»Aber vielleicht nicht mehr sehr lange.« Der Patrizier sprach mit fester Stimme, die auch auf dem Forum jederzeit einen guten Eindruck gemacht hätte. Sein Gesicht war mir unbekannt, aber ich wußte, um wen es sich handelte.
»Crassus«, flüsterte ich.
»Ja«, sagte Tiro, »Crassus. Mein Herr kennt ihn.« In seiner Stimme klang eine Spur von Stolz mit, der Stolz derjenigen, die die Tuchfühlung mit der Prominenz genießen, egal, worauf sich deren Berühmtheit gründet. »Kennst du das Lied: >Crassus, Crassus, reich wie Kroesus<. Man sagt, er sei schon jetzt der reichste Mann Roms, Sulla nicht mitgerechnet natürlich, womit er reicher ist als die meisten Könige unserer Zeit, und er wird jeden Tag reicher. Sagt jedenfalls Cicero.«
»Und was sagt dein Herr sonst noch über Crassus?« Das Objekt unserer Erörterungen hatte einen Arm um die Schulter des Graubärtigen gelegt. Gemeinsam gingen sie zu einer Stelle, von wo aus sie einen besseren Blick auf die Lücke zwischen den beiden Gebäuden hatten. Ich folgte ihnen und starrte an ihnen vorbei in die Spalte, die wegen des fortwährenden Regens von Asche und glühenden Ziegeln unpassierbar war.
»Man sagt, daß Crassus über viele Tugenden verfügt und nur ein Laster hat, und das ist seine Habgier. Aber Cicero sagt, daß Gier nur das Symptom eines noch tiefer liegenden Lasters ist: des Neides. Reichtum ist alles, was Crassus hat. Er scheffelt ihn, weil er mißgünstig ist auf die Qualitäten anderer Männer, als ob sein Neid eine tiefe Grube wäre und er sie nur mit genug Gold und Vieh und Häusern und Sklaven zuschütten müßte, um endlich auf einer Stufe mit seinen Rivalen zu stehen.«
»Dann sollten wir also Mitleid mit Marcus Crassus haben? Dein Herr ist wirklich sehr mitfühlend.«
Wir ließen die Menge der Schaulustigen hinter uns und drängten uns näher heran, um zu hören, was sich Crassus und der Besitzer des Mietshauses über dem Prasseln der Flammen zuriefen. Das Feuer schlug mir wie heißer Atem ins Gesicht, und ich mußte die Augen wegen der durch die Luft wirbelnden Ascheteilchen zukneifen.
Wir standen im Herzen der Krise. Es schien ein seltsamer Ort, um ein Geschäft abzuschließen,wenn man den Vorteil außer acht ließ, den er Crassus bot. Der arme Graubärtige sah nicht so aus, als würde er einen harten Verhandlungspartner abgeben. Über dem Knistern der Flammen konnte ich Crassus’ ausgebildete Rednerstimme hören wie Glockengeläut.
»Zehntausend Denar«, tönte er. Ich konnte die Antwort des Hauseigentümers nicht verstehen, las jedoch in seiner Miene und seinen Gesten Empörung. »Also gut.« Crassus zuckte die Schultern. Er schien gerade einen höheren Preis anbieten zu wollen, als vor dem gefährdeten Gebäude eine Flammenwand hochschlug. Ein Trupp Arbeiter rannte sofort zu der Stelle, schlug mit Lumpen auf die Flammen ein, während Eimer voll Wasser von Hand zu Hand gereicht wurden. Ihre Bemühungen schienen den neuen Brandherd zu ersticken, als die Flammen plötzlich an einer ganz anderen Stelle erneut aufloderten.
»Achttausendfünfhundert«, sagte Crassus. »Mein letztes Angebot. Mehr als der Preis für das kahle Grundstück, was nach Lage der Dinge bald alles sein könnte, was noch übrig ist. Und bedenke die Kosten für den Abtransport des ganzen Schutts.« Er starrte in das Flammenmeer und schüttelte den Kopf. »Achttausend, nicht mehr. Wenn du interessiert bist, mußt du jetzt zuschlagen. Wenn die Flammen erst einmal Ernst machen, werde ich dir kein As mehr bieten.«
Der Graubärtige verzog gequält das Gesicht. Ein paar tausend Denar waren kaum ein angemessener Preis. Aber wenn das Gebäude völlig ausgebrannt war, war es völlig wertlos.
»Trommle mein Gefolge zusammen«, rief Crassus seinem Sekretär zu. »Sag ihnen, sie sollen sich zum Abmarsch bereit halten, ich bin hergekommen, um zu kaufen, nicht um ein Haus in Flammen aufgehen zu sehen.«
Der Graubärtige brach zusammen. Er packte Crassus’ Ärmel und nickte. Der machte seinem Sekretär ein Zeichen, worauf jener sofort eine fette Börse hervorzog und den Mann an Ort und Stelle bezahlte.
