»Wo, sagten Sie, hat dieses Pferd gejagt?«
»Middleburg, Piedmont und Oak Ridge.«
Er klopfte seinem Pferd den Hals. »Wieviel?«
»Nun, sie verlangen zwanzigtausend Dollar. Aber gehen wir doch mal hin. Wenn Sie sie reiten und sie Ihnen gefällt, ich wette, daß ich den Preis drücken kann.«
»Okay. Treffen Sie eine Verabredung für Donnerstag nachmittag.« Er hielt vor der Stalltür an, saß ab und reichte Linda, die zuerst abgestiegen war, die Zügel.
Da Zeit für ihn Geld war, plante er seine Ritte jeden Tag zur exakt gleichen Zeit. Dann fuhr er ins Krankenhaus und zog sich dort um.
Als er aus New Jersey hierhergezogen war, hatte er sich geschworen, sich zur Ruhe zu setzen, doch die Kunde von einem guten Arzt spricht sich herum. Ehe er sich's versah, praktizierte er wieder und operierte an zwei Vormittagen im Krankenhaus.
Wie die meisten vielbeschäftigten Leute, die unter Hochdruck stehen, mußte er den Menschen um ihn herum vertrauen. Linda hielt den Stall sauber und die Pferde in Bewegung. Er konnte nicht ahnen, daß sie sich hinter seinem Rücken über ihn lustig machte.
Sie spottete über seine Reitkünste und nannte sie >todesmutig< . Sie stöhnte über seinen Pferdeanhänger; sie wollte einen viel teureren. Sie lobte ihren Beitrag zu seiner Farm vor allen und jedem, obgleich sie die Hand biß, die sie fütterte.
Sobald die Pferde abgesattelt und abgerieben waren, wollte sie ihre Freundin in Middleburg anrufen, die das Pferd, für das sich Dr. D'Angelo interessierte, für jemand anderen verkaufte. Das Pferd war 7500 Dollar wert. Wenn die Stute Dr. D'Angelo gefiel, wollte Linda ihre Freundin >beknien<, damit sie ihre Kundin bat, mit dem Preis herunterzugehen. Sie würden sich bei 15.000 Dollar entgegenkommen. Die Besitzerin des Pferdes würde tatsächlich 7500 Dollar bekommen. Linda und ihre Freundin wollten sich die zusätzlichen 7500 Dollar teilen und in die Tasche stecken, ohne es jemandem zu erzählen. Die ursprüngliche Besitzerin würde nichts merken, weil sie den Scheck einlösen und sie bar bezahlen würden. So etwas wurde im Pferdegeschäft jeden Tag gemacht, von Leuten, die alles andere als ehrenhaft waren, und oft Pferde verkauften, die alles andere als gesund waren.
Das Telefon klingelte, als Linda gerade eine irische Decke über eines der Pferde warf.
Das Wandtelefon hing an der Außenmauer.
Sie nahm ab.
»Hallo.«
»Linda«, sagte eine tiefe Männerstimme, »Coty Lamont wurde tot auf der Ladefläche seines Lieferwagens gefunden. Ein Messer im Herzen.«
Sie stöhnte. »Was?«
»Du verlierst Kundschaft.« Er lachte. Dann wurde sein Ton kalt. »Ich weiß, daß Sheriff Yancey dich verhört hat.«
Bevor er fortfahren konnte, sagte sie: »He, ich bin nicht blöd. Ich habe kein Wort gesagt.«
Lange Pause. »Bleib dabei. Verbindlichkeiten haben in diesem Geschäft kein langes Leben. Mitternacht. Morgen.«
»Ja. Klar.« Sie hängte ein und stellte zu ihrer Verwunderung fest, daß ihre Hand zitterte.
Das fahle Novemberlicht ergoß sich wie Champagner über Mrs. Murphy und ließ das Tiefschwarz ihrer Streifen glänzen. Den Schwanz senkrecht, die Schnurrhaare leicht nach vorn gerichtet, sprang sie über die Felder zu Mims Haus. Neben ihr, und keineswegs glücklich, wabbelte Pewter - keine Freiluftfanatikerin, Tee Tucker hielt mühelos Schritt.
Mims Anwesen lag keine fünfzehn Minuten vom Postamt entfernt, wenn man über Gärten und Felder abkürzte.
»Oh, können wir nicht ein Stückchen gehen?«
»Wir sind gleich da.« Murphy drängte vorwärts.
»Ich weiß, daß wir gleich da sind. Ich kann nicht mehr«, jammerte die graue Katze.
»Anhalten!« befahl Tucker.
