»Genau«, warf Corryn ein. »Was ist, wenn sie jemandem etwas erzählt hat? Das Ganze war sehr gefährlich. Es könnte alle unsere Pläne zunichte machen.«
»Doch nur, wenn sie etwas aufgeschnappt hat. Sie hat wahrscheinlich gar nichts mitbekommen. Dennoch geht alles viel zu schleppend voran. Ceredigion kann nicht länger hingehalten werden.«
»Wenn Artglys mit Dyfed ein Bündnis eingehen will, muß er warten«, hielt ihm Corryn vor. »Wir haben soviel Zeit damit zugebracht, den Plan heranreifen zu lassen, da werden wir ihn doch jetzt nicht einfach aufgeben. Und welche Wahl hätte Artglys denn? Er hat keine.«
Der andere zuckte mit den Schultern. »Die Krieger von Ceredigion sind gut ausgebildet und bereit zum Kampf. Wir können sofort in den Krieg ziehen.«
Corryns Stimme klang herausfordernd. »Glaubst du denn etwa, daß in Dyfed Schwächlinge leben? Wie oft ist Ceredigion schon gegen Dyfed in den Krieg gezogen? Seit Ceredigs Zeiten habt ihr immer neidisch auf dieses Königreich geschaut. Oft habt ihr versucht, es zu erobern, aber es hat euch widerstanden. Es wird sich nicht bezwingen lassen, nur weil Ceredigion in die Schlacht zieht; es wird nur durch eine List zu erobern sein. Also wollen wir uns schön an den Plan halten, den wir so sorgfältig ausgearbeitet haben.«
Der Dritte schob zornig die Kinnlade vor. »Der Plan wird befolgt, solange mein Lord Artglys es sagt!«
»Dann solltest du besser deinen König fragen, ob er an dem Bündnis noch interessiert ist oder nicht.« Corryn wandte sich ab.
»Und du solltest Clydog nach seinen Absichten fragen!« rief ihm der Krieger zu.
Corryn drehte sich rasch um. »Clydogs Absichten sind nicht die meinen!« fuhr er ihn barsch an. »Geh nur und teile Artglys’ Handlanger, dem guten Morgan, mit, daß er mit der nächsten Stufe des Plans beginnen sollte. Wir müssen dafür sorgen, daß Gwlyd-dien selbst bald loslegt. Offensichtlich braucht es noch ein paar Leichen mehr, um seine Wut zum Überkochen zu bringen. Noch ein paar niedergemetzelte Mönche am Strand könnten ihn vielleicht in Rage versetzen. Verstehst du?«
Der dritte Mann schien zu zögern. »Nun gut«, sagte er dann. »Ich begreife jetzt, warum man dich die Spinne nennt, mein Freund. Warten, Ränke schmieden, beobachten, und dann ... Wollen wir hoffen, daß wir Geduld bewahren. Ich werde Artglys sagen, was du wünschst.«
Ohne ein weiteres Wort ließ er die anderen beiden stehen und ging zu seinem Pferd. Er saß auf und verschwand im Dunkel der Nacht, ohne sich noch einmal umzusehen.
Iestyn stand noch neben Corryn und hielt die Laterne hoch, so als würde er dem Davonreitenden hinterherblicken.
»Ist das ein arroganter Kerl, mein Herr«, sagte der Bauer abschätzig.
»Ein wahres Wort«, stimmte ihm Corryn zu. »In den kommenden Tagen sollten wir uns ein Urteil über ihn bilden. Denk daran, daß es sich hier nicht um einen foedus amorum handelt, sondern um einen Vertrag zu unserem Nutzen, der aufgelöst werden kann, sobald das Ziel erreicht ist.«
»Vertraust du Clydog, Herr?«
»Überhaupt nicht.« Corryn lachte laut. »Sein Vater tut das wohl auch nicht, wie mir scheint. Hat er Cly-dog nicht losgeschickt, um in Dyfed Unruhe zu stiften und nicht in seinem Haus? Da fällt mir ein, daß ich zu ihm muß. Gibt es sonst noch etwas Neues von dieser Frau ... der Gwyddel und ihrem sächsischen Freund?«
»Sie sind wieder da und haben sogar mich und Ior-werth ausgehorcht. Die Gwyddel interessiert sich aber mehr für Mairs Mörder als für unsere Machenschaften.«
»Könnte Iorwerth etwas ausgeplaudert haben, was sie auf unsere Spur führt? Dieser Idiot aus Ceredigion hätte nicht sein Pferd in Iorwerths Schmiede beschlagen lassen dürfen.«
Iestyn schüttelte schnell den Kopf. »Was sollten sie erfahren haben? Geheime Informationen überbringen wir im geheimen. Iorwerth hat damit nichts zu tun; es besteht keine Möglichkeit, unserem Plan zuvorzukommen.«
Corryn schwieg eine Weile. »Du hast vielleicht recht, mein Freund. Doch die Schwester ist keine Närrin. Ich habe gehört, daß diese Richter an den Gerichten von Ei-reann sehr listenreich und findig arbeiten. Sie sicher auch. Und der Sachse ebenso. Mir ist es unbegreiflich, wie leicht sie Clydog reinlegten und aus seinem Lager fliehen konnten. Doch es ist ihnen gelungen!«
»Wenn die Zeit reif ist, wirst du mit ihnen abrechnen können, Herr«, sagte Iestyn. »Jedenfalls haben sie keine Ahnung.«
»Trotzdem, Iestyn, mir gefällt es nicht, daß sie hier die Leute verhören.«
Iestyn lachte in sich hinein. »Mich mögen sie befragen, Herr. Hab keine Angst. Der Plan ist sicher. Sie scheinen sich nur für Mairs Tod zu interessieren.«
»Ich verlasse mich auf dich, Iestyn«, erwiderte der andere, »denn du weißt, was dir Verrat einbringt.«
Auf einmal herrschte Schweigen zwischen ihnen. Dann ging Corryn zu seinem Pferd und saß auf.
