Diese nüchterne Frage erzeugte tiefstes Schweigen.
Lucinda sprach als erste. »Kimball, wir haben nicht gewußt, daß ein Mann ermordet wurde. In der Zeitung stand nur, daß man ein Skelett ausgegraben hat. Ich bin ganz erschüttert. Ich meine, die Leute haben herumgerätselt, aber.«
»Er wurde durch einen gewaltigen Schlag auf den Kopf getötet.« Kimball richtete seinen Blick auf Lucinda. »Natürlich wollte und will Oliver nicht bestätigen, daß die Person ermordet wurde, bevor der Bericht aus Washington vorliegt. So bleibt uns in Monticello noch ein wenig Zeit, uns seelisch vorzubereiten.«
»Verstehe.« Lucinda stützte ihr Kinn in die Hand. Sie war Ende Vierzig und eher ansehnlich als schön, eher stattlich als liebreizend.
Ellie Wood, ein logisch denkender Mensch, überlegte laut: »Wenn ihm ein so fester Schlag zugefügt wurde, muß die betreffende Person stark gewesen sein. Ist die Kopfverletzung vorne oder hinten?«
»Hinten«, antwortete Kimball.
»Dann wollte der Täter keinen Kampf. Und keinen Lärm.« Ellie Wood hatte die Möglichkeiten rasch erfaßt.
»Könnte es sein, daß Medleys Liebhaber den Mann getötet hat?« fragte Port. »Wissen Sie, ob sie einen Liebhaber hatte?«
»Nein. Ich weiß aber, daß sie im August 1803 ein Kind zur Welt brachte. Das muß aber nicht heißen, daß sie einen Liebhaber hatte, jedenfalls nicht das, was wir heute darunter verstehen.« Kimball verschränkte die Arme.
»Sie glauben doch wohl nicht, daß Thomas Jefferson sich da in den Stammbaum geschlichen hat?« Lucinda war schockiert.
»Nein, nein.« Kimball griff nach dem Kognak. »Er war sehr darauf bedacht, Familien nicht auseinanderzureißen, aber ich habe keinerlei Aufzeichnungen gefunden, die darauf schließen lassen, daß Medley einen festen Partner hatte.«
»Hat sie noch mehr Kinder geboren?« mischte sich jetzt auch Little Marilyn in das Gespräch ein.
»Anscheinend nicht«, sagte er.
»Höchst seltsam.« Susans Gesicht drückte Ratlosigkeit aus. »Empfängnisverhütung gab es damals so gut wie überhaupt nicht.«
»Schafsblasen. Ein Vorläufer des Kondoms.« Kimball nahm noch einen Schluck Kognak, den besten, den er je getrunken hatte. »Aber daß ein Sklave an so etwas Raffiniertes herankam, ist undenkbar.«
»Wer sagt, daß ihr Partner ein Sklave war?« fragte Harry provozierend.
Mim, die nicht rückständig erscheinen wollte, nahm den Faden sofort auf. »War sie schön, Kimball? Wenn ja, dann könnte sie mit Partnern zusammengekommen sein, die problemlos an Schafsblasen herankamen.«
»Ja, nach den wenigen Aufzeichnungen, die ich finden konnte, war sie schön.«
Lucinda machte ein finsteres Gesicht. »Ach, ich hoffe, das alles geht einfach an uns vorüber. Ich habe das Gefühl, wir stechen da in ein Wespennest.«
»Stimmt, aber jetzt gibt es kein Zurück mehr.« Mim blieb fest. »Wir haben diese Dinge Jahrhunderte lang unter den Teppich gekehrt. Nicht, daß ich Spaß an dieser Entwicklung habe, bestimmt nicht, aber Rassenmischung könnte ein Motiv für einen Mord gewesen sein.«
»Ich glaube nicht, daß eine schwarze Frau einen Mann umgebracht hätte, bloß weil er weiß war«, sagte Ellie Wood. »Aber vielleicht hatte sie einen schwarzen Liebhaber, der den Mord aus Eifersucht begangen hat.«
»Und wenn Medley es selbst war?« Vor lauter Aufregung hob Kimball die Stimme. »Was könnte eine Sklavin dazu getrieben haben, einen weißen Mann zu töten? Was treibt eine Frau, von welcher Hautfarbe auch immer, dazu, einen Mann zu töten? Ich denke, das wissen Sie alle viel besser als ich.«
Von seinem Überschwang angesteckt, sprang Port auf. »Liebe. Die Liebe kann alle verrückt machen.«
»Okay, nehmen wir mal an, sie hat das Opfer geliebt. Obwohl ich nicht denke, daß viele Sklavinnen die weißen Männer geliebt haben, die sich in ihre Hütten schlichen.« Harry kam in Fahrt: »Auch wenn sie außer sich gewesen wäre, hätte sie ihn getötet, weil er sie sitzenlassen wollte? Das kann ich mir nicht vorstellen. Weiße Männer ließen schwarze Frauen jeden Morgen sitzen. Sie kehrten ihnen einfach den Rücken, und schwups, weg waren sie. Wäre sie nicht daran gewöhnt gewesen? Hätte eine ältere Sklavin sie nicht darauf vorbereitet, etwa mit Worten wie >Das ist dein Los