»Nun?« sagte er, als ich gelesen hatte.
»Vielen Dank.«
»Bobby Allardeck sollte Gott für seinen Schwager danken.«
Ich schaute ihn überrascht an, und ich dachte an die gespaltene, unverläßliche Einstellung Bobbys mir gegenüber und an meine Schwester, für die ich eigentlich handelte. Dieser Text müßte zumindest die Nerven der Stadt und der Besitzer beruhigen und den Stall wieder in einen funktionstüchtigen Zustand versetzen - vorausgesetzt natürlich, daß die heikle Finanzlage ebenso geklärt werden konnte.
»Was hat Sie umgestimmt?« fragte ich.
Er zuckte die Achseln. »Sie. Die Anwälte meinten, Sie würden klein beigeben. Ich sagte, das würden Sie nicht tun. Die glauben, sie können jeden mit der Androhung von langen kostspieligen Verfahren einschüchtern.« Er lächelte schief. »Ich sagte, Sie würden uns den größten Ärger bereiten, wenn wir nicht druckten, und das hätten Sie doch getan, oder?«
»Ja.«
Er nickte. »Ich machte ihnen klar, daß wir Jay Erskine und Owen Watts nicht vor Gericht haben wollten, wo Sie sie hingebracht hätten.«
»Zumal Jay Erskine schon vorbestraft ist.«
Er schwieg einen Augenblick. »Ja«, sagte er.
Dieser eine Faktor, dachte ich, war ausschlaggebend gewesen.
»Hat Erskine die Angriffe gegen Bobby verfaßt?« fragte ich.
Nach einem kurzen Zögern nickte er. »Er hat alles geschrieben außer der Entschuldigung. Die stammt von mir.«
Er drückte einen Knopf der Gegensprechanlage auf seinem Schreibtisch und sagte betonungslos »Fielding ist hier« in die Stille hinein.
»Wo sind die Kreditkarten, jetzt, da wir gedruckt haben?« fragte er.
»Die bekommen Sie, wie gesagt, morgen nach dem Austragen der Zeitungen.«
»Sie lassen nie locker, was? Owen Watts ist schon nach Newmarket unterwegs, und die anderen hat die Post.« Er sah mich nachdenklich an. »Wie haben Sie das mit der Bank herausgekriegt?«
»Ich dachte mir, daß Sie versuchen könnten, mich in Mißkredit zu bringen. Ich habe alle Einzahlungen stoppen lassen.«
Er preßte den Mund zusammen. »Die wissen nicht, womit sie es zu tun haben«, sagte er.
Der Summer an seiner Tür ertönte, und er drückte sofort auf den Öffner. Ich drehte mich um und sah einen Mann, den ich nicht kannte, interessiert und ohne Zögern eintreten. Ziemlich groß, mit zurückgehendem Haaransatz über der blassen Stirn. Er trug einen einfachen dunklen Anzug mit farbig gestreifter Krawatte und hatte die Angewohnheit, seine Finger gegeneinanderzureiben wie ein Schullehrer, der Kreide abwischt.
»David Morse, Chef unserer Rechtsabteilung«, sagte Sam Leggatt knapp.
Niemand bot die Hand zum Gruß. David Morse betrachtete mich wie ein Ausstellungsstück von oben bis unten, ließ seinen Blick über den offenen Anorak, die Krawatte und das blaue Hemd darunter wandern.
»Der Jockey«, sagte er kühl, »der den Wirbel macht.«
Ich gab keine Antwort, da keine zweckmäßig erschien, und durch die offene Tür hinter ihm kam noch ein Mann, der Macht mit hereinbrachte wie eine Aura und leise auf den Außenseiten seiner Füße ging. Dieser Mann, ebensogroß wie der Anwalt, hatte pomadisiertes dunkles Haar, olivfarbene Haut, ein rundes Kinn, einen kleinen Mund, Augen wie glänzende dunkle Perlen; außerdem breite Schultern und einen flachen Bauch in elegantem dunkelblauem Anzugsstoff. Er war jünger als Sam Leggatt oder Morse und auf undefinierbare Weise ihr Boss.
»Ich bin Nestor Pollgate«, verkündete er und unterzog mich einer Neuauflage der Morseschen Begutachtung, ebenfalls ohne zu grüßen. »Ich habe Ihre Mätzchen satt. Sie geben auf der Stelle die Sachen meiner Journalisten heraus.«
Seine Stimme war kraftvoll wie sein Körper, widerhallend tief in akzentlosem einfachem Englisch.
»Haben Sie mich nur deswegen hergebeten?« sagte ich.
Piesacken Sie sie nicht, hatte Rose Quince gesagt. Ach, na ja.