Die zwei Katzen blieben stehen, Pewter atmete schwer. Ein Rascheln im Bartgras warnte sie, daß noch jemand da war. Die Katzen ließen sich auf den Bauch fallen, die Ohren nach vorn gerichtet. Tucker blieb auf der Stelle stehen.
»Wer geht da?« verlangte Tucker zu wissen.
»Die edelste Katze, die je auf Erden wandelte«, lautete die kesse Antwort.
»Würg.« Pewter blinzelte. Sie hatte Paddy, Mrs. Murphys Exgatten, nie ausstehen können.
Murphy hob den Kopf. »Was immer du auf dieser Seite von Crozet zu suchen hast, ich will es nicht wissen.«
»Und das sollst du auch nicht, meine Liebste.« Er küßte sie auf die Wange. »Pewter, du siehst schlanker aus.«
»Lügner.«
»Welch reizende Worte für einen Gentleman, der dir ein Kompliment macht.«
»Was für ein Gentleman?«
»Pewter, sei höflich.« Murphy spielte nur ungern die Friedensstifterin. Sie wußte mit ihrer Zeit besseres anzufangen. »Kommt jetzt, ihr zwei. Wenn wir bis Schalterschluß zurück sein wollen, müssen wir weiter.«
»Wohin geht ihr?« »Mims Stall. Komm mit, und ich gebe dir die nackten Tatsachen.« Mrs. Murphy benutzte einen Ausdruck, den Mrs. Hogendobber gelegentlich verwendete, wenn der braven Frau nach Pikanterie zumute war.
»Laßt uns traben. Ich renne nicht«, schmollte Pewter.
»Schon gut, schon gut«, willigte Tucker ein, um sie bei Laune zu halten. »Denkdran, daß wir deinetwegen hier im Einsatz sind.«
»Es ist nicht meinetwegen, es ist, weil Coty Lamont tot auf einem Lieferwagen gefunden wurde, mit einer Kugel im Rücken und einem Messer im Herzen. Ich habe nichts anderes getan, als diese Nachricht heute morgen zu melden.«
»Wie kommt es, daß Harry es nicht zuerst wußte - oder die ehrwürdige Mrs. Hogendobber?« Paddy witterte einen starken Wildgeruch, der sich im Frost gut hielt.
»Cynthia hat es Harry als zweite erzählt. Sie kam auf einen Kaffee und eins von Mrs. Hogendobbers Gebäckstückchen bei uns vorbei. Heute waren es Arme Ritter und irgendwas Zusammengeklapptes mit Puderzucker. Als nächstes schaute sie beim Postamt...«
Tucker warf ein: »Sie sagte, sie würden es später in der Zeitung lesen, drum wollte sie ihnen die wahren Tatsachen liefern.«
»Und dann hab ich mich von euch überreden lassen, hier rauszukommen. Warum, werde ich wohl nie wissen.« Pewter beklagte laut ihre wunden Pfotenballen.
»Weil Coty Lamont sich in der Nacht oder am frühen Morgen, als er ermordet wurde, in Mims Stall geschlichen hat, darum, und weil es keiner weiß außer Rodger Dodger, Pusskin, den Pferden und uns.«
Tucker erklärte es Pewter geduldig noch einmal. Es war, als würde man einem Welpen beibringen, einen Knochen zu verstecken. Wiederholung.
Tucker wußte, daß Pewter durchaus nicht schwer von Begriff war, aber durch Marotten und Gestöhne konnte sie sich in den Mittelpunkt spielen. Außerdem waren ihre Pfotenballen, nicht an schnelles Rennen gewöhnt, wirklich empfindlich.
»Doch, noch ein Mensch weiß Bescheid.« Mrs. Murphy nahm die Kuppeln des Stalles über ihr in Augenschein. »Cotys Mörder.«
»Das weiß man nicht«, sagte Paddy, worauf er über die Vorgänge informiert wurde, die sich zugetragen hatten, bevor Coty gefunden wurde, die Vorgänge in Mims Stall. Beharrlich sagte er: »Das hieße Mickey Townsend, da Rodger gesagt hat, er hat sich reingeschlichen und ihn gefunden.«
»Sicher, sieht ganz so aus, aber ich habe gelernt, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, das geht nicht so schnell wie beim Mäusefangen«, erklärte Murphy verschmitzt.
»Tu nicht so überheblich, Murphy. Das kann ich nicht ausstehen.« Pewter schnaufte, als sie durch das große offene Tor eintraten, das weiß gestrichen und dunkelgrün eingefaßt war.
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