– fünfzigtausend Dollar!«
Der Inspektor schien ungerührt. »Fahren Sie fort.«
»Da waren sie also«, fuhr sie fort, »und ein Wort gab das andere, wobei Monte immer kaltschnäuziger und Morgan immer wütender wurde. Schließlich ergriff Morgan seinen Hut und schrie: ›Ich will verdammt sein, wenn ich mich von Ihnen noch länger ausnehmen lasse, Sie Blutsauger! Sie können von mir aus machen, was Sie wollen – ich bin fertig mit Ihnen, verstehen Sie? Ich bin endgültig fertig mit Ihnen!‹ Er war leichenblaß geworden. Monte stand nicht einmal von seinem Stuhl auf. Er sagte nur: ›Sie können von mir aus machen, was Sie wollen, mein lieber Benjamin, aber Sie haben genau drei Tage Zeit, mir das Geld zu übergeben. Und versuchen Sie nicht zu feilschen, ist das klar? Fünfzigtausend oder – aber ich brauche Sie ja nicht an die Folgen einer Weigerung zu erinnern.‹ Monte war wirklich ganz schön gerissen«, fügte sie bewundernd hinzu. »Er konnte den Ton wie ein echter Profi drauf haben.
Morgan fummelte an seinem Hut herum«, fuhr sie fort, »als wüßte er nicht, wo er mit seinen Händen hin sollte. Dann platzte er heraus mit den Worten ›Ich habe Ihnen gesagt, woran Sie sind, Field, und ich bleibe dabei. Wenn Sie diese Papiere an die Öffentlichkeit bringen – und sollte es mich zugrunde richten –, werde ich dafür sorgen, daß Sie zum allerletzten Mal jemanden erpreßt haben!‹ Er hielt Monte seine Faust unter die Nase und sah aus, als wollte er ihn auf der Stelle umbringen. Dann beruhigte er sich und marschierte ohne ein weiteres Wort aus der Wohnung.«
»Ist das die ganze Geschichte, Mrs. Russo?«
»Genügt Ihnen das nicht?« fuhr sie auf. »Was wollen Sie eigentlich? Wollen Sie diesen feigen Mörder noch in Schutz nehmen? … Aber das ist noch nicht alles. Nachdem Morgan gegangen war, sagte Monte zu mir: ›Hast du gehört, was mein Freund gesagt hat?‹ Ich tat so, als hätte ich nichts gehört, aber Monte war ja nicht dumm. Er zog mich auf seinen Schoß und sagte übermütig: ›Er wird das noch bereuen, mein Engel …‹ Er nannte mich immer Engel«, fügte sie schüchtern hinzu.
»Ich verstehe …«, sagte der Inspektor gedankenverloren. »Und was hat nun Mr. Morgan gesagt, das Sie es als Drohung gegen Fields Leben aufgefaßt haben?«
Sie starrte ihn ungläubig an. »Mein Gott, sind Sie dumm oder was?« rief sie aus. »Er sagte: ›Ich werde dafür sorgen, daß Sie das letzte Mal irgend jemanden erpreßt haben!‹ Und als dann mein geliebter Monte am Abend darauf getötet wurde …«
»Eine durchaus verständliche Schlußfolgerung«, sagte Queen lächelnd. »Verstehe ich Sie richtig, daß Sie Klage gegen Benjamin Morgan einreichen wollen?«
»Ich will überhaupt nichts einreichen, sondern nur meine Ruhe haben, Inspektor«, gab sie zurück. »Ich hab’ Ihnen die ganze Geschichte erzählt – machen Sie nun damit, was Sie wollen.« Sie zuckte die Achseln und wollte sich erheben.
»Einen Augenblick noch, Mrs. Russo.« Der Inspektor hielt sie mit einer Handbewegung zurück. »Sie haben in Ihrer Geschichte einige ›Papiere‹ erwähnt, mit denen Field Morgan bedrohte. Hat Field diese Papiere zu irgendeinem Zeitpunkt während des Streits auch hervorgeholt?«
Mrs. Russo sah den alten Mann kühl an. »Nein, Sir, das tat er nicht. Und glauben Sie mir, es tut mir auch nicht leid, daß er sie nicht herausgeholt hat!«
»Eine reizende Einstellung, Mrs. Russo. Eines Tages … Ich hoffe, Ihnen ist klar, daß Sie in dieser Sache keine ganz reine Weste haben, wie man so schön sagt«, bemerkte der Inspektor. »Denken Sie daher lieber gut nach, bevor Sie meine nächste Frage beantworten. Wo bewahrte Monte Field seine persönlichen Papiere auf?«
»Da muß ich nicht lange nachdenken, Inspektor«, gab sie unfreundlich zurück, »ich weiß es nämlich nicht. Hätte es die Möglichkeit gegeben, das in Erfahrung zu bringen, dann wüßte ich es, keine Sorge.«
»Vielleicht haben Sie selbst ein paar Streifzüge durch Fields Wohnung unternommen, wenn er gerade nicht zu Hause war?« fuhr der Inspektor amüsiert fort.
»Kann schon sein«, gab sie mit dem Anflug eines Lächelns zurück. »Aber ohne Erfolg. Ich kann beschwören, daß in diesen Zimmern nichts zu finden ist. Nun, Inspektor, noch etwas?«
»Ist Ihnen aus Ihrem langen und zweifelsohne vertrauten Umgang mit Ihrem galanten Leander bekannt, Mrs. Russo«, sagte Ellery mit eisiger Stimme, »wie viele seidene Zylinder er besaß?«
Ellerys klare Stimme schien sie zu verwirren. Dennoch strich sie sich kokett über ihr Haar, als sie sich ihm zuwandte.
»Sie sind hier wohl für die Rätsel zuständig«, kicherte sie. »Soweit ich weiß, mein Herr, hatte er nur einen. Wie viele davon braucht ihr Burschen denn?«
»Sie sind sich dessen ganz sicher, nehme ich an«, sagte Ellery.
»So sicher, wie Sie da vor mir sitzen, Mr. – Queen.« Sie brachte es fertig, einen zärtlichen Klang in ihre Stimme zu bringen. Ellery starrte sie an, als handelte es sich um ein Exemplar einer seltenen Spezies. Sie schmollte ein wenig und wandte sich dann kess herum.
»Ich scheine hier nicht sehr beliebt zu sein; deshalb werde ich lieber verschwinden … Sie werden mich doch nicht in so eine häßliche Zelle stecken, nicht wahr, Inspektor? Ich kann jetzt gehen, oder?«
Der Inspektor nickte. »Oh, ja – Sie dürfen gehen, Mrs. Russo, jedoch nur unter einer bestimmten Auflage … Aber verstehen Sie bitte, daß wir Ihre reizende Gesellschaft in nicht allzu ferner Zukunft wieder benötigen könnten. Werden Sie in der Stadt bleiben?«
»Mit dem größten Vergnügen, sicher!« lachte sie und rauschte aus dem Zimmer.
Velie schnellte von seinem Platz hoch und sagte: »Nun, Inspektor, ich nehme an, daß damit alles klar ist!«
Der Inspektor sank müde auf seinen Stuhl zurück. »Willst du damit etwa andeuten, Thomas, daß Morgan wegen des Mordes an Monte Field festgenommen werden soll – wie einer von Ellerys dummen erfundenen Sergeanten, mit denen du doch eigentlich nichts gemein hast?«
»Nun – was denn sonst?« fragte Velie verlegen.
»Wir werden noch ein wenig Zeit brauchen«, gab der alte Mann betrübt zurück.
in welchem die Queens ins Theater gehen
Ellery und sein Vater sahen sich quer durch das kleine Büro an. Velie hatte verdutzt die Stirn in Falten gelegt und wieder Platz genommen. Eine Zeitlang saß er dort schweigend mit den anderen, schien dann plötzlich eine Entscheidung getroffen zu haben und bat um die Erlaubnis, den Raum verlassen zu dürfen.
Der Inspektor lächelte verschmitzt, während er sich am Deckel seiner Schnupftabakdose zu schaffen machte.
»Ich hoffe, sie hat dir keinen allzu großen Schrecken eingejagt, Ellery?«
Ellery blieb jedoch ernst. »Bei dieser Frau bekomme ich eine Gänsehaut«, sagte er und schauderte. »Schrecken ist noch viel zu milde ausgedrückt.«
»Ich konnte einen Augenblick lang einfach nicht begreifen, warum sie sich so verhalten hat«, sagte Inspektor Queen. »Sich vorzustellen, daß sie Bescheid wußte , während wir im dunkeln herumtappten … Das hat mich doch verwirrt.«
»Ich würde sagen, daß das Gespräch überaus erfolgreich verlaufen ist«, äußerte Ellery. »Vor allem, weil ich auf einige interessante Sachverhalte in diesem gewichtigen Band zur Handschriftenkunde gestoßen bin. Aber Mrs. Angela Russo entspricht nun wirklich nicht meiner Idealvorstellung von einer Frau …«
»Wenn du mich fragst«, sagte der Inspektor schmunzelnd, »so ist unsere hübsche Freundin ganz schön in dich vernarrt. Stell dir mal vor, was für Chancen du bei ihr hättest!«
Auf Ellerys Gesicht zeigte sich tiefster Abscheu.
»Na schön!« Queen griff nach einem der Telefone auf seinem Schreibtisch. »Was meinst du, Ellery? Sollen wir Benjamin Morgan noch ein zweites Mal die Möglichkeit geben, alles zu erklären?«
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