Pollgates Mund zog sich zusammen, und er ging herum auf Leggatts Seite des Schreibtisches, was dann auch der Anwalt tat, so daß sie dort wie ein Triumvirat von Richtern standen und mich vor sich hatten, sozusagen auf dem Präsentierteller.
Ich hatte ein- oder zweimal in dieser Form vor dem Disziplinarausschuß der Stewards gestanden, und ich hatte gelernt, weder Furcht noch Widerstand zu erkennen zu geben. Jede unangenehme Erfahrung, schien es, konnte unvermuteten Gewinn bringen. Ich stand ruhig da und wartete.
»Ihre Behauptung, wir hätten vorsätzlich eine Kampagne geführt, um Ihren Schwager zu vernichten, ist Blödsinn«, sagte Pollgate rundheraus. »Wenn Sie diese Meinung in der Öffentlichkeit äußern, verklagen wir Sie.«
»Sie haben eine Kampagne geführt, um Maynard Allerdecks Aussichten auf die Adelsverleihung zu zerschlagen«, sagte ich.
»Sie hatten vor, seine Glaubwürdigkeit zu zerstören, und es war Ihnen Wurst, wen Sie dabei in Mitleidenschaft zogen. Ihre Zeitung war grausam und gefühllos. Das ist sie häufig. Ich werde diese Meinung so oft äußern, wie es mir paßt.«
Pollgate straffte sich merklich. Der Mund des Anwalts öffnete sich leicht, und Leggatt schien insgeheim fast belustigt.
»Sagen Sie mir, warum Sie Maynard Allardeck kaputtmachen wollten«, verlangte ich.
»Geht Sie nichts an.« Pollgate antwortete mit der Endgültigkeit einer zuschlagenden Tresorraumtür, und mir wurde klar, daß ich es nie erfahren würde, indem ich irgend jemandem in diesem Zimmer direkte Fragen stellte.
»Sie nahmen an«, sagte ich statt dessen, »daß ein Seitenhieb gegen Maynard am wirkungsvollsten wäre, und Sie entschlossen sich, ihn auf dem Umweg über seinen Sohn anzugreifen. Sie haben keinen Gedanken an das Unheil verschwendet, das Sie über den Sohn brachten. Sie haben ihn benutzt. Für diesen Mißbrauch sollten Sie ihn entschädigen.« »Nein«, sagte Pollgate.
»Wir geben nichts zu«, sagte der Anwalt. Ein geradezu klassisches Anwaltswort. Schuldig mögen wir ja sein, aber sagen werden wir das nie. Er fuhr fort: »Wenn Sie weiterhin versuchen, durch Drohungen Geld zu erpressen, wird die Daily Flag Sie strafrechtlich belangen.«
Ich horchte nicht so sehr auf die Worte wie auf die Stimme; wußte, ich hatte sie vor kurzem irgendwo gehört, sondierte den eigentümlich hohen Klang, die Schärfe der Konsonanten und die fehlende Überzeugung, daß ich mit Intelligenz begabt sein könnte.
»Wohnen Sie in Hampstead?« sagte ich nachdenklich.
»Was hat denn das hiermit zu tun?« fuhr Pollgate kalt dazwischen.
»Dreitausend vorher, zehn hinterher.«
»Sie reden wirres Zeug«, sagte Pollgate.
Ich schüttelte den Kopf. David Morse sah aus, als hätte er auf eine Wespe gebissen.
»Sie waren ungeschickt«, sagte ich zu ihm. »Sie haben keine Ahnung, wie man’s anfängt, einen Jockey zu bestechen.«
»Wie fängt man es an?« fragte Sam Leggatt.
Ich lächelte fast. »Mit dem Namen des Pferdes.«
»Sie geben also zu, daß Sie Schmiergelder nehmen«, floh Morse nach vorn.
»Nein, tu ich nicht, aber man hat’s mir hin und wieder vorgeschlagen, und bei Ihnen hörte es sich nicht richtig an. Außerdem haben Sie Ihr Angebot auf Band aufgenommen. Ich hörte Sie das Gerät einschalten. Ein echter Bestecher würde das nicht tun.«
»Ich hatte zur Vorsicht gemahnt«, bemerkte Sam Leg-gatt mild.
»Sie können nichts von alledem beweisen«, sagte Pollgate mit Entschiedenheit.
»Mein Banker hält einen Wechsel über 3000 Pfund in den Händen, ausgestellt in London. Er hat vor, sich für mich nach seiner Herkunft zu erkundigen.«
»Verlorene Liebesmühe«, versicherte Pollgate.
»Dann tut er vielleicht das, worum ich ihn zuerst gebeten habe, und zerreißt ihn.«
Ein kurzes, völliges Schweigen trat ein. Wenn sie den Wechsel zurückverlangten, würden sie zugeben, daß er von ihnen kam, und wenn nicht, würde ihr gescheiter Plan sie um das Geld bringen.
Читать дальше