»Ja. Du hast die Pferde selbst dort versteckt. Zur Zeit des Attentats war Samradan in Imleach. Die Pferde standen erst woanders, vielleicht in deinen eigenen Ställen. Du hast sie an demselben Abend zu Samradan gebracht, an dem du ihn erstachst, um den Kreis zu schließen, damit die Schuld auf den Toten fiele. In deinem Eifer, mich auf die falsche Fährte zu setzen, hast du einen Fehler gemacht, indem du mir die Pferde zeigtest. Sie waren noch erhitzt und feucht von dem Weg dorthin aus ihrem vorherigen Versteck. Wahrscheinlich läßt sich feststellen, welcher deiner Diener die Pferde auf deinen Befehl verbarg. Aus deinem eigenen Mund haben wir den Namen des Bogenschützen erfahren - Fedach.«
»Unsinn! Der Name beweist gar nichts.«
»Du hattest alle Erkennungsmerkmale von den Pferden entfernt, außer dem Zeichen der Ui Fidgente am Sattel, in der Hoffnung, dadurch könnte mein Verdacht immer noch auf Fürst Donennach gelenkt werden. Du hattest auch die Börse des Bogenschützen geleert, und das war dumm von dir, denn das zeigte deutlich, daß alles arrangiert war. Aber eine Münze hattest du übersehen, einen piss, eine Münze der Ui Neill.«
Sie hielt sie hoch.
»Dadurch wußte ich, daß der Bogenschütze kurz zuvor in Ailech gewesen war.«
»Aber das beweist nicht, daß ich im Solde von Ai-lech stehe«, sagte Donndubhain. »Das weist mir keine Schuld nach.«
»Nein. Doch der tote Samradan zeigte mir, daß du ihn ermordet hast. Wo ist die Silberspange, die du von Samradan gekauft hast und deren Silber aus eurem gemeinsamen illegalen Bergbau stammte? Die er bei Nion ganz speziell für seinen Schutzherrn in Auftrag gab, die mit den fünf Granatsteinen?«
Donndubhains Hand fuhr unwillkürlich zu seiner Schulter. Sein Gesicht wurde totenbleich.
Fidelma hielt ihm die Spange hin, die sie aus Samra-dans starrer Hand gewunden hatte. Sie zeigte sie allen.
»Ich fand sie in Samradans Hand. In seinem Todeskampf hatte er sie Donndubhain abgerissen zusammen mit dem Stück Stoff, das daran hängt.«
»Du kannst aber nicht beweisen, daß es meine ist. Eine Silberspange mit Sonnensymbol und roten Granaten an den Spitzen«, höhnte Donndubhain. »Ich hab schon mehrere davon gesehen. Schau mal!«
Er zeigte auf Nion. Tatsächlich trug der Schmied eine ähnliche Spange mit Sonnensymbol und roten Granaten.
Zornig blickte Donndubhain auf Finguine.
»Und dort! Er trägt genau die gleiche.«
Fidelma schüttelte den Kopf. »Ja, Finguines Sonnenspange wurde auch von Nion angefertigt. Deshalb sind sie so ähnlich. Die Spangen stammen von demselben Kunstschmied. Aber die Spangen von Nion und Finguine tragen drei rote Granaten, und diese wurde speziell für dich gefertigt und hat fünf rote Granaten. Ich sah sie an dir am Tage des Attentatsversuchs. Vielleicht soll sie die fünf Königreiche von Ei-reann darstellen. Reicht dein Ehrgeiz so weit, Donn-dubhain?«
Donndubhain reagierte blitzschnell. Seine eine Hand fuhr in sein Hemd und zog einen kurzen Dolch hervor, den er im Gürtel verborgen hatte. Mit der anderen Hand packte er Fidelma. Sie hatte nicht damit gerechnet und sah sich im nächsten Augenblick mit dem Rücken gegen seine Brust gepreßt und spürte seinen Dolch an der Kehle.
»Donndubhain!« rief Colgü aufspringend. »Du Narr! Du kannst doch nicht entkommen!«
Die Große Halle war ein einziges Chaos entsetzter Ausrufe.
»Wenn ich nicht entkomme, dann stirbt deine liebe Schwester mit mir«, schrie der Fürst über die Menge hinweg.
Sein Dolch war so dicht an Fidelmas Kehle, daß ein Blutstropfen an der Klinge entlanglief.
»Befiehl Capa, mir ein schnelles Pferd zu satteln. Und keine Tricks, denn Fidelma nehme ich mit . «, forderte Donndubhain.
Vorsichtig bewegte er sich rückwärts von den bleich gewordenen Richtern und den angstvollen Blicken der Menge in der Großen Halle fort auf die Tür zu.
Da gab es einen dumpfen Laut. Donndubhains Hand zitterte, dann fiel ihm der Dolch aus den schlaff gewordenen Fingern. Einen Augenblick später schlug der bewußtlose Körper des Tanist von Cashel auf den Boden nieder.
Mit weit geöffneten Augen fuhr Fidelma herum und holte tief Atem.
Eadulf schaute sie voller Sorge an. Seinen Pilgerstab hielt er fest in beiden Händen. Plötzlich lächelte er, als er Fidelma in die Augen blickte.
»Was bei einem canis lupus wirkt, hilft auch gegen einen menschlichen Wolf.«
Fidelma warf den Kopf zurück, lachte erleichtert los und umarmte ihren Gefährten.
Fidelma und Eadulf standen an der Südwestecke des Wehrgangs der Mauer von Cashel und blickten hinüber zu den Bergen im Westen. Bald würde die Glok-ke zum Abendessen rufen. Alles schien nun friedlich und ruhig. Der Palastbezirk lag beinahe verlassen da, und auch aus der Stadt unterhalb des großen Königssitzes von Muman reisten die Besucher ab. Sie waren gekommen, um das Schauspiel einer Gerichtsverhandlung zu erleben, und sie waren nicht enttäuscht worden. Ein Zusammenstoß zwischen den Ui Fidgente und Muman war vermieden worden, die Schuldigen waren entdeckt und bestraft. Morgen früh würden sich die Brehons verabschieden, und in ein paar Tagen würde der Fürst der Ui Fidgente in sein Land zurückkehren, nachdem er einen Friedensvertrag mit Cashel beschworen hatte.
Wie gewöhnlich schien dieser Monat mit einer Zeit schönen, warmen Wetters zu enden. Die Sonne sank wie ein heller goldener Ball schnell hinter den Bergen im Westen in einem weichen, rosigen Licht. Die wenigen Wolken bildeten lange dünne Streifen von Dunkelheit, am oberen Rand gefärbt von den Strahlen der untergehenden Sonne.
»Morgen wird ein schöner Tag«, bemerkte Fidelma beinahe träumerisch.
Eadulf nickte trübe.
»Du scheinst niedergeschlagen«, ging Fidelma auf die Stimmung ihres Gefährten ein.
»Es gibt ein Rätsel bei der ganzen Geschichte, das noch nicht gelöst ist«, meinte er. »Jedenfalls weiß ich keine Antwort.«
»Und welches?«
»Wer tötete den Krieger in Imleach? War es Samra-dan? Das ergibt eigentlich keinen Sinn.«
»Nein. Der Tod des Räubers war beinahe überflüssig, wenn man es so sagen kann. Er wurde, wie ich gleich vermutete, aus einem ganz gewöhnlichen Grunde getötet, aus Rache.«
»Du meinst, er wurde, wie wir annahmen, von Bruder Bardan getötet?« fragte Eadulf. »Aus Rache für den Mord an Daig?«
»Nein. Er wurde von Bruder Madagan erstochen, dessen Augen seine Unversöhnlichkeit verraten. Ma-dagan wollte einfach Rache dafür, daß ihn der Krieger vor dem Tor der Abtei niedergeschlagen hatte. Am nächsten Tag nahm Madagan die Börse des Räubers, die mit Münzen des Königs von Ailech gefüllt war, und stiftete sie zur Sühne der Abtei. Segdae zeigte mir die Münzen, bevor ich Imleach verließ. Sie waren von der gleichen Art wie die, die ich im Beutel des Attentäters in Samradans Stall fand.«
»Weiß Abt Segdae davon?« fragte Eadulf entsetzt.
»Ja. Es liegt nun an ihm, ob er die Sache weiter verfolgen will, und es liegt an Madagan, mit seinem Gewissen ins reine zu kommen. Wenigstens ist die Börse des Räubers eine kleine Entschädigung für die Abtei, nehme ich an. Aber nicht für Madagan. Er muß sein eigenes Heil suchen.«
Sie schwiegen eine Weile.
»Ich mußte auch daran denken, wie nahe du dem Tode warst, und noch dazu von der Hand deines eigenen Vetters.«
»Es ist gut, wenn man einen Pilgerstab zur Hand hat.« Sie lächelte sanft. »Wenigstens hast du gut gezielt.«
»Wenn ich nun nicht getroffen hätte?« fragte Eadulf und erschauerte.
»Aber du hast, und wir sind hier.«
»Morgen reisen die Brehons ab. Wird Muman nun wieder sicher sein?«
»Die Ui Fidgente haben ein Friedensabkommen mit meinem Bruder geschlossen. Die Brehons werden ihre Urteile bekanntmachen, und man wird Mael Düin, den König der Ui Neill in Ailech, warnen, er möge aufhören, Pläne gegen Muman zu schmieden. Das gleiche gilt für Ultan, den Comarb von Patrick. Deshalb nehme ich an, es wird hier eine Weile Friede herrschen. Ich habe auch gehört, daß Colgü meinen Vetter Finguine zu seinem neuen Tanist vorschlagen will, wenn die derbfhine unserer Sippe das nächste Mal zusammentreten. Ich glaube, da trifft er eine gute Wahl.«
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