»Halte mich über die üblichen Kanäle auf dem laufenden, Iestyn. Wenn Morgan seine Anweisungen befolgt, wird Gwlyddien bald etwas unternehmen. Wenn er erst einmal angestachelt ist ... Das Königreich gehört uns!« Er hob zum Abschied die Hand und ritt in die Nacht hinein.
Iestyn sah ihn in der Dunkelheit verschwinden und ging zu seinem Hund. Der lag vor der Scheune, den Kopf zwischen den Pfoten; er jaulte.
»Gib Ruhe, Ci, du dummes Tier.«
Der Hund stand auf und bellte.
Iestyn sah sich zögernd um. Fidelma und Eadulf duckten sich tief hinter die Schweinestallwand.
»Oh, ich weiß«, sagte Iestyn. »Ich habe vergessen, dich zu füttern. Keine Sorge. Ich habe einen Knochen für dich.« Er ging zum Haus zurück.
Fidelma packte Eadulf am Arm, und kurz darauf waren sie beide über die Mauer geklettert. Der Hund hatte sie bemerkt und fing wieder an zu bellen. Sie hörten Iestyns verärgerte Stimme.
»Halt die Schnauze, du dummer Köter! Ich bringe den Knochen sofort!«
Fidelma und Eadulf eilten, so schnell sie konnten, zu den Pferden. »Komm, bloß fort von hier«, flüsterte Fidelma.
Als sie von der Scheune fortritten, schob sich plötzlich der Mond zwischen den Wolken hervor. Doch er konnte die stockfinstere Nacht kaum erhellen.
»Auf den Weg können wir nicht zurück«, sagte Fidelma. »Falls Iestyn den Hund losbindet, wird er uns einholen, und Corryn ist auch noch nicht weit genug weg. Vielleicht kehrt er noch einmal um.«
Eadulf sondierte den Fluß. »Hier ist eine Furt. Da ist er flach genug. Geh du voraus, Fidelma.«
Folgsam führte sie ihr Pferd ins Wasser und trieb es voran. Das Geräusch, das dabei entstand, wurde vom Rauschen des Flusses ein wenig weiter aufwärts gedämpft, denn dort drängte das Wasser über eine Barriere aus Felsen und Steinen, fast einem Wasserfall gleich. Eadulf folgte Fidelma dichtauf. Er konnte immer noch das Bellen des Hundes hinter ihnen hören.
Die Pferde stiegen mit Leichtigkeit die Uferböschung hinauf und verschwanden mit ihren Reitern bald in dem Baumdickicht, das den Fluß säumte. Dort einen Weg ausfindig zu machen war nicht einfach, doch schließlich gelangten sie auf einen schmalen Pfad. Er schien in die Ortschaft zu führen.
Als sie eine ziemliche Strecke geritten waren, brach Eadulf das Schweigen.
»Warum sind wir nicht dort geblieben und haben Iestyn zur Rede gestellt?«
Fidelma gönnte ihrem Pferd eine Pause. »Das wäre der falsche Zeitpunkt gewesen«, sagte sie.
»Corryn war doch fort«, meinte Eadulf. »Unser Erscheinen hätte Iestyn vielleicht überrascht, ihn zu einem Geständnis veranlaßt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ganz im Gegenteil, ich glaube, daß selbst Iestyn dann gewußt hätte, warum sein Hund so laut angeschlagen hat. Jetzt haben wir die besseren Karten in der Hand. Wir kehren mit Kenntnissen zurück, die Iestyn uns nicht zutraut.«
»Ich muß zugeben, daß ich völlig durcheinander bin«, gestand Eadulf. »Jedesmal, wenn ich meine, daß die Dinge einen Sinn ergeben, werden sie undurchsichtiger.«
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