Crassus hob die Hand und schnippte mit den Fingern. Sofort geriet seine ganze Mannschaft in Bewegung. Gladiatoren und Sklaven huschten zwischen den Gebäuden hin und her wie Ameisen, rissen den erschöpften Freiwilligen die Eimer aus der Hand, lösten Pflastersteine und warfen Steinbrocken, Lehm und alles Unbrennbare, was sich sonst finden ließ, in die Lücke zwischen den beiden Häusern.
Crassus machte auf dem Absatz kehrt und kam direkt auf uns zu. Ich hatte ihn schon oft auf dem Forum gesehen, aber noch nie aus solcher Nähe. Er war kein schlecht aussehender Mann, dessen Haare sich lichteten, ein wenig älter als ich, mit einer ausgeprägten Nase und einem hervorstehenden Kinn. »Bürger!« rief er mir zu. »Schließ dich dem Kampf an. Ich werde dir den zehnfachen Tageslohn eines Arbeiters zahlen, die eine Hälfte jetzt, die andere später, und das gleiche für deinen Sklaven.«
Ich war zu überrascht, um zu antworten. Crassus ging völlig unbeeindruckt weiter und machte jedem halbwegs kräftigen Mann in der Menschenmenge dasselbe Angebot. Sein Sekretär folgte ihm auf dem Fuß und zahlte die Honorare aus.
»Sie müssen den Rauch gesehen haben und vom Forum direkt über den Hügel gekommen sein«, sagte Tiro.
»Eine Chance, ein Haus am Fuß des Kapitols praktisch umsonst zu erwerben - warum nicht? Ich hab gehört, daß er auf allen Hügeln Sklaven postiert hat, um nach Bränden Ausschau zu halten, damit er als erster an der Brandstelle ist und die Überreste aufkaufen kann.«
»Das ist noch längst nicht die übelste Geschichte, die man sich über Crassus erzählt.« Tiros Gesicht wurde fahl, entweder wegen meines kritisch musternden Blicks oder wegen der Hitze des Feuers.
»Was soll das heißen?«
»Nun ja, nur daß er sein Vermögen durch die Proskriptionen gemacht hat. Als Sulla seine Feinde enthaupten ließ, wurde ihr Besitz vom Staat beschlagnahmt. Ganze Güter wurden zur Versteigerung freigegeben. Sullas Freunde konnten sie zu skandalös niedrigen Preisen kaufen. Und sonst wagte keiner mitzubieten.«
»Das weiß doch jeder, Tiro.«
»Aber Crassus ist eines Tages zu weit gegangen. Selbst für Sulla.«
»Inwiefern?« Tiro senkte die Stimme, obwohl uns vermutlich niemand bei dem Knattern der Flammen und dem plötzlichen Lärm von Crassus’ Mietlingen hätte hören können. »Eines Tages habe ich mitbekommen, was Rufus meinem Herrn erzählt hat. Wie du weißt, ist Rufus Sullas Schwager, seit der mit Valeria verheiratet ist; er hört alle möglichen Sachen, die sonst Sullas Haus nie verlassen würden.«
»Ja, und weiter?«
»Man erzählt sich, daß Crassus den Namen eines Unschuldigen auf die Listen setzen ließ, damit er die Grundstücke des Mannes in die Finger kriegen konnte. Es handelte sich um einen alten Patrizier, der niemanden mehr hatte, der seine Interessen wahrnahm; seine Söhne waren in den Kriegen gefallen -im Kampf für Sulla! Der arme Mann wurde von Schlägern aufgegriffen und noch am selben Tag geköpft. Ein paar Tage später wurden seine Güter versteigert, und Crassus sorgte dafür, daß sonst niemand mitbieten durfte. Die Proskriptionen waren ursprünglich nur für politische Feinde gedacht, und das war schon schlimm genug, aber Crassus hat sie benutzt, um seine persönliche Gier zu befriedigen. Sulla raste vor Wut oder hat zumindest so getan. Und er hat Crassus seither nicht mehr für ein öffentliches Amt kandidieren lassen, weil er Angst hat, daß der Skandal publik wird.«
Ich suchte die geschäftige Menge nach Crassus ab. Er stand inmitten der pulsierenden Masse von Sklaven und Gladiatoren und starrte, ohne das Durcheinander um ihn herum zu beachten, wie ein stolzer Vater auf seine Neuerwerbung. Ich drehte mich um und folgte seinem Blick. Gemeinsam beobachteten wir, wie die Grundmauer des brennenden Mietshauses mit einem sprühenden Funkenregen in sich zusammenstürzte. Das Feuer war unter Kontrolle. Das kleinere Gebäude war gerettet.
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