»Und die Prellungen?« sagte er.
»Ich bin vorgestern unter ein paar Hürdenpferde geraten.«
Er nickte trocken. Ich zahlte sein Honorar in bar, und er brachte mich an die Tür.
»Alles Gute«, sagte er. »Kommen Sie wieder, wenn Sie’s nötig haben.«
Ich dankte ihm, schnappte mir ein Taxi zurück zum Hotel und dachte daran, daß die Flag in diesem Augenblick ohne die Entschuldigung durch die Druckmaschine ratterte. Dachte an Leggatt und die Leute hinter ihm; Rechtsanwälte, Nestor Pollgate, Tug Tunny, Owen Watts und Jay Erskine. Dachte an die Kräfte und Dämonen, die ich auf irgendeine Weise entfesselt hatte. Sie müssen lernen, daß es Leute gibt, die Sie nicht herumschubsen können, hatte einer der Messerträger gesagt.
Nun, ich lernte es.
Am Mietwagenschalter im Hotel hieß es, ich hätte Glück, sie hätten mir einen Mercedes besorgt; hier seien die Schlüssel, er stünde in der Tiefgarage; der Dienstmann würde ihn mir zeigen, wenn ich ausgehen wolle. Ich dankte ihnen. Man tut, was man kann, sagten sie.
Von meinem Zimmer bestellte ich beim Zimmerservice etwas zu essen und rief Wykeham an, um ihm zu berichten, wie seine Sieger gesiegt hatten, was zumindest noch ein Echo von der gehobenen Stimmung des Nachmittags wachrief.
»Sind sie alle gut heimgekommen?« fragte ich.
»Ja, alle haben ihre Ration gefressen. Dhaulagiri sieht aus, als hätte er ein schweres Rennen gehabt, aber Dusty sagt, er hat mühelos gesiegt.«
»Dhaulagiri lief großartig«, sagte ich. »Sie alle miteinander. Kinley ist so gut wie nur irgendeiner, den Sie haben.«
Wir sprachen über Kinleys Zukunft und die Renner in Ascot am nächsten Tag und am Samstag. Für Wykeham waren die Monate Oktober, November, Dezember der Höhepunkt; seine Pferde kamen dann alljährlich in Bestform, die gegenwärtige Erfolgssträhne war erwartet und eingeplant.
Zwischen dem 30. September und dem Neujahrstag ließ er jedes von ihm betreute Pferd so oft laufen, wie er konnte. »Den Augenblick beim Schopf ergreifen«, sagte er dazu. Nach Weihnachten, wenn die Meetings von Frost und Schnee auseinandergerissen wurden, überließ er seinen Stall mehr oder weniger dem Winterschlaf, rastete, gruppierte um, plante auf eine zweite Hochblüte im März hin. Mein Leben folgte weitgehend seinem Rhythmus, der mir so selbstverständlich war wie seinen Pferden.
»Ruhen Sie sich jetzt mal aus«, sagte er jovial. »Sie haben morgen sechs Ritte, am Samstag wieder fünf. Schlafen Sie ordentlich.«
»Ja«, sagte ich. »Gute Nacht, Wykeham.«
»Gute Nacht, Paul.«
Mein Essen kam, und ich nahm ein paar Happen davon und trank etwas Wein, während ich mit den anderen Trainern telefonierte, die Nachrichten hinterlassen hatten, und danach rief ich Rose Quince an.
»Vier Siege«, sagte sie. »Tragen Sie’s nicht ein bißchen dick auf?«
»Es kommt eben vor.«
»Aber ja. Kosten Sie Ihren Glanz ruhig noch aus, Sportsfreund, denn ich habe eine schlechte Neuigkeit für Sie.«
»Inwiefern schlecht?«
»Eine glatte, unumstößliche Abfuhr von dem Regisseur von Handel heute. Um nichts auf der Welt will er sagen, wer ihn auf Maynard Allardeck gehetzt hat.«
»Aber aufgehetzt hat ihn jemand?« »Na, klar. Er will nur nicht sagen, wer. Ich könnte mir denken, daß er sowohl dafür bezahlt worden ist, daß er’s tut, wie dafür, daß er’s nicht tut, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Wer immer ihn dafür bezahlt hat, daß er’s tut, muß sich betrogen fühlen.«
»Zu dumm«, meinte sie. »Wir sehen uns.«
»Hören Sie«, sagte ich hastig, »wofür kam Jay Erskine ins Gefängnis?«
»Sagte ich Ihnen doch. Behinderung der Justiz.«
»Aber was hat er eigentlich getan?«
»Soweit ich mich erinnere, ein paar Angstmacher auf einen Hauptbelastungszeugen angesetzt, der dann außer Landes geflohen ist und nie ausgesagt hat, so daß der Gauner davonkam. Warum?«
»Interessierte mich nur. Wie lange hat er gekriegt?«
»Fünf Jahre, aber er war sehr viel schneller wieder draußen.«
»Danke.«
»Gern geschehen. Übrigens, eine von den Gefälligkeiten, die Sie mir schuldig waren, hat sich erledigt. Ich habe Ihren Rat beherzigt. Das Gift hat hervorragend gewirkt, und ich bin erlöst; ich unterstehe nicht mehr dem Chauvinisten. Schönen Dank also und gute Nacht.«
»Gute Nacht.«
Wenn die Flag Angstmacher brauchte, konnte Jay Erskine sie beschaffen.
Ich seufzte und rieb mir die Augen und dachte über Holly nach, die mir seit einer Ewigkeit im Kopf herumging, mir sagte, ich solle sie anrufen. Sie würde das Geld haben wollen, das ich immer noch um meine Taille trug, und ich mußte sie und Bobby wohl überreden, am Morgen nach London oder Ascot zu kommen, um es abzuholen.
Ich würde ihr auch sagen müssen, daß ich den Abdruck der Entschuldigung doch nicht durchgesetzt hatte. Daß ihre und Bobbys Anwälte sich ewig plagen könnten und nichts erreichen würden. Daß es der Flag zwar vielleicht lästig fiele, wenn wir aller Welt von der Lauschaktion erzählten, daß es aber nichts dazu beitragen würde, ihren Banker umzustimmen. Nur zögernd wählte ich Hollys Nummer.
»Natürlich kommen wir das Geld abholen«, sagte sie. »Bist du bitte jetzt mal still davon und hörst zu.«
»Okay.«
»Sam Leggatt hat angerufen. Der Chefredakteur der Flag. «
»Tatsächlich? Wann?«
»Vor etwa einer Stunde. Anderthalb. So um sieben. Er sagte, du wärst in London, irgendwo in der Gegend von Knightsbridge, und ob ich wüßte, wo du dich aufhältst.«
»Was hast du gesagt?« fragte ich erschrocken.
»Ich sagte ihm, wo du letzte Nacht gewohnt hast. Ich riet ihm, es dort zu versuchen. Er sagte, das sei nicht in Knightsbridge, und ich meinte, klar, aber ob er noch nie was von Taxis gehört hätte. Jedenfalls wollte er dir dringend eine Nachricht zukommen lassen, sagte er. Er wollte, daß ich sie aufschrieb. Ich sollte dir ausrichten, daß die Entschuldigung in diesem Moment gedruckt wurde und daß sie ausgetragen werden wird.«
»Was! Warum sagst du denn das nicht gleich?«
»Aber du hast mir gestern abend doch erzählt, das würde laufen. Also, ich dachte, du wüßtest es.«
»Allmächtiger«, sagte ich.
»Außerdem«, sagte Holly, »sollst du heute abend zur Flag kommen. Er sagte, wenn du vor zehn hinkämst, wäre da jemand, den du kennenlernen möchtest.«
Als ich auf den Summer drückte und unangemeldet durch die aufklinkende Tür trat, saß er allein in seinem Büro, in Hemdsärmeln hinter dem blanken schwarzen Schreibtisch, und las die Flag.
Er erhob sich langsam, die Finger auf der Zeitung gespreizt, wie um sie als Hebel zu benutzen, ein kleiner, stämmiger Mann, der Autorität ausstrahlte, als wäre sie ihm angeboren.
Ich war nicht der, den er erwartet hatte. Eine Stimme sagte hinter mir: »Hier ist sie, Sam«, und ein Mann, der eine Mappe schwenkte, kam hinzu.
»Ja, Dan, läßt du sie mir mal hier?« sagte Leggatt, indem er die Hand ausstreckte und sie an sich nahm. »Ich komme auf dich zurück.«
»Aha? Okay.« Der Mann namens Dan ging wieder, sah mich neugierig an, schloß klickend die Tür.
»Ich habe Ihre Nachricht erhalten«, sagte ich.
Er schaute auf seine Ausgabe der Flag herunter, blätterte eine Seite vor, drehte die Zeitung herum und schob sie mir über den Schreibtisch zu.
Ich las die Intimen Details, die am Freitag einige Millionen Frühstücksrunden kitzeln würden, und sah, daß er zumindest fair gespielt hatte. Der Beitrag war in halbfetter Antiqua, in einem schwarz gerahmten Kasten. Er lautete:
Die Daily Flag räumt ein, daß der Rennstall von Robertson (Bobby) Allardeck (32) in Newmarket ein gesundes Unternehmen ist und nicht bei Kaufleuten des Orts in der Kreide steht. Die Daily Flag entschuldigt sich bei Mr. Allardeck für alle Unannehmlichkeiten, die ihm durch anderslautende Meldungen, wie sie früher in dieser Kolumne erschienen sind, entstanden sein mögen.
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