»Das ist ein interessanter Aspekt«, warf Ellery ein. »Hat irgend etwas an dem, was er sagte, zu Ihrer Vermutung geführt, daß er noch ein letztes Mal gründlich abkassieren wollte, wie Sie es genannt haben?«
»Ja. Deshalb sagte ich es ja. Er machte auf mich den Eindruck, als stecke er in Geldschwierigkeiten; er hatte vor, ein wenig in Urlaub zu fahren – Urlaub hieß für ihn nichts weniger als eine dreijährige Spritztour nach Europa –, und bemühte nun alle seine ›Freunde‹. Ich wußte bis dahin nicht, daß er Erpressung im großen Stil betrieb; aber diesmal –!«
Ellery und der Inspektor sahen sich an. Morgan fuhr unbeirrt fort.
»Ich sagte ihm die Wahrheit – daß ich finanziell nicht gut dastände, vor allem seinetwegen, und daß es für mich absolut unmöglich sei, diesen irrwitzigen Betrag, den er forderte, aufzutreiben. Er lachte nur und beharrte darauf, das Geld zu bekommen. Ich war natürlich begierig, die Papiere zurückzubekommen …«
»Hatten Sie nachgeprüft, ob von Ihren Rechnungsbelegen überhaupt welche fehlten?« fragte der Inspektor.
»Das war gar nicht nötig, Inspektor«, antwortete Morgan zähneknirschend. »Er tat mir bereits vor zwei Jahren im Webster Club den Gefallen, mir die Belege und Briefe zu zeigen – damals, als wir den Streit hatten. Nein, daran besteht kein Zweifel. Er war schon Spitzenklasse.«
»Was weiter?«
»Er beendete den Anruf am Donnerstag mit einer kaum verhüllten Drohung. Das ganze Gespräch über hatte ich verzweifelt versucht, ihn glauben zu machen, daß ich in irgendeiner Weise seinen Forderungen entgegenkommen würde; denn ich wußte, daß er keine Skrupel haben würde, die Papiere an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, wenn er erst einmal merkte, daß er alles aus mir herausgeholt hatte.«
»Fragten Sie ihn, ob Sie die Dokumente einsehen könnten?«
»Ich glaube, ja – aber er lachte mich nur aus und sagte, ich würde meine Scheckbelege und Briefe erst dann zu sehen bekommen, wenn er die Summe bis auf den letzten Dollar erhalten hätte. Dieser Schurke war mit allen Wassern gewaschen; er ging nicht das Risiko ein, daß ich ihn hereinlegte, während er gerade die ihn belastenden Beweise herauszog … Ich will ganz offen zu Ihnen sein. Manchmal kam mir sogar in den Sinn, Gewalt anzuwenden. Welcher Mann hätte unter diesen Umständen nicht daran gedacht? Aber Mord zog ich nie ernsthaft in Erwägung – und das aus sehr gutem Grund.« Er hielt inne.
»Es hätte Ihnen überhaupt nichts genutzt«, sagte Ellery freundlich, »weil Sie nicht wußten, wo sich die Dokumente befanden.«
»Genau«, antwortete Morgan mit einem nervösen Lächeln. »Ich wußte es nicht. Was für einen Vorteil hätte mir Fields Tod gebracht, wenn jederzeit die Gefahr bestand, daß diese Papiere zum Vorschein kommen und jemand anderem in die Hände fallen? Ich wäre vermutlich nur vom Regen in die Traufe geraten … Nachdem ich drei Tage lang vergeblich versucht hatte, die Summe, die er verlangt hatte, zusammenzubekommen, faßte ich dann am Sonntag abend den Entschluß, noch eine letzte Vereinbarung mit ihm zu versuchen. Ich ging zu seiner Wohnung und traf ihn dort im Morgenrock an. Er war sehr überrascht und gar nicht besorgt, mich dort zu sehen. Das Wohnzimmer war unaufgeräumt – zu diesem Zeitpunkt wußte ich noch nicht, daß sich Mrs. Russo nebenan versteckte.«
Seine Hand zitterte, als er sich die Zigarre erneut anzündete.
»Wir stritten – oder vielmehr, ich schrie ihn an, während er nur höhnisch lachte. Er wollte sich keinen Einwand und auch keine Bitten mehr anhören. Er wollte die Fünfzigtausend; anderenfalls würde er die Geschichte bekanntmachen – mit allen dazugehörigen Beweisen. Ich geriet immer mehr in Wut. Aber ich ging, bevor ich endgültig die Selbstbeherrschung verlor. Und das war alles, Inspektor – auf mein Ehrenwort.«
Er blickte zur Seite. Inspektor Queen hustete und legte seine Zigarre in den Aschenbecher. Er kramte in seiner Tasche nach der braunen Schnupftabakdose, nahm eine Prise, zog sie tief ein und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Unvermittelt schüttete Ellery ein Glas Wasser für Morgan ein, das dieser auf einen Zug leerte.
»Ich danke Ihnen, Morgan«, sagte Queen. »Und wo Sie schon einmal so offen zu uns waren, seien Sie bitte ganz aufrichtig und sagen uns, ob Sie am Sonntag während der Auseinandersetzung eine Drohung gegen Fields Leben ausgestoßen haben. Fairerweise sollte ich Ihnen vorher mitteilen, daß Mrs. Russo Sie aufgrund einer Äußerung, die Sie in der Hitze des Gefechts machten, des Mordes an Field beschuldigt hat.«
Morgan wurde blaß. In seinem Gesicht zuckte es, und fast schon mitleiderregend starrte er den Inspektor ängstlich mit glasigen Augen an.
»Sie lügt«, rief er heiser. Eine Reihe von Gästen an den Nebentischen blickte neugierig auf, und Inspektor Queen berührte leicht Morgans Arm. Er biß sich auf die Lippe und senkte dann seine Stimme. »Ich habe nichts dergleichen getan. Ich habe Ihnen eben offen erzählt, Inspektor, daß ich manchmal in meiner Wut mit dem Gedanken gespielt habe, Field umzubringen. Aber es waren dumme und sinnlose Gedanken. Ich hätte überhaupt nicht den Mut, jemanden umzubringen. Sogar im Webster Club, als ich völlig die Beherrschung verlor und diese Drohung ausstieß, hatte ich es nicht wirklich vor. Und schon gar nicht Sonntag abend. Bitte glauben Sie mir, Inspektor – und nicht dieser skrupellosen, geldgierigen Hure! Inspektor – Sie müssen mir glauben!«
»Ich möchte nur, daß Sie mir erklären, was Sie gesagt haben«, erwiderte der Inspektor. »Denn, so seltsam es auch scheinen mag, ich glaube, daß Sie die Äußerung, die sie Ihnen zuschreibt, auch getan haben.«
»Welche Äußerung?« Morgan war schweißgebadet; seine Augen standen hervor.
»›Wenn Sie diese Papiere an die Öffentlichkeit bringen – und sollte es mich zugrunde richten –, werde ich dafür sorgen, daß Sie zum allerletzten Mal jemanden erpreßt haben‹«, wiederholte der Inspektor die Worte. »Haben Sie das gesagt, Mr. Morgan?«
Der Anwalt starrte Queen ungläubig an, dann warf er seinen Kopf zurück und lachte. »Großer Gott!« sagte er schließlich und schnappte nach Luft. »Soll das die ›Drohung‹ sein, die ich gemacht habe? Nun, Inspektor, was ich damit meinte, war, daß ich, wenn er diese Dokumente an die Öffentlichkeit gebracht hätte, weil ich seinen gemeinen Forderungen nicht nachkommen konnte, der Polizei alles offen erzählt und ihn mit mir hinabgezogen hätte. Das war es, was ich meinte! Und sie dachte, ich hätte gedroht, ihn umzubringen …« Er rieb sich heftig die Augen.
Ellery lächelte; mit dem Finger gab er dem Kellner ein Zeichen. Er bezahlte, zündete sich eine Zigarette an und schaute hinüber zu seinem Vater, der Morgan halb zerstreut und halb voller Sympathie betrachtete.
»Sehr schön, Mr. Morgan.« Der Inspektor erhob sich und schob den Stuhl zurück. »Das ist alles, was wir wissen wollten.« Er trat höflich beiseite, um dem immer noch benommenen und zitternden Anwalt den Vortritt zur Garderobe zu lassen.
Als die beiden Queens die 47. Straße vom Broadway her hinaufgeschlendert kamen, quoll der Bürgersteig am Römischen Theater vor Menschen über. Die Menschenmenge war so groß, daß die Polizei Absperrungen errichtet hatte. Entlang der engen Straßendurchfahrt kam der Verkehr völlig zum Erliegen. In großen Leuchtbuchstaben knallte der Titel ›Spiel der Waffen‹ nachdrücklich vom Eingang des Theaters herab; darunter war in kleineren Leuchtbuchstaben erläuternd hinzugefügt: ›In den Hauptrollen James Peale und Eve Ellis unter Mitwirkung eines Starensembles‹. Wie wild versuchten Frauen und Männer, sich unter Einsatz ihrer Ellbogen durch die wogende Menge zu schieben. Polizisten, bereits heiser vom Schreien, verlangten die Eintrittskarten zu sehen, bevor sie jemanden durch die Absperrung ließen.
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