Einen Augenblick lang betrachteten sie ihn prüfend. Dann schaute Queen auf zu Panzer, der nervös auf dem Teppich von einem Fuß auf den anderen trat und anscheinend gespannt war, was man als Nächstes von ihm erwartete.
»Kann ich diesen Plan mitnehmen, Panzer?« fragte der Inspektor knapp. »Ich werde ihn unversehrt in einigen Tagen zurückgeben.«
»Aber selbstverständlich!« sagte Panzer. »Gibt es sonst noch etwas, was ich im Moment für Sie tun kann, Inspektor? … Ich möchte mich bei Ihnen noch für Ihr Entgegenkommen bei der Bekanntmachung des heutigen Aufführungstermins bedanken. Gordon Davis ist von dem vollen Haus heute abend außerordentlich angetan. Er bat mich, Ihnen seinen Dank zu übermitteln.«
»Wirklich keine Ursache«! knurrte der Inspektor, während er den Plan faltete und ihn in seine Brusttasche steckte. »Das war nur recht und billig … Und nun, Ellery, würdest du bitte mit mir kommen. Guten Abend, Panzer. Und kein Wort hiervon, denken Sie daran!«
Die beiden verließen Panzers Büro, während dieser sich noch in Versicherungen über sein Stillschweigen erging. Noch einmal durchquerten sie den rückwärtigen Teil des Zuschauerraums in Richtung des linken Seitenganges. Mit einer knappen Handbewegung winkte der Inspektor Madge O’Connell heran. »Ja?« fragte sie atemlos mit kreideweißem Gesicht.
»Machen Sie nur kurz für uns die Tür soweit auf, daß wir hindurch können, O’Connell, und danach vergessen Sie das Ganze wieder. Verstanden?« sagte der Inspektor grimmig. Sie murmelte im Flüsterton vor sich hin, als sie eine der großen Eisentüren zur Linken nicht weit von der letzten Reihe aufstieß. Mit einer letzten warnenden Kopfbewegung schlüpfte der Inspektor hinaus: Ellery folgte ihm – und leise wurde die Tür wieder geschlossen.
1Der von Ellery Queen gefertigten Skizze, die sich auf S. 12 findet, liegt dieser Plan des Managers Panzer zugrunde. – Der Herausgeber.
Um elf Uhr, als die weit geöffneten Ausgänge nach dem Schlußvorhang die ersten Gruppen von Theaterbesuchern wieder ausspieen, betraten Richard und Ellery Queen erneut durch den Haupteingang das Römische Theater.
in welchem sich weitere Hüte finden
»Setzen Sie sich, Tim – möchten Sie eine Tasse Kaffee?« Timothy Cronin, ein mittelgroßer Mann mit wachen Augen und feuerroter Haarpracht, setzte sich in einen von Queens bequemen Stühlen und nahm etwas verlegen das Angebot des Inspektors an.
Es war Freitag morgen, und der Inspektor und Ellery, romantisch in farbenprächtige Hausmäntel gekleidet, waren bester Laune. Am Abend zuvor waren sie zu einer für ihre Verhältnisse ungewöhnlich frühen Stunde zu Bett gegangen; sie hatten den Schlaf der Gerechten geschlafen. Jetzt hielt Djuna eine Kanne dampfenden Kaffees – von einer Sorte, die er eigenhändig mischte – auf dem Tisch für sie bereit; und zweifellos waren alle mit sich und der Welt zufrieden.
Cronin war zu einer unpassenden Zeit in das freundliche Heim der Queens eingedrungen – aufgelöst, mürrisch und schamlos fluchend. Nicht einmal der sanfte Protest des Inspektors vermochte es, den Schimpftiraden, die von seinen Lippen kamen, Einhalt zu gebieten; Ellery lauschte den Worten des Rechtssachverständigen mit dem andächtigen Entzücken eines Dilettanten, der einem echten Könner zuhört.
Dann merkte Cronin auf einmal, wo er sich befand; er errötete, wurde aufgefordert, sich hinzusetzen, und starrte auf Djunas unbeugsamen Rücken, während dieses flinke Faktotum mit der Zubereitung des Frühstücks beschäftigt war.
»Ich nehme an, Sie sind nicht in der Stimmung, sich für Ihre Unflätigkeiten zu entschuldigen«, schalt ihn der Inspektor, während er die Hände über seinem Bauch faltete. »Muß ich erst nach dem Grund für diese schlechte Stimmung fragen?«
»Nicht nötig«, brummte Cronin und schlug wütend die Beine übereinander. »Sie können es sich schon denken. Was die Papiere von Field anbelangt, stehe ich vor einem Rätsel. Verflucht sei seine schwarze Seele!«
»Sie ist verflucht, Tim – sie ist verflucht, keine Sorge«, sagte Queen bekümmert. »Der arme Field wird wahrscheinlich gerade über einem netten kleinen Feuerchen in der Hölle geröstet – und frohlockt über Ihr Gefluche. Was genau ist das Problem – wie geht es voran?«
Cronin ergriff die Tasse, die Djuna vor ihn hingestellt hatte, und kippte den kochendheißen Inhalt mit einem Schluck hinunter. »Wie es vorangeht?« rief er und knallte die Tasse auf den Tisch. »Es geht überhaupt nicht voran – das Ergebnis ist null, nichts! Wenn ich nicht bald ein paar beweiskräftige Dokumente in die Finger kriege, werde ich verrückt! Die Ratten wagen sich schon nicht mehr aus ihren Löchern, so haben Stoates und ich Fields schickes Büro auf den Kopf gestellt – nichts zu finden. Gar nichts! Mensch – es ist unvorstellbar. Ich verwette meinen guten Ruf darauf, daß irgendwo – und Gott alleine weiß wo – Fields Papiere versteckt sind und nur darauf warten, daß jemand vorbeikommt und sie an sich nimmt.«
»Die Sache mit den versteckten Papieren scheint sich bei Ihnen zu einer richtigen Phobie zu entwickeln, Cronin«, bemerkte Ellery sanft. »Man sollte meinen, wir lebten noch zu Zeiten Charles I. So was wie Geheimverstecke gibt es nicht mehr. Man muß nur wissen, wo man zu suchen hat.«
Cronin grinste ihn unverschämt an. »Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, Mr. Queen. Ich schlage vor, Sie nennen mir den Ort, wo Mr. Monte Field seine Papiere aufzubewahren pflegte.«
Ellery zündete sich eine Zigarette an. »In Ordnung, ich nehme die Herausforderung zu einem Wettstreit an … Sie behaupten – und ich bezweifle Ihre Worte nicht im geringsten –, daß die Dokumente, von deren Existenz Sie ausgehen, nicht in Fields Büro sind … Dabei fällt mit ein: Was macht Sie eigentlich so sicher, daß Field Dokumente besaß, die ihn wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser verzweigten Verbrecherorganisation, von der Sie uns erzählt haben, belasten?«
»Er muß sie einfach haben«, gab Cronin zurück. »Eine merkwürdige Logik, aber es paßt zusammen … Meine Informationen bestätigen eindeutig, daß Field Briefe und schriftlich fixierte Pläne besaß, die ihn mit führenden Gangstern in Verbindung bringen, die wir ständig zu schnappen versuchen, gegen die uns aber bislang die Beweise fehlten. Sie können mir das glauben; die Geschichte ist zu kompliziert, um sie hier im einzelnen darzulegen. Sie werden noch sehen, daß ich recht habe, Mr. Queen – Field besaß Papiere, die er nicht beseitigen durfte. Das sind die Papiere, nach denen ich suche.«
»Zugegeben«, sagte Ellery. »Ich wollte auch nur wissen, welche Fakten Sie haben. Lassen Sie es mich also noch einmal wiederholen: Diese Papiere sind nicht in seinem Büro. Wir müssen also irgendwo anders danach suchen. Sie könnten zum Beispiel in einem Bankschließfach versteckt sein.«
»Aber, El«, warf der Inspektor ein, nachdem er dem Wortwechsel zwischen Cronin und Ellery amüsiert zugehört hatte, »habe ich dir nicht heute morgen noch erzählt, daß Thomas dieser Spur nachgegangen ist? Field hatte kein Bankschließfach. So viel steht fest. Er besaß auch kein Postfach – weder unter seinem eigenen noch unter einem anderen Namen.
Thomas hat auch eine mögliche Clubmitgliedschaft Fields überprüft und dabei festgestellt, daß der Rechtsanwalt keinen anderen Wohnsitz – auch nicht vorübergehend – als den in der 75. Straße hatte. Auch darüber hinaus fand Thomas bei seinen ganzen Erkundigungen nicht den kleinsten Hinweis auf ein mögliches Versteck. Er dachte, daß Field vielleicht die Papiere in einem Karton oder einer Tasche dem Besitzer eines Geschäftes zur Aufbewahrung gegeben haben könnte oder so etwas in der Richtung. Aber es gab keinerlei Spur … Velie erledigt solche Dinge ausgezeichnet, Ellery. Du kannst deinen letzten Dollar darauf verwetten, daß deine Hypothese falsch ist.«
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