsen, als er sich am Bücherstand einen Thriller kaufte und zu seinem Zug trottete. Immer diese Schwierigkeiten beim Jonglieren mit der Währung. Das englische Geld schien aus einer verwirrenden Vielfalt von Münzen zu bestehen, die alle von willkürlichem Wert waren. Das Errechnen der richtigen Summe glich dem Zusammenfügen eines Bilderpuzzles: Beides ließ sich nicht auf die Schnelle erledigen. Und da jede Verzögerung für ihn den Beigeschmack des Linkischen und Tölpelhaften hatte, reichte er gewöhnlich auch für kleinste Beträge eine Banknote hinüber und überließ dem anderen das Denken. Infolgedessen war er dermaßen mit Wechselgeld versorgt, daß es bei jedem seiner Schritte deutlich vernehmbar klimperte.

So stieß er auf das Mädchen in Grau.

Er stieß im Wortsinne auf sie. Schuld daran war sein Unbehagen, daß er beim Gehen ständig die Geräusche einer wandelnden Registrierkasse von sich gab. Er hatte versucht, seine Hände in die Taschen zu zwängen, um sie auf diese Weise von unten her zu entlasten. Dabei bewegte er sich zwangsläufig in einer Art Krebsgang vorwärts und war insgesamt so in Anspruch genommen, daß er nicht auf den Weg achtete. Er schreckte auf, als er mit jemand zusammenprallte. Er hörte, wie dieser jemand nach Luft schnappte, dann ein »Oh!« in Höhe seiner Schultern.

Seine Taschen quollen über. Undeutlich hörte er einen Münzregen auf die Holzbohlen des Bahnsteigs klingeln. Er wurde rot vor Verlegenheit, als er feststellte, daß er sich an zwei zierliche Arme klammerte und in ein unbekanntes Gesicht starrte. Wäre er überhaupt fähig gewesen, irgend etwas zu sagen, hätte es wie »Holla!« geklungen. Dann erholte er sich so weit, daß er das Gesicht wahrnehmen konnte. Das Licht des Waggons erster Klasse, neben dem sie standen, fiel darauf- ein schmales Gesicht mit fragend hochgezogenen Augenbrauen. Sie schien ihn wie von weither zu betrachten, belustigt, doch mit teilnehmendem Schmunzeln um die Lippen. Irgendwie war ihr Hut verrutscht und saß nun mit verwegener Nachlässigkeit auf dem sehr schwarzen und sehr glänzenden Haar. Ihre Augen waren von einem so dunklen Blau, daß sie ebenfalls fast schwarz aussahen. Den Kragen ihres grauen Mantels hatte sie hochgeschlagen, doch der Ausdruck ihres Mundes wurde dadurch nicht verdeckt